SARS-CoV-2: Herausforderung für die Kardiologie

Italienische Kardiologen beschreiben, vor welche komplexen Probleme COVID-19 die Kardiologie stellt und welche Maßnahmen helfen können.

Herzfrequenz

Hintergrund

Die COVID-19 Pandemie birgt auf mehreren Ebenen besondere Herausforderungen für die Kardiologie: Das SARS-CoV-2 kann die Herzmuskulatur direkt angreifen und auch bei ursprünglich herzgesunden Patienten zu einer Myokarditis führen. Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19. Darüber hinaus können schwere Virusinfektionen auch das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse, z. B. einen Myokardinfarkt begünstigen. [1,2]

Akutversorgung gewährleisten

Dazu kommt, dass auch in Corona-Zeiten eine leitliniengerechte Akutversorgung von schweren kardiovaskulären Ereignissen für nicht-infizierte Patienten gewährleistet sein muss. Dabei müssen  gleichermaßen die Patienten wie die behandelnden Teams vor Infektionen mit SARS-CoV-2 geschützt werden. Die mit SARS-CoV-2 infizierten kardiologischen Patienten müssen daher von Anfang an und strikt von den Nicht-Infizierten getrennt werden.

Erfahrungen aus einem italienischen Hot-Spot

Nach Wuhan entwickelte sich die norditalienische Region Lombardei mit der Stadt Mailand Ende Februar 2020 zum ersten europäischen Epizentrum der SARS-CoV-2-Pandemie. Bis zum 04.04.2020 wurde in der Lombardei bei 49.118 Menschen eine SARS-CoV-2-Infektion nachgewiesen. Bisher sind in der Region 8.656 Patienten mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion verstorben.[3] Kardiologen um Prof. Giulio Stefanini von der Humanitas Universität in Mailand berichten nun in der Fachzeitschrift „Circulation“, welche Maßnahmen kardiologische Einrichtungen getroffen haben, um mit der Krisensituation durch die SARS-CoV-2 Pandemie umzugehen.

Organisation der kardiologischen Versorgung

Die wichtigsten Maßnahmen zur Schaffung von kardiologischer Kapazitäten für COVID-19 Patienten und zur Aufrechterhaltung einer kardiologischen Akutversorgung in der Region Lombardei sind folgende:

  • Strikte Priorisierung elektiver Hospitalisierungen
  • Schutz des medizinischen Personals
  • Einführung eines Hub-and-Spokes-System

Priorisierung der Patienten

Die Priorisierung der Patienten und das konsequente Verschieben von bis zu 80% der elektiven Hospitalisierungen werden von den Autoren als entscheidende Maßnahme für die Schaffung von Kapazitäten genannt. Die Priorisierung erfolgt nach Risikostratifikation, dem klinischen Bild und der Größe des Ischämieareals. Generell erhalten Patienten kritischen Stenosen des linken Hauptstamms oder des proximalen Ramus interventricularis anterior (RIVA) ebenso wie Patienten mit dekompensierter, symptomatischer Aortenstenose eine hohe Priorität.

Schutz des medizinischen Personals

Da der Infektionsstatus von Patienten mit dringendem kardiovaskulären Behandlungsbedarf in der Regel nicht bekannt ist, werden alle Patienten solange als SARS-CoV-2-positiv angesehen und die entsprechenden Schutzmaßnahmen getroffen, bis ein negativer Test vorliegt. Die kardiologische Behandlung von SARS-CoV-2 infizierten Patienten übernehmen in der Lombardei COVID-19-Teams. Die Teams behandeln dabei ausschließlich Infizierte, um Übertragungen auf nicht-Infizierte Kardiologie-Patienten zu reduzieren. Um auch Ärzte und medizinisches Personal effektiv vor Infektionen mit SARS-CoV-2 zu schützen, haben die kardiologische COVID-19-Teams ein umfassendes Infektionsschutz-Training absolviert und arbeiten eng mit Pneumologen, Intensivmedizinern und Infektiologen zusammen.

Hub-and-Spokes-System

Die Organisation der Versorgung von nicht-infizierten Patienten mit akutem Myokard-Infarkt wurde ab dem 8. März grundlegend geändert und auf ein aus der Logistik und der Luftfahrt bekanntes „Hub-and-Spokes-System“ (Nabe-Speiche-Architektur) umgestellt. Die Akutversorgung von Nicht-Infizierten wurde von zuvor 129 Katheterlabors auf 13 zentrale Einrichtungen (Hub) konzentriert. Nach der akuten Versorgung im Hub werden die Patienten, sobald es ihr Zustand zulässt, auf eine von mehreren Kooperationskliniken (Spokes) verlegt, um im Hub-Zentrum freie Kapazitäten für die Akutversorgung zu schaffen.

Autor:
Stand:
07.04.2020
Quelle:
  1.  Stefanini al. (2020): Critical Organizational Issues for Cardiologists in the COVID-19 Outbreak: A Frontline Experience From Milan, Italy. Circulation, DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.120.047070
     
  2. Grätzel (2020): Kardiologie in Corona-Zeiten – priorisieren, reorganisieren, Infarktversorgung sicherstellen. Kardiologie.org. News.
     
  3. Corriere della sera. 02.04.2020
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