
Hintergrund
Nach operativen Brustkrebsbehandlungen, wie z.B. Entfernung axillärer Lymphknoten und/oder Radiotherapie, treten häufig postoperative Beschwerden an den oberen Extremitäten auf. Ein Drittel aller Frauen klagt über eingeschränkte Bewegungsfähigkeit der Schulter, chronische Schmerzen und Lymphödeme, die einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität haben und den Genesungsprozess verzögern. Physiotherapie wird in der Regel erst angewendet, wenn bereits Probleme bestehen. Zudem gibt es Bedenken, dass frühzeitiges oder zu starkes Training das Risiko für postoperative Wundkomplikationen und Lymphödeme erhöhen kann. Optimales Timing, Intensität, Sicherheit und Impact eines postoperativen Trainings sind nicht geklärt [1].
Zielsetzung
Ziel der UK PROSPER-Studie (prevention of shoulder problems trial) war es festzustellen, ob ein frühzeitig begonnenes, strukturiertes Trainingsprogramm die funktionelle und gesundheitliche Lebensqualität von Frauen nach einer nicht rekonstruktiven Brustkrebs-OP erhöhen kann.
Methodik
Die multizentrische randomisierte kontrollierte Studie wurde an 17 Krebszentren des UK National Health Services durchgeführt. Dazu wurden erwachsene Frauen, die sich einer Brustkrebsoperation unterziehen mussten und ein hohes Risiko für postoperative Bewegungseinschränkungen der Arme hatten, 1:1 randomisiert. Eine Gruppe erhielt postoperativ die Standardnachsorge, die andere Gruppe die Standardnachsorge plus ein speziell konzipiertes Trainingsprogramm (PROSPER-Trainingsprogramm), das frühzeitig begonnen und von Physiotherapeuten individuell strukturiert und begleitet wurde.
Sieben bis zehn Tage nach der Operation wurden die Patientinnen das erste Mal beim Physiotherapeuten vorstellig. Dabei wurde ein auf die jeweilige Patientin zugeschnittenes auf Schulterflexion, Abduktion und Abduktion mit Außenrotation ausgerichtetes Trainingsprogramm erstellt, das Stretching, Kräftigungsübungen, körperliche Aktivität und Verhaltensstrategien zur Unterstützung der Adhärenz beinhaltete. Spezielle, mit Therabändern durchzuführende Kräftigungsübungen wurden nach einem Monat hinzugefügt. Patienten sollten die Übungen täglich durchführen und ein Trainingstagebuch führen. Weitere Treffen, bei denen das Trainingsprogramm besprochen wurden, waren nach einem und nach drei Monaten terminiert. Insgesamt sollte die Aktivität im Laufe der Studie so erhöht werden, dass die Trainingszeit am Ende des 12-monatigen Beobachtungszeitraums bei 150 Minuten pro Woche lag.
Studienergebnisse wurden anhand von Fragebögen erhoben, die von den Patientinnen selbst auszufüllen waren. Primärer Endpunkt war die Armfunktion nach 12 Monaten, die mittels DASH (Disability of Arm, Hand and Shoulder)-Fragebogen erfasst wurde. Dieser beinhaltet 30 Items mit einem Gesamtscore von 0 (keine Einschränkung) bis 100 (schwerste Behinderung), einschließlich 21 Fragen zur Funktion von Arm und Schulter, 6 Fragen zur Symptomatik und drei Fragen zu den sozialen Folgen. Darüber hinaus wurde weitere Fragebögen unter anderem zur Ermittlung der Armsymptomatik, Lymphödeme und Schwellung des Arms, postoperative Schmerzen (akut, chronisch und neuropathisch), Komplikationen bei der Wundheilung und gesundheitsbezogene Lebensqualität eingesetzt.
Ergebnisse
Von 951 Frauen, die zwischen Ende Januar 2016 und Ende Juli 2017 gescreent wurden, konnten 392 Frauen im Alter von 28-88 Jahren (Durchschnittsalter 58,1 Jahre) randomisiert werden. Davon waren bei 86% der Frauen axilläre Lymphknoten entfernt worden, 83% sind axillär/supraklavikulär bestrahlt worden, 73% waren zu Studienbeginn übergewichtig bzw. fettleibig und ca. ein Fünftel (21%) hatte bereits eine Vorgeschichte mit Schulterproblemen. Nach 12 Monaten lag der mittlere DASH-Score in der Trainingsgruppe bei 16,3 (SD 17,6) und in der Vergleichsgruppe bei 23,7 (SD 22,9). Damit zeigte sich ein statistisch und klinisch signifikanter Unterschied zu Gunsten des früh eingesetzten PROSPER-Trainingsprogramms. Zusätzlich wurden in der Trainingsgruppe unter anderem niedrigere postoperative Schmerzintensitäten, bessere Armbeweglichkeit und eine Verbesserung der Lebensqualität verzeichnet.
Keinen Einfluss hatte das Training auf neuropathische Schmerzen und die Wundheilung. Mögliche Komplikationen im Zusammenhang mit dem frühzeitig eingesetzten Trainingsprogramm konnten deshalb ausgeschlossen werden. Ökonomische Betrachtungen zeigten, dass es sich um eine kosteneffektive Maßnahme handelt. Aufwendungen für das Training wurden durch die Vermeidung möglicher Komplikationen mehr als aufgewogen.
Fazit
Die Studienautoren um Julie Bruce zeigen, dass ein frühes, strukturiertes Trainingsprogramm (PROSPER-Übungsprogramm) nach einer Brustkrebs-OP für die Frauen sicher ist und, im Vergleich zu Frauen, die nur die Standardnachsorge erhalten, nach einem Jahr zu einer besseren Funktionalität der Arme und gesundheitsbezogener Lebensqualität mit weniger Schmerzen und weniger Einschränkungen führt.