
Hierzulande bekommen statistisch Mädchen im Alter von 12,8 Jahren ihre erste Regelblutung. Die Menarche ist – ebenfalls statistisch – zweieinhalb Jahre nach der Thelarche (dem beginnenden Brustwachstum) zu erwarten, berichtete Professor Dr. Patricia Oppelt (Erlangen). Verzögert sich die erste Periode, ist dies meist erst dann ein Anlass den Frauenarzt aufzusuchen, wenn die Mädchen in der Schule die letzten sind, die noch nie ihre Tage hatten.
Ohne Gebärmutter keine Regelblutung
Um dieser Entwicklungsverzögerung auf die Spur zu kommen rät Oppelt, sich den Phänotyp anzuschauen. Sind die sekundären Geschlechtsmerkmale ausgebildet und die Mädchen normal groß, sollte nach wiederholten Unterbauchschmerzen gefragt werden. Wird dies verneint und hatten die Mädchen auch noch keinen Geschlechtsverkehr, könnte ein MRKH-Syndrom (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom) vorliegen. Dabei handelt es sich um eine Hemmungsfehlbildung der Müller-Gänge wodurch im zweiten Embryonalmonat Uterus und Vagina nicht ausgebildet werden. An deren Stelle befindet sich nur Gewebestrang. Da die Ovarialfunktion nicht gestört ist, bilden sich Brust und Schambehaarung regel- und zeitgerecht aus.
Die Häufigkeit des MRKH-Syndroms wird mit einer Bertoffenen auf 4.500 Gesunde angegeben, das sind in Deutschland etwa 8000 Frauen, so Oppelt.
Abdominelle Sonografie bringt auf die Spur
Auch wenn Gebärmutter und Scheide beim MRKH-Syndrom nicht angelegt sind, bildet sich bei einigen Betroffenen eine etwa 0,5–3 cm große Grube am Eingangsbereich der Scheide aus. Dies kann selbst bei Verdacht auf ein MRKH- Syndrom auf die falsche Fährte führen. Daher sollte bei den jungen Mädchen das äußere Genitale zunächst nur inspiziert werden, rät Oppelt. Mehr diagnostischen Aufschluss gibt eine abdominelle Sonografie. Dabei könnte auch schon grob abgeklärt werden, ob sich Auffälligkeiten an der Niere zeigen – beispielsweise Beckennieren oder einseitige Nierenaplasie. Denn mit dem MRKH-Syndrom sind bis zu 30% Fehlbildungen der Niere und des Skeletts vergesellschaftet. Daher solle ein nephrologisches und auch orthopädisches Konsil erwogen werden.
Vagina chirurgisch aufbauen
Auch wenn die Scheide eigentlich nicht vorhanden ist, kann den jungen Frauen mittels moderner Chirurgie geholfen werden: die Vagina lässt sich chirurgisch (re)konstruieren, wie Professor Dr. Sara Bruckner (Tübingen) ergänzte. Damit könne den jungen Frauen ein normales Liebesleben ermöglicht werden. Bruckner arbeitet auch an dem nächsten Schritt: Da mittlerweile eine Uterustransplantation möglich ist, wäre der Kinderwunsch mit einem solchen Eingriff via extrakorporale Befruchtung in Zukunft vielleicht zu erfüllen.
Differentialdiagnose AN
Auch bei Mädchen mit einer Essstörung kann es zu einer schmerzfreien primären Amenorrhoe kommen, vor allem wenn diese Essstörung bzw. Unterernährung schon sehr früh begonnen hat. Oppelt berichtete von einer 145 cm großen 14-Jährigen, die kein Brustwachstum allerdings Schambehaarung aufwies. Bei dieser Patientin hatte die Anorexia nervosa (AN) bereits mit neun Jahren begonnen.
Selbst wenn es gelingt, diesen AN-Mädchen wieder zu einem normalen Gewicht zu verhelfen, hat die Essstörung langfristig Auswirkungen:
- Das Längenwachstum kann nicht mehr aufgeholt werden, da die Epiphysenfugen sich aufgrund des andauernden Energiemangels bereits früh geschlossen haben.
- Entwicklungsverzögerung der sekundären Geschlechtsmerkmale.
- Nach Erreichen von 90% des Normalgewichts setzt nur bei jeder zweiten Patientin nach 6−12 Monaten ein normaler Zyklus ein.
- Bei etwa einem Drittel der Patientinnen persistiert die Amenorrhoe trotz Gewichtsstabilisierung.
Bei der Therapie der jungen Mädchen mit Anorexia nervosa legt Oppelt besonderes Augenmerk auf die Knochendichte. Denn diese ist wie auch bei den postmenopausalen Frauen vermindert. In dieser Altersgruppe ist eine Hormonersatztherapie hilfreich. Bei den jungen Mädchen lassen sich durch Östrogensubstitution die Knochen jedoch nicht aufbauen. Oppelt rät dazu nur, wenn die Patientinnen auch nach Erreichen des Zielgewichts immer noch eine Amenorrhoe aufweisen.