
Hintergrund
Mit der Berufskardiologie hat sich ein anspruchsvoller Bereich entwickelt, der ein umfassendes Verständnis der allgemeinen Kardiologie sowie der Umwelt und Arbeitsmedizin voraussetzt. Kardiologen, die in diesem Bereich arbeiten benötigen Kenntnisse spezifischer Merkmale und Arbeitsplatzbedingungen, die typisch sind für Positionen in hochgefährdeten Berufen. Zu diesen Berufen zählen gemäß der Definition des American College of Occupational and Environmental Medicine Berufe, „bei denen eine Arbeitsunfähigkeit eine besondere Gefahr für die Beschäftigten, die Mitarbeiter und/oder die Öffentlichkeit darstellen“.
Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern und Personen in hochgefährdeten Positionen und diese müssen sich daher regelmäßig medizinischen Untersuchungen unterziehen. Insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen sind hier von großer Bedeutung, da die Personen Faktoren ausgeliefert sind oder sein können, die das kardiovaskuläre Risiko zusammen in Verbindung mit ihrer gefährlichen Tätigkeit weiter erhöhen. Der Arbeitgeber oder auch die Aufsichtsbehörde geben die Grenzen vor, wann der Gesundheitszustand insbesondere das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen dazu führt, die berufliche Tätigkeit vorübergehend oder dauerhaft einzuschränken.
Zielsetzung
Die Übersichtsarbeit soll aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse der Berufskardiologie für mehrere hochgefährdete Berufe darlegen und fokussiert sich dabei auf vorliegende Umweltrisiken sowie Methoden für Screening, Überwachung und Risikomanagement zur Prävention von Ereignissen, die durch kardiovaskuläre Erkrankungen ausgelöst werden können.
Methodik
Die Übersichtsarbeit wurde auf Grundlage publizierter Daten aus Pubmed und Web of Knowledge erstellt. Für die Suche wurden die folgenden Begriffe verwendet: Gefahr oder sicherheitsempfindlich, Arbeit oder Beruf, kardiovaskulär oder kardiologisch oder Herz und Erkrankung. Es fanden sich potenzielle Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Tod durch Herzerkrankungen in verschiedenen Berufen, darunter Fischerei, Baugewerbe, Holzfällerei und Bergbau. Jedoch wurde sich auf gefährliche Berufe beschränkt, bei denen eine kardiovaskuläre Erkrankung die Sicherheit des Arbeitnehmers und/oder anderer beeinträchtigen kann und der Arbeitgeber die Pflicht hat, diese Risiken zu managen. Hierzu zählten Berufe in großer Höhe, in der Luft- und Raumfahrt, im Tauchsport, bei Einsatzkräften beim Militär oder im Transportgewerbe.
Ergebnisse
Im nachfolgenden werden die Erkenntnisse exemplarisch für einzelne Berufssparten erläutert.
Luft- und Raumfahrt
Kardiovaskuläre Ereignisse bei Piloten führen nur sehr selten zu Flugunfällen und Todesopfern. Untersuchungen auf kardiovaskuläre Ereignisse und ihre Risikofaktoren sind jedoch nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der Zulassungsanforderungen an die Piloten um die Flugsicherheit zu gewährleisten. Das übliche akzeptable Risiko einer Arbeitsunfähigkeit des Piloten beträgt ein Prozent pro Jahr. Dabei muss das altersabhängige Risiko gegen den Wert der Erfahrung als wichtiger Faktor zur Verringerung eines Unfallrisikos abgewogen werden. Aktuell gibt es keinen einheitlichen weltweiten Standards bei der Bewertung des kardiovaskulären Risikos. Auch die Anforderungen an die Meldung von Erkrankungen an die Behörden sind je nach Rechtsprechung unterschiedlich.
Betrachtet man Astronauten, so kommt es mit steigendem Aufkommen der kommerziellen Raumfahrt ebenfalls zu einem notwendigen Berufsmanagement, insbesondere bei Astronauten die für Weltraumtouristen verantwortlich sind. Bei Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen beim Astronauten sind hier mit einem noch katastrophaleren Outcome als bei Piloten zu rechnen. Daher sollten sich das zukünftige Risikomanagement an den Präzedenzfällen der Luftfahrt orientieren.
Taucher
Das Tauchen stellt eine besondere Belastung für das Herz-Kreislauf-System dar. Bereits ein einmaliger Tauchgang kann zu akuten physiologischen Veränderungen führen, wie einem Anstieg des systolischen pulmonal-arteriellen Drucks und einer Abnahme der rechtsventrikulären Ejektionsfraktion. Regelmäßige Tauchgänge können sowohl mit Bluthochdruck als auch mit ischämischen Herzkrankheiten in Verbindung gebracht werden Taucher sollten somit auf die nachteiligen langfristigen kardiovaskulären Auswirkungen des Tauchens aufmerksam gemacht werden, um die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren zu berücksichtigen. Ein Screening auf Herzerkrankungen bei Freizeit-, Militär- oder Berufstauchern findet nur selten statt und sind nur für ältere Taucher oder Taucher mit signifikanten Risikofaktoren vorgesehen.
Bergsteiger
Bergsteiger konfrontieren ihr Herz-Kreislauf- und Lungensystem aufgrund der Umwelt mit zahlreichen physiologischen Herausforderungen, die eine bekannte oder verborgene kardiovaskuläre Erkrankung verschlimmern können. Der Hauptfaktor ist dabei die Hypoxie. Ein Screening oder Belastungstests sind bislang für Bergsteiger nicht vorgeschrieben. Evidenzbasierte Empfehlungen für Bergsteiger mit kardiovaskulären Erkrankungen existieren jedoch. So sollen ein Hypoxietraining, intermittierendes hypoxisches Intervalltraining und eine Vorexposition in der Höhe die Anpassung an Bewegung und Arbeit unter hypobarer Hypoxie verbessern.
Einsatzkräfte
Das Berufsrisiko von Einsatzkräften ist von deren Tätigkeit abhängig. Man erwartet bei Feuerwehrleuten aufgrund ihrer besseren kardiorespiratorischen Fitness eine geringere Inzidenz an kardiovaskulären Todesfällen. Jedoch zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen zur häufigsten Todesursache während des Dienstes bei Feuerwehrleuten und die Tendenz hierzu hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Herzinfarkte und plötzlicher Herztod sind für 45 % der Todesfälle bei Feuerwehrleuten im aktiven Dienst verantwortlich und treten hauptsächlich bei Löscharbeiten auf.
Hingegen hat das medizinische Notfallpersonal (Ärzte und Krankenpfleger) ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Herzerkrankungen als die Allgemeinbevölkerung. Berufsbedingte Expositionen können eine bestehende kardiovaskuläre Herzerkrankung jedoch verschlimmern, insbesondere während der aktuellen COVID-19-Pandemie. Rettungssanitäter im Speziellen haben jedoch ein sehr hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ebenso wie Angehörige von Strafverfolgungsbehörden.
Untersuchungen, Überwachung und Risikomanagement
Bei Berufen mit hohem Gefährdungspotenzial ist es üblich, eine Mindestanforderung für die körperliche Fitness und Kraft vorzugeben und diese Normen zu überwachen. Diese Normen stellen sicher, dass die Beschäftigten die für ihre Tätigkeit erforderlichen Schlüsselaufgaben erfüllen können. Ein Nichterreichen dieser Normen kann unerkannte Gesundheitsprobleme insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen aufzudecken, die zu einem erhöhten Risiko für betroffene Personen, Mitarbeiter oder der Öffentlichkeit führen können.
Die vorgegebenen Normen in Form von Screening und regelmäßigen Untersuchungen müssen jedoch durch wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt werden, die bislang nur begrenzt vorliegen.
Fazit
Die Übersichtsarbeit zeigt, dass das Fehlen von aktuellen Erkenntnissen und der fehlende Konsens darüber dazu beitragen, dass Entscheidungen zumeist auf der Grundlage von Expertenmeinungen getroffen werden. Die führt zu einem Mangel an Kohärenz bei der klinischen Entscheidungsfindung sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Arbeitgebern und wird in Frage gestellt. Daher sind weitere Untersuchungen erforderlich, die das optimale Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Arbeitnehmer und der Öffentlichkeit und der Vermeidung von karrierebeendenden falsch-positiven Ergebnissen zu finden.