
Hintergrund
Eine hohe Stressbelastung am Arbeitsplatz zählt zu den bekannten Risikofaktoren für eine Erkrankung an Hypertonie. Aber kann allein eine erhöhte wöchentliche Arbeitszeit bzw. die Anzahl der Überstunden bereits ein Indikator für ein erhöhtes Hypertonie-Risiko sein? Vorangegangene Studien kamen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein kanadisches Wissenschaftler-Team um Prof. Dr. Xavier Trudel von der Laval University in Quebec ist dieser Frage nun erneut nachgegangen [1,2].
Hypertonie in Kanada
Wenn man einen Grenzwert von 140/90 mmHg zugrunde legt, leiden ca. 24% der Männer und 23% der Frauen im Alter von 20-79 Jahren in Kanada unter Bluthochdruck [3]. In der Altersgruppe zwischen 20-39 Jahren wissen viele der Betroffenen nicht, dass sie unter einer Hypertonie leiden. Ein Grund hierfür kann sein, dass der Bluthochdruck beispielsweise nur während der Erwerbstätigkeit auftritt, in der Arztpraxis beim Blutdruckmessen jedoch Normotonie besteht. Man spricht in diesen Fällen von einer maskierten Hypertonie, die nur bei einer Langzeit-Blutdruckmessung entdeckt werden kann.
Zielsetzung
Das Ziel der Studie bestand darin festzustellen, ob Personen, die mehr Arbeitsstunden ableisten, häufiger unter maskiertem oder anhaltendem Bluthochdruck leiden.
Methoden
Die Studie wurde über fünf Jahre mit mehr als 3.500 Büroangestellten von drei großen öffentlichen Einrichtungen in Quebec durchgeführt. Die Teilnehmer erhielten ein tragbares Blutdruckmessgerät und die Anweisung ihren Ruheblutdruck am Arbeitsplatz morgens in drei Messungen zu ermitteln. Das Mittel aus diesen Werten wurde als klinischer Ruheblutdruck am Arbeitsplatz definiert. Für den Rest des Arbeitstages nahm das Gerät alle 15 Minuten selbstständig Messungen vor. Das Mittel dieser Werte wurde als ambulatorischer Blutdruck definiert.
Festlegung der Grenzwerte
Wenn der klinische Ruheblutdruck am Arbeitsplatz <140 mmHg lag, der ambulatorische Blutdruck dabei jedoch ≥135/85 mmHg betrug, lag nach Definition der Autoren eine maskierte Hypertonie vor. Als anhaltender Bluthochdruck wurde die Kombination der Messwerte des Ruheblutdrucks von ≥140/90 mmHg und des ambulatorischen Blutdrucks von ≥135/85 mmHg definiert. Eine anhaltende Hypertonie bestand unabhängig von den gemessenen Werten nach Definition der Autoren auch, wenn die Angestellten bereits antihypertensive Medikamente einnahmen.
Ergebnisse
Insgesamt flossen die Daten von 3.547 Büroangestellten in die Studie ein. Fast 19% der Angestellten (inklusive jener, die bereits Antihypertensiva einnahmen) litten unter einer anhaltenden Hypertonie. 13% wiesen einen zu hohen ambulatorischen Blutdruck auf. Wer mehr als 49 Stunden wöchentlich arbeitete, hatte ein um 70% erhöhtes Risiko für einen maskierten Bluthochdruck (Prävalenz Ratio [PR] 1,7 / 95% Konfidenzintervall [CI] 1,09–2,64). Das Risiko einer anhaltenden Hypertonie stieg in dieser Gruppe um 66% (PR 1,66 / 95% CI 1,15–2,50). Die Ergebnisse wurden um soziodemographische Faktoren, Lebensstil, relevante Vorerkrankungen und Stress im Job bereinigt.
Fazit
Die Ergebnisse sprechen dafür, dass lange Arbeitszeiten und Überstunden das Risiko von maskiertem und anhaltendem Bluthochdruck deutlich erhöhen können. Die Studie weist folgende Limitationen auf: Es wurden ausschließlich Büroangestellte untersucht und Stressoren außerhalb des Arbeitsplatzes (z.B. familiäre Situation, Anzahl der zu versorgenden Kinder usw.) wurden nicht berücksichtigt.