
In der Vergangenheit beschäftigten sich viele Leitlinien mit den Problemsituationen in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Nun ist erstmals eine Handlungsanleitung für den Normalfall einer Entbindung von den leitenden Verbänden der Frauenärzte und den Hebammen erarbeitet worden: Die S3-Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin bei einer Einlingsschwangerschaft in Schädellage. Per Definition schließt das den Zeitraum 37+0 Schwangerschaftswochen (SSW) bis 41+6 SSW ein.
Gemeinschaftswerk von Gynäkologen und Hebammen
Da in der Regel die Betreuung im Team aus Hebammen und ärztlichen Geburtshelfern erfolgt, waren an der Erarbeitung der Leitlinie federführend die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaften (DGHWi) beteiligt.
Umfangreiche Handlungsempfehlung
Die insgesamt 258 Seiten umfassenden Handlungsempfehlung beschreibt die physiologischen Geburtsphasen.
Fokus auf interdisziplinäres Vorgehen
Der Fokus liegt aber darauf, die Abgrenzung zum Normalfall zu verdeutlichen. Anders ausgedrückt: Zu zeigen, wann es brenzlig wird und wann weitere Spezialisten – beispielsweise Anästhesisten oder Kinderärzte – hinzuzuziehen sind. Daher haben auch viele weitere Fachgruppen – z. B. Psychosomatiker, Neonatologen – an der Leitlinie mitgearbeitet, um eine qualitativ hochwertige Versorgung der Frauen sicherzustellen.
Die einzelnen Kapitel widmen sich unter anderem der Betreuung in den einzelnen Phasen der Geburt sowie der Überwachung, Vorbeugung und Therapie von Geburtsverletzungen, dem Schmerzmanagement und der Qualitätssicherung.
Gebärende nicht allein lassen
Trotz des stetigen Personalmangels in den Kliniken, betonen die Autoren, dass Gebärende ab der aktiven Eröffnungsphase eine Eins-zu-eins-Betreuung durch eine Hebamme erhalten sollten und vor allem in der aktiven Austrittsphase – also dem Höhepunkt der Geburt – nicht vom geburtshilflichen Personal im Kreißsaal allein gelassen werden sollen.
Die Nabelschnur sollte nicht früher als eine Minute nach der Geburt abgeklemmt werden, sofern diese nicht verletzt ist und das Neugeborene keine Hinweise für eine anormale Stresssituation zeigt.
Nach glücklicher Geburt: in Ruhe lassen
Unmittelbar nach der Geburt, so lautet eine weitere Empfehlung, sollten alle pflegerischen und diagnostischen Maßnahmen oder medizinischen Eingriffe auf ein Mindestmaß reduziert werden. Gerade diese Zeit ist für das gegenseitige Kennenlernen – in der Fachsprache Bonding genannt – besonders wichtig. Hierzu zählt vor allem auch der Haut-zu-Haut-Kontakt. Um den Beginn des Stillens zu fördern, sollten Mütter das Neugeborene so früh wie möglich anlegen – idealerweise in der ersten Stunde des Lebens.