
Neuromyelitis optica (NMO)-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) und Multiple Sklerose (MS) weisen ein ähnliches klinisches Erscheinungsbild auf. Seit etwa 2006 gilt NMOSD aber als eigene Entität. Die beiden Erkrankungen unterscheiden sich vor allem in Prognose und Therapieansprechen.
Kohortenstudie: Parameter zur Prognose und Diagnosekriterien bestimmen
Parallel zur MS-Kohortenstudie etablierte das Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) eine NMOSD-Kohorte (Nation NMO), [1]. Das Ziel ist der Vergleich von Patienten aus beiden Kohorten, um neue Parameter für die Vorhersage des Krankheitsverlaufs zu identifizieren und sowohl bestehende als auch neue Diagnosekriterien für NMOSD zu validieren.
Professor Dr. Corinna Trebst, Abteilung für Klinischen Neuroimmunologie und Neurochemie und Klinik für Neurologie, medizinische Hochschule Hannover, informierte in einem Vortrag auf der Neurowoche 2018 über diese Erkrankung und die aktuellen Analysen aus der Kohorte [2].
Neuromyelitis optica-Spektrum-Erkrankungen
Mit einer Inzidenz von 0,1 – 0,9/1 Million gehört die NMOSD zu den seltenen Erkrankungen. In 80% der Fälle ist die Erkrankung mit Autoantikörpern gegen Aquaporin-4 (AQP-4) assoziiert. Die Erkrankung verläuft in Schüben und schnell kommt es zum Aufbau von Behinderungen.
Typischerweise kommt es zu rekurrierenden Optikusneuritiden und einmaligen oder wiederkehrenden langstreckigen Entzündungen des Rückenmarks (LETM, longitudinale extensive transverse Myelitis).
Zusammensetzung und Einschlusskriterien der Kohorte
Aktuell befinden sich über 400 Patienten in der Kohorte. Einschlusskriterien entsprechen denen der Neuromyelitis optica-Studiengruppe (NEMOS), die in die NMOSD-Kohorte mit einging. Einschlusskriterien sind unter anderem das Vorhandensein von Autoantikörpern gegen AQP-4, positiver MOG (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein)-Status oder das Vorliegen einer Hirnstamm-Enzephalitis mit Area postrema-Syndrom (APS).
Prädiktoren für den Outcome
Als Prädiktoren für einen schlechten Outcome erwiesen sich das Auftreten einer Myelitis als Erstsymptom, eine Myelitis mit motorischen Ausfällen sowie mehr als eine Myelitis im ersten Jahr der Erkrankung.
Therapie von NMOSD-Schüben
Im aktuellen Qualitätshandbuch MS / NMOSD [4] ist die Schubtherapie genau erläutert. Initial wird mit intravenösen Steroiden (z. B. 1 g Methylprednisolon/Tag i. v. an fünf aufeinanderfolgenden Tagen und Magenschutz und Thromboseprophylaxe) therapiert. Wegen der Schwere der Erkrankung und dem hohen Risiko von Rezidiven sollte eine orale Ausschleichphase mit Steroiden, besonders bei gleichzeitiger Einleitung einer Immuntherapie, bis zu deren Wirkungseintritt erfolgen.
Ist bekannt, dass ein Patient gut auf Aphereseverfahren anspricht bzw. ein schlechtes Ansprechen auf die hochdosierte Steroidtherapie bei früheren Schüben gezeigt hat, so sollte die Apheresetherapie als Ersttherapie bei schwerem Erkrankungsschub gewählt werden.
Früher Therapiestart entscheidend
In einer aktuellen Subgruppenanalyse [3] wurden Plasmapherese und Immunadsorption untersucht. Dabei ließ sich keine Überlegenheit für eines der beiden Aphereseverfahren feststellen. Entscheidend für das Ansprechen war ein früher Start der Therapie. „Jeder Tag zählt“, betonte Trebst.
Myelitiden sprechen schlecht auf Schubtherapie an
Bei Myelitiden sei zu beachten, dass diese besonders schlecht auf die Schubtherapie ansprechen. Ein Ansprechen sei vor allem mit einer First-Line-Apheresetherapie zu erreichen.
Intervalltherapie der NMOSD
Die langfristigen Behinderungen bei NMOSD bauen sich durch die schlechte Remission der Schübe auf. Daher ist die Schubprävention, und damit die langfristige Immuntherapie, sehr bedeutsam.
Als Medikamente zur First-Line-Therapie eignen sich Rituximab und Azathioprin sowie Mycophenolat Mofetil. Die Auswahl erfolgt anhand der Ausprägung klinischer und MRT-Befunde sowie dem Zeitpunkt der therapeutischen Wirkung. Natürlich sollte auch eine Berücksichtigung des Verträglichkeits- und Nebenwirkungsprofils erfolgen.
Sollte es trotz ausreichend dosierter Immuntherapie zu einem erneuten Schub kommen, so sollte ein Therapiewechsel oder eine Kombinationstherapie angestrebt werden.
Wichtige Unterschiede zur MS-Therapie
Viele Intervalltherapien, die bei Patienten mit MS eingesetzt werden, erwiesen sich bei NMOSD als nicht wirksam oder verschlechterten sogar den Verlauf der Erkrankung. Dies betrifft Interferon-beta, Glatirameracetat, Fingolimod, Natalizumab und Alemtuzumab. Deshalb sollten diese Präparate bei NMOSD nicht eingesetzt werden.
Fazit
Abschließend formulierte Trebst die Fragestellungen, die nach Auswertung der NMOSD-Kohorte, zumindest in Teilen, beantwortet werden sollten. Man erhoffe sich die Identifikation von Prädiktoren für die Langzeitprognose. Darüber hinaus sollen Progressionsmarker identifiziert und Vergleiche zur MS-Kohortenstudie erfolgen.