
Hintergrund
Ergebnisse aus Beobachtungsstudien zeigen eine starke Assoziation zwischen erhöhtem Blutdruck, insbesondere im Alter zwischen 40 bis 65 Jahren, und einem erhöhten Risiko für Demenz und kognitive Beeinträchtigungen. Im Kontrast dazu stehen die Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Metaanalyse. Sie zeigte, dass über einen mittleren Beobachtungszeitraum von acht Jahren das geringste Demenzrisiko bei einem mittleren systolischen Blutdruck von 185 mmHg (95%-Konfidenzintervall (KI): 161 bis230 mmHg) bestand und es eine U-förmige Beziehung zwischen Hypertonie und Demenz bei alten Menschen (Alter: >80 Jahre) gibt.
Die Klärung dieser Diskrepanz hat eine hohe Priorität für die Festlegung von Strategien für die öffentliche Gesundheit und von klinischen Leitlinien, da die Schwellenwerte und die Intensität der Blutdrucksenkung im höheren Alter möglicherweise angepasst werden müssen. Hierfür sind randomisierte, placebokontrollierte Studien die erste Wahl. Da kardiovaskuläre Ereignisse in der Regel früher auftreten als eine Demenz, ist dieser Endpunkt häufig nicht mit vorgesehen. Der erbrachte Nachweis der kardiovaskulären Risikoreduktion durch Antihypertensiva führt auch dazu, dass es nicht mehr ethisch vertretbar ist, einen Teil der Patienten ohne antihypertensive Medikation zu belassen. Eine neue placebokontrollierte Studie zum Demenzrisiko müsste also eine große Anzahl an Teilnehmern beinhalten, die gleichzeitig in der Lage sind, ihre kardiovaskulären Risiken leitliniengerecht zu behandeln. Die Autoren der aktuellen Metaanalyse griffen daher auf bereits durchgeführte Studien zurück, in denen der Endpunkt Demenz erfasst worden war.
Zielsetzung
Die Metaanalyse, basierend auf individuellen Patientendaten aus fünf geeigneten randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien (HYVET, SYST-EUR, PROGRESS, ADVANCE, SHEP), untersucht die Auswirkungen einer Blutdrucksenkung auf das Demenzrisiko.
Methodik
Um den Effekt der Blutdrucksenkung auf das Auftreten von Demenz zu bewerten, wurde eine logistische Regression basierend auf individuellen Patientendaten der oben genannten Studien auf mehreren Ebenen durchgeführt. Die Effektmodifikation wurde für Alter, systolischen Blutdruck zu Beginn der Studie, Geschlecht, vorausgegangenen Schlaganfall oder initialen Mini-Mental-Status-Test (Mini-Mental State Examination [MMSE]) untersucht.
Ergebnisse
Insgesamt wurden in der Metaanalyse 28.008 Patientendaten aus 20 verschiedenen Ländern ausgewertet. Die mediane Nachbeobachtungsdauer lag bei 4,3 Jahren (Interquartilsabstand (IQR): 3,5 bis4,5 Jahre), das mittlere Alter der Patienten bei 69 ± 9,3 Jahren und 46,8% waren Frauen. Der Blutdruck zu Studienbeginn lag systolisch bei 155,8 ± 21,5 mmHG und diastolisch bei 82,9 ± 10,7 mmHg. In der Nachbeobachtung wurden 861 Fälle von neudiagnostizierter Demenz dokumentiert.
Reduktion des Demenzrisikos
Die Inzidenzrate war bei Patienten mit antihypertensiver Therapie mit 2,9% im Vergleich zu Patienten in der Placebogruppe mit 3,3% um mehr als 13% verringert (Odds Ratio (OR): 0,865; 95%-Konfidenzintervall (KI): 0,756 bis0,996). Diese Risikoreduktion war auf ein im Mittel niedrigeren Blutdruck von 10/4 mmHg in der Gruppe der antihypertensiv behandelten Patienten zurückzuführen. Eine weitere multinominale Regression unter Berücksichtigung des Todes als konkurrierendes Risiko ergab ähnliche Ergebnisse (OR: 0,876; 95%-KI: 0,805 bis0,954). Es gab keine Effektmodifikation durch das Alter oder das Geschlecht. Eine Mediationsanalyse bestätigte, dass die stärkere Senkung des Blutdrucks in der aktiv behandelten Gruppe mit einer stärkeren Verringerung der Demenz einherging.
Einfluss auf die kognitive Funktion
Bei 17.581 Patienten waren sowohl zu Beginn als auch nach zwei Jahren Messungen zur kognitiven Funktion mittels MMSE durchgeführt worden. Es zeigten sich nach Anpassung von Alter und Geschlecht keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (p=0,15). Bei der kognitiven Gesamtverschlechterung, die kategorisch anhand eines anhaltenden Rückgangs des MMSE definiert wurde, gab es ebenfalls keinen entsprechenden Effekt der Behandlung (OR: 0,905; 95%-KI: 0,695 bis1,179) im Vergleich zu Placebo.
Fazit
Die Metaanalyse individueller Patientendaten aus randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten klinischen Studien zeigt den Nutzen einer antihypertensiven Behandlung in im mittleren und höheren Lebensalter zur Senkung des Demenzrisikos.
Es bleibt jedoch die Frage offen, welchen Nutzen eine zusätzliche Senkung des Blutdrucks bei Menschen mit bereits gut eingestelltem Bluthochdruck bringen könnte und ob eine
eine früher im Lebensverlauf begonnene antihypertensive Behandlung das langfristige Demenzrisiko senken kann.