
Hintergrund
Eine hochgradige Aortenklappenstenose kann mit dem Verfahren der Transkatheter Aortenklappenimplantation (TAVI, engl. transcatheter aortic valve replacement [TAVR]) behandelt werden. Hierbei handelt es sich um einen nicht-chirurgischen und schonenden Eingriff, der insbesondere bei Patienten mit hohem Risiko für einen klassischen Aortenklappenersatz eingesetzt wird. Eine mögliche Komplikation der TAVI ist ein periprozeduraler Schlaganfall aufgrund der gelösten Embolietrümmer der Stenose, der zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität führt. Dieses Schlaganfallrisiko bei der TAVI wurde inzwischen durch Einsatz von Geräten der neuesten Generation verringert und ist nun ähnlich hoch wie beim klassischen Aortenklappenersatz. Dennoch bleibt der Schlaganfall eine wichtige Komplikation des Verfahrens.
In den USA wurde durch die Gesundheitsbehörde FDA das SENTINEL-Gerät Cerebral Protection System der Firma Boston Scientific zum Schutz vor zerebralen Embolien (cerebral embolic protection [CEP]) zugelassen. Das SENTINEL-Gerät verringert das Risiko eines periprozeduralen ischämischen Schlaganfalls, indem es Embolietrümmer, die bei der TAVI entstehen, auffängt und sie aus dem Blutkreislauf entfernt, bevor sie das Gehirn erreichen. In der Zulassungsstudie erwies sich das SENTINEL-Gerät als sicher und fing gelöste Trümmer der Stenose bei 99% der Patienten auf. Jedoch war die Studie nicht darauf angelegt, das Auftreten von Schlaganfällen zu bewerten.
Zielsetzung
Die PROTECTED TAVR- Studie verglich die periprozedurale Schlaganfallreduktion sowie neurologische Ereignisse während der TAVI bei Patienten mit Aortenstenose mit oder ohne Einsatz des SENTINEL-Geräts zum Schutz vor Debris.
Methodik
In die Studie eingeschlossen wurden Patienten mit Aortenstenose, die im Verhältnis 1:1 randomisiert wurden und eine transfemorale TAVI mit Einsatz des SENTINEL-Geräts zum Schutz vor Debris (CEP-Gruppe) oder ohne Einsatz des SENTINEL-Gerätes (Kontrollgruppe) erhielten. Patienten wurden ausgeschlossen, wenn entweder die linke A. carotis oder die Arteria brachiocephalica eine Stenose von mehr als 70 % des Durchmessers aufwies oder wenn die anatomische Struktur anderweitig mit der Platzierung des CEP-Geräts nicht vereinbar war.
Der primäre Endpunkt war definiert als Auftreten eines Schlaganfalls innerhalb von 72 Stunden nach der TAVI bzw. vor Entlassung aus dem Krankenhaus (was immer zuerst eintrat). Zu den sekundären Endpunkten zählten das Auftreten von Schlaganfällen mit Behinderung, Tod, transitorische ischämische Attacke (TIA), Delirium, vaskuläre Komplikationen an der CEP-Zugangsstelle und akute Nierenschäden. Weiterhin wurden neurologische Ereignisse durch einen Facharzt bewertet.
Ergebnisse
Die Studie umfasste insgesamt 3.000 Patienten, von denen randomisiert 1.501 in die CEP-Gruppe und 1.499 in die Kontrollgruppe kamen. Bei 12 der 1501 Patienten aus der CEP-Gruppe wurde keine TAVI duchgeführt, der Einsatz des SENTINEL-Gerätes verlief bei 1.406 der übrigen 1489 Patienten (94,4%) erfolgreich. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 78,9 ± 7,8 Jahren. Die beiden Studiengruppen unterschieden sich mit Ausnahme des Anteils der Frauen in den beiden Gruppen (CEP: 42,0% vs. Kontrollgruppe: 37,8%) nicht in den erfassten demographischen und klinischen Merkmalen.
Auftreten von Schlaganfällen
Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der CEP- und der Kontrollgruppe in Bezug auf die Inzidenz von Schlaganfällen innerhalb von 72 Stunden nach TAVI oder vor der Entlassung. Einen Schlaganfall erlitten 34 Patienten der CEP-Gruppe (2,3%) und i 43 Patienten der Kontrollgruppe (2,9%). (Differenz: -0,6 Prozentpunkte; 95%-Konfidenzintervall (KI): -1,7 bis 0,5; p=0,30). Dieses Ergebnis schließt den Nutzen der CEP während der TAVI nicht gänzlich aus, da die Differenz einer tendenziellen Risikoreduktion der Schlaganfallrate um relative 21% entspricht.
Weiterhin konnte eine statistisch signifikante Reduktion des relativen Schlaganfallrisikos mit Behinderung von 60% (p=0,02) nach neurologischer Auswertung gezeigt werden. Ein Schlaganfall mit Behinderung trat bei 8 Patienten (0,5%) in der CEP- und bei 20 Patienten (1,3%) in der Kontrollgruppe auf.
Auftreten sekundärer Endpunkte
Bei allen untersuchten Endpunkten mit Ausnahme der Schlaganfallrate mit aufgetretener Behinderung traten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (CEP- vs. Kontrollgruppe) auf. Es verstarben 0,5% vs. 0,3% der Patienten während der Studie. Einen Schlaganfall, eine TIA oder ein Delirium wiesen insgesamt 3,1% vs. 3,7% der Patienten auf und jeweils 0,5% der Patienten hatten ein akutes Nierenversagen. Eine vaskuläre Komplikation an der CEP-Zugangstelle trat lediglich bei einem Patienten (0,1%) auf.
Multivariable Analyse und Subgruppenanalysen
Das weibliche Geschlecht war in einer multivariablen Analyse positiv mit dem Auftreten eines Schlaganfalles assoziiert (Odds Ratio: 1,93; 95%-KI: 1,20-3,12) und die Verwendung eines ballonexpandierenden Ventils war umgekehrt mit einem Schlaganfall assoziiert (Odds Ratio: 0,46; 95%-KI: 0,28-0,76).
Subgruppenanalysen zeigten eine konsistente Verringerung von Schlaganfällen unter Einsatz des SENTINEL-Gerätes über alle Patientengruppen hinweg mit Hinblick auf Alter, Geschlecht, Operationsrisiko, Klappentyp und anamnestischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Fazit
In der PROTECTED TAVR- Studie war die Häufigkeit eines Schlaganfalls als periprozedurale Komplikation bei einer TAVI mit oder ohne Einsatz des SENTINEL-Gerätes zum Schutz vor CEP vergleichbar hoch.
Der Einsatz eines SENTINEL-Gerätes zum Schutz vor CEP während einer TAVI führt nicht zu einer geringeren Inzidenz von Schlaganfällen, aber auf der Grundlage des 95%-Konfidenzintervalls lässt sich ein Nutzen während der TAVI nicht ausschließen.