Verringerung der Todesfälle bei Geburtseinleitung

Im Vergleich der Geburtseinleitung nach 36 Schwangerschaftswochen mit einer Strategie des Beobachtens und Abwartens zeigten sich bei der Einleitung eine Verringerung der Todesfälle, der Kaiserschnittrate und der Rate an Einweisungen von Neugeborenen auf die Intensivstation.

Schwangere mit Infusion

Hintergrund

Das Risiko einer Totgeburt oder des Todes eines Neugeborenen steigt mit fortschreitender Schwangerschaft (ab etwa 40 Schwangerschaftswochen). Es ist unklar, ob bei einer ansonsten normal verlaufenden, aber bereits über das errechnete Geburtsdatum hinausgehenden Schwangerschaft eine Geburtseinleitung diese Risiken verringern kann. Die aktuell von einer Autorengruppe um Professor Philippa Middleton vom South Australian Health and Medical Research Institute in Adelaide, Australien, publizierte Cochrane-Übersichtsarbeit ist eine weitere Aktualisierung einer Übersichtsarbeit, die ursprünglich 2006 veröffentlicht und in den Jahren 2012 und 2018 aktualisiert wurde.

Zielsetzung

Ziel der Arbeit war es, anhand publizierter Daten, die Auswirkungen verschiedener Strategien auf die Schwangerschaftsergebnisse für das Kind und die Mutter zu bewerten. Die Autoren verglichen Daten zur Weheninduktion in oder nach der 37. Schwangerschaftswoche mit Daten zum Abwarten spontan einsetzender Wehen auf unbestimmte Zeit, oder bis zu einem späteren Gestationsalter oder bis bei Mutter oder Fetus eine Indikation für die Weheninduktion auftritt.

Methoden

Für diese Aktualisierung durchsuchten die Autoren das Cochrane Pregnancy and Childbirth’s Trials Register, ClinicalTrials.gov, die WHO International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) (17. Juli 2019) sowie Referenzlisten der abgerufenen Studien.

Es wurden randomisierte kontrollierte Studien (RCT) berücksichtigt, die mit Frauen in oder nach der 37. Schwangerschaftswoche durchgeführt wurden und in denen die Strategie der Weheninduktion mit einer Strategie des Abwartens des spontanen Wehenbeginns verglichen wurde. Cluster-RCT, Quasi-RCT und Studien mit einem Cross-Over-Design wurden nicht in diese Arbeit einbezogen. Da Risikofaktoren in diesem Stadium der Schwangerschaft normalerweise eine Intervention erfordern würden, wurden nur Studien berücksichtigt, an denen Frauen mit geringem Komplikationsrisiko teilnahmen. Studien zur Induktion von Wehen bei Frauen mit Blasensprung vor oder nach der Geburt wurden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt, werden jedoch in einem separaten Cochrane-Review behandelt.

Zwei Autoren bewerteten unabhängig voneinander, ob die Studien für die Analyse geeignet waren, prüften das Verzerrungspotenzial und extrahierten Daten,die dann auf Richtigkeit überprüft wurden. Die Qualität der Evidenz beurteilten die Autoren anhand des GRADE (Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation)-Ansatzes.

Ergebnisse

In die Analyse wurden 34 RCT (Berichte über 21.000 Frauen und Säuglinge) einbezogen, die größtenteils in einkommensstarken Umgebungen durchgeführt wurden. In den Studien wurde die Einleitung von Wehen in der Regel nach 41 vollendeten Schwangerschaftswochen (> 287 Tage) mit dem Warten auf den Beginn der Wehen und/oder dem Warten für einen gewissen Zeitraum vor dem Einleiten der Wehen verglichen.

Die Studien hatten im Allgemeinen ein geringes bis mäßiges Verzerrungspotenzial und die Evidenz für die meisten wichtigen Ergebnisse, die mittels GRADE-Ansatz bewertet wurden, erreichten einen hohen oder moderaten Grad der Vertrauenswürdigkeit.

Verglichen mit der Strategie des Beobachtens und Abwartens war die Weheninduktion deutlich mit folgenden Ergebnissen verbunden:Weniger perinatale Todesfälle (alle Ursachen) 

  • Risikoverhältnis [RR] 0,31, 95%-Konfidenzintervall (KI) 0,15 bis 0,64
  • 22 Studien, 18.795 Säuglinge, hoher Grad der Vertrauenswürdigkeit

Es gab vier perinatale Todesfälle in der Weheninduktionsgruppe im Vergleich zu 25 Todesfällen in der Beobachten-und-Abwarten-Gruppe. 

Weniger Totgeburten 

  • RR 0,30, 95%-KI 0,12 bis 0,75
  • 22 Studien, 18.795 Säuglinge; hoher Grad der Vertrauenswürdigkeit
  • Zwei Todesfälle wurden in der Weheninduktionsgruppe und 16 in der Beobachten-und-Abwarten-Gruppe beobachtet.

Geringfügig weniger Kaiserschnitte

  • RR 0,90, 95%-KI 0,85 bis 0,95
  • 31 Studien, 21.030 Frauen; moderater Grad der Vertrauenswürdigkeit

Weniger intensivpflichtige Neugeborene 

  • RR 0,88, 95%-KI 0,80 bis 0,96
  • 17 Studien, 17.826 Säuglinge; hoher Grad der Vertrauenswürdigkeit

Weniger Neugeborene mit Apgar-Wert <7 nach fünf Minuten 

  • RR 0,73, 95%-KI 0,56 bis 0,96
  • 20 Studien, 18.345 Säuglinge; moderater Grad der Vertrauenswürdigkeit

Für folgende Ergebnisse war ein Unterschied zwischen Weheninduktion und  Beobachten und Abwarten wahrscheinlich geringfügig oder nicht vorhanden:

  • operative vaginale Geburten 
  • Perinealtraumen 
  • postpartale Blutungen
  • Stillen bei Entlassung 
  • Dauer des Krankenhausaufenthalts der Mutter
  • neonatale Enzephalopathie 
  • neonatales Trauma

Über postnatale Depression oder die Neuroentwicklung bei der Nachsorge im Kindesalter wurde in keiner Studie berichtet.

In Subgruppenanalysen wurden für keines der Hauptergebnisse (perinataler Tod, Totgeburt, Aufnahme auf die Intensivstation, Kaiserschnitt, operative vaginale Geburt oder perineales Trauma) Unterschiede aufgrund des Zeitpunkts der Induktion (<40. versus 40. bis 41. versus >41. Schwangerschaftswoche), der Parität (primipar versus multipar) oder des Zustandes des Gebärmutterhalses festgestellt.

Fazit

Im Vergleich zur Beobachten-und-Abwarten-Strategie wurden durch eine Weheninduktion in oder nach der 37. Schwangerschaftswoche perinatale Todesfälle deutlich verringert. Die absoluten Raten waren gering (0,4 gegenüber 3 Todesfälle pro 1000 Schwangerschaften). Ebenso war die Kaiserschnittrate erniedrigt, ohne dass eine erhöhte Rate operativer vaginaler Geburten beobachtet wurde. Auch die Neugeborenen profitierten von der Weheninduktion. Sie mussten seltener auf eine Intensivstation aufgenommen werden.

Die Autoren der Publikation stellten fest, dass der optimale Zeitpunkt, um Frauen in oder nach der 37. Schwangerschaftswoche eine Geburtseinleitung anzubieten, noch nicht ausreichend untersucht ist, ebenso wie die Risikoprofile von Frauen,ihre Werte und Präferenzen. Dies wäre wünschenswert, um den Frauen eine maßgeschneiderte Beratung bezüglich Risiken und Vorteilen einer Geburtseinleitung anbieten zu können, insbesondere bei Schwangerschaften, die länger als 41 Wochen andauern.

Auch die Neuroentwicklung im Kindesalter identifizierten die Autoren als einen wichtigen Bereich für die zukünftige Forschung.

Quelle:
  1. Cochrane Deutschland, Pressemeldung, 15.07.2020
  2. Middleton et al. (2020) Induction of labour at or beyond 37 weeks' gestation – Cochrane systematic review. Cochrane Database of Systematic Reviews, DOI: 10.1002/14651858.CD004945.pub5
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