
70% der tumorkranken Kinder erleben dank moderner Krebstherapie heutzutage die nächsten fünf Jahre, viele davon erreichen das Erwachsenenalter. Doch das hat seinen Preis: zwei Drittel von ihnen müssen lebenslang mit den Folgen kämpfen. Und das sind besonders häufig endokrine Störungen (bis zu 40%) – vor allem Wachstums- und Schilddrüsenfunktionsstörungen sowie Schädigung der ovariellen Funktion, wie Hannah Lubrich vom Universitätsklinikum Erlangen auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) berichtete.
Hauptsächlich kommt es zu Störungen der Pubertät und Einschränkungen der Fertilität.
Schädelbestrahlung stört Pubertät
Bei Tumoren des ZNS kommt es durch Bestrahlung des Hypothalamus-Bereichs oft zu Schäden an der hypothalamischen-hypophysären Achse, was zu einer Pubertas präcox führen kann. Wie Lubrich erläuterte, sollten daher bei Bestrahlungen des Schädels über 18 Gray bis zum achten Lebensjahr alle sechs Monate kontrolliert werden, ob die Pubertät vorzeitig einsetzt.
Bei höheren Schädelbestrahlungen über 30 Gray kann es auch zu einer verzögerten Reifeentwicklung kommen, vor allem wenn die Hypophyse betroffen ist. Um eine Pubertas tarda zu erfassen, empfiehlt die Leitlinie vor der onkologischen Therapie und im Alter von 13 Jahren LH, FSH und Östradiol zu bestimmen.
Ovarien aus dem Bestrahlungsfeld bringen
Je nach Tumorentität wird auch häufig das Becken bestrahlt, was wiederum eine Schädigung der Ovarien bzw. eine Ovarialinsuffizienz nach sich ziehen kann. Allerdings ist hier nicht nur die Strahlendosis, sondern auch der Abstand der Ovarien zum Bestrahlungsfeld wichtig. Durch operative Verlagerung der Ovarien kann der Abstand zum Bestrahlungsfeld vergrößert und so das Risiko der Ovarialinsuffizienz vermindert werden.
Vor Zytostase: Ovarialgewebe einfrieren
Doch nicht nur die Bestrahlung, auch Chemotherapeutika schädigen die Ovarien, wobei das Ausmaß vom jeweiligen Zytostatikum und dessen kumulativer Dosis abhängen. Den durch die Ovarialinsuffizienz bedingten Hormonstörungen lässt sich meist medikamentös entgegensteuern. Um jedoch den Mädchen die Chance auf die Mutterschaft zu erhalten, sollte von vor der Tumortherapie erwogen werden, Ovarialgewebe einzufrieren. Damit könnten dann bei Kinderwunsch aus diesem Gewebe mittels in-vitro-Maturation Eizellen für eine IVF gewonnen werden.
Lubrich plädierte dafür, allen Patientinnen, die als Kinder eine Krebserkrankung durchgemacht haben, eine umfassende Fertilitätsberatung anzubieten.