Varikosen (Krampfadern) bezeichnen knotige, geschlängelte Erweiterungen der Venen. Man unterscheidet Stammvarizen, Besenreiservarizen und retikuläre Varizen.
Unter der Hautoberfläche des menschlichen Körpers liegen die oberflächlichen Venen. Bei vielen Menschen sind sie durch die Haut hindurch als blau-grünliche Gefäße sichtbar. Sind sie erweitert, zeichnen sie sich deutlich als geschlängelte oder knotige, häufig erhobene und grün-blaue Strukturen unter der Haut ab. Diese Erweiterungen werden als Varikosen oder Krampfadern bezeichnet. Sie treten vorrangig an den Beinen auf. Ursache ist eine degenerative, krankhafte und chronische Veränderung der Venenwände.
Unterschieden wird zwischen primärer (idiopathischer) und sekundärer Varikose und anhand des Ortes der Varikose oder wie hämodynamisch relevant sie sind. Die Hauptarten der primären Varikose sind:
Stammvarizen und Varikose der akzessorischen Venen => Sie betreffen die oberflächlichen Hauptvenen der Beine wie beispielsweise die Vena saphena magna und parva
Seitenastvarizen => Sie betreffen die Verzweigungen der Hauptvenen in den Beinen. Erkennbar sind sie an deutlich schlängelnden Verlauf und unter der Haut gut sichtbar
Perforansvarizen => Sie betreffen die Verbindungsvenen zwischen dem oberflächlichen und dem tiefliegenden Venensystem
pelvine Varizen => Klappendefekte von Venen im kleinen Becken
retikuläre Varizen => netzartige, oberflächliche und erweiterte Venen mit einem Durchmesser von etwa drei Millimetern
Besenreiservarizen => kleinste erweiterte Venen unter der Hautoberfläche, die ein Ausbreitungsmuster aufweisen, das an Reisigbesen erinnert
Im Gegensatz zur idiopathischen primären Varikose ist die sekundäre Folge einer anderen Erkrankung wie einer Thrombose, Leberzirrhose, spezifischen Bluthochdruckerkrankungen wie der portalen Hypertension oder ähnlichen. Ösophagusvarizen (Krampfadern an der Speiseröhre) können solch ein Beispiel sein.
Epidemiologie
Genaue und aktuelle Zahlen zur Inzidenz und Prävalenz von Varikosen in Deutschland sind nicht bekannt. Manche Schätzungen gehen von 50 bis 80% aus, andere von wesentlich geringeren Zahlen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer (Verhältnis 3:1). Die Erkrankung kann auch bereits im Kindesalter auftreten. Genaue Zahlen sind dort jedoch auch nicht bekannt. Das Risiko, Varikosen zu entwickeln, steigt mit dem Lebensalter, ebenso wie die Fallzahlen.
Die meisten Daten fußen auf der Bonner Venenstudie aus dem Jahr 2003. Dort entdeckten Wissenschaftler, dass vermutlich jeder sechste Mann und jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens an chronisch venöser Insuffizienz erkranken. Häufig jedoch ohne schwere Verläufe. Unter den Studienteilnehmern hatten 12,4% der Männer und 15,8% der Frauen eine Varikose, jedoch ohne chronisch venöse Insuffizienz.
Ursachen
Die Ursachen der Varikose sind vielfältig. Unterschieden werden zwischen der primären und der sekundären Form, wobei die sekundäre Form Folge einer anderen Erkrankung ist.
Die genaue Ursache der primären Varikose ist noch nicht abschließend geklärt. Diskutiert werden erbliche Faktoren, das Alter und mechanische und hormonelle Einflüsse. Am häufigsten scheint das Alter ursächlich für Varikosen zu sein, gefolgt von familiärer Vorbelastung. Auch das weibliche Geschlecht, mehrfache Schwangerschaften, langjährige stehende Tätigkeiten oder Rechtsherzinsuffizienz spielen eine wichtige Rolle. In seltenen Fällen können auch angeborene Veränderungen der Venenklappen durch dysplastische Venenklappen, wie beispielsweise beim Kippel-Trénaunay-Syndrom, ursächlich sein.
Sekundäre Varikosen können beispielsweise Folge einer tiefen Beinvenenthrombose (postthrombotisches Syndrom) sein. Durch den Gefäßverschluss oder die Rekanalisation werden das Endothel und die Klappen der Venen geschädigt, das Blut fließt zurück in die oberflächlichen Venen oder staut sich. Ca. 60% aller Patienten mit einer unbehandelten Phlebothrombose entwickeln in den kommenden zehn Jahren eine Varikose.
Pathogenese
Beim gesunden Menschen fließt das venöse Blut aus den oberflächlichen Venen, den epifaszialen Venen, in die tiefliegenden Venen, den subfaszialen Venen. Von dort wird es durch Muskelpumpen zum Herzen zurücktransportiert. Venenklappen verhindern, dass das Blut aus den subfaszialen Venen zurück in die epifaszialen fließen kann. So fließt das Blut nur unidirektional. Versagt das Venenklappensystem, fließt ein Teil des Blutes in die epifaszialen Venen zurück. Ursächlich dafür ist zum Teil ein Druckgradient zwischen den epifaszialen Venen und den subfaszialen Venen: Zwischen beiden Systemen können Druckunterschiede von bis zu 100 mm Hg in den Beinvenen herrschen. Versagen die Venenklappen und Blut kann aus den subfaszialen in die epifaszialen Venen zurückfließen, steigt die Druckbelastung in diesen Gefäßen – sie beginnen auszusacken.
Als Ursache für das Versagen des Venenklappensystems werden veränderte Strömungsgeschwindigkeiten und Drücke in den Venen diskutiert. Dadurch kommt es vermutlich zu entzündlichen Veränderungen in den Venenwänden, die auch die Venenklappen betreffen. Betroffen davon ist auch der Wandaufbau der Venen selbst mit veränderter funktioneller Ordnung. Die Venengefäße können dem erhöhten Druck nicht mehr ausreichend Kontraktionskraft entgegensetzen und sacken aus. In der Folge können die Venenwände dem in ihnen herrschenden Druck noch schlechter standhalten und ein Teufelskreislauf entsteht, der zusätzlich zu einem Umbau des Muskelgewebes in der Wand im Bindegewebe führt. Bleibt dieser Zustand über einen längeren Zeitraum bestehen, wird er irreparabel.
Symptome
Die Symptome beim Krankheitsbild der Varikose können vielfältig sein und von jedem Patienten anders und unterschiedlich stark empfunden werden. So wird berichtet, dass Patienten mit ausgeprägten Varikosen teilweise weniger Symptome haben als Patienten mit gering ausgeprägten Varikosen. Das klinische Bild ist dem der chronischen Veneninsuffizienz ähnlich, überschneidet sich aber auch mit anderen Erkrankungen, die Beinbeschwerden auslösen können. Deshalb ist es wichtig, andere Erkrankungen auszuschließen, bevor eine endgültige Diagnose gestellt werden kann.
Zu den häufigsten Symptomen zählen:
lokale Schmerzen
Juckreiz
Schweregefühl
Spannungsschmerzen, gelegentlich auch mit Parästhesien (Störungen der Gefühlsempfindung)
nächtliche Wadenkrämpfe
müde Beine
Brennen in den Beinen und Füßen
unruhige Beine
Hitze- und Kältegefühl
ziehende/stechende Schmerzen in den Beinen
Knöchelödeme
sichtbare Venenveränderungen
Hautveränderungen
Diagnostik
Zu Beginn der Diagnostik steht eine ausführliche klinische Anamnese mit Fragen zur familiären Vorbelastung, einer Berufsanamnese und das Abfragen thromboembolischer Ereignisse.
An die Anamnese angeschlossen ist die klinische Untersuchung mit ausführlicher Inspektion und Palpation am stehenden Patienten. Unter anderem sollten die betroffenen Bereiche aus allen Richtungen begutachtet werden und auf gegebenenfalls Hautveränderungen, Narben und Ödeme aber auch auf Deformitäten, Anomalien und Fehlhaltungen Acht gegeben werden. In Einzelfällen können auch Funktionstests (Trendelenburg-Test oder Perthes-Test) im Rahmen der klinischen Untersuchung durchgeführt werden. Aufgrund der heute weit verbreiteten apparativen Diagnostik finden sie jedoch im klinischen Alltag kaum noch Anwendung.
Apparative Diagnostik
Zum Ausschluss anderer Differentialdiagnosen stehen verschiedene apparative Diagnosemittel zur Verfügung. Dazu zählen
Photopletysmographie, anhand derer überprüft wird, wie gut das Blut von den Venen durch die Muskelpumpe aus den Beinen abtransportiert wird. Je kürzer die Auffüllzeit nach Belastung ist, um so schlechter ist die Hämodynamik im venösen System.
Venenverschlusspletysmographie, die als Volumenmessung und Provokationstest den venösen Abstrom misst und zu den wichtigsten Tests zählt.
Cw-Dopplersonographie, die vor allem funktionelle Defekte aufdeckt.
Duplexsonographie, die heute aufgrund der hohen Verfügbarkeit und guten Anwendbarkeit als Goldstandard zählt.
Valsalva- Pressversuch, der eine venöse Refluxstrecke erkennen lässt, indem ein Reflux des venösen Blutes in die Peripherie durch ein Valsalvamanöver provoziert wird.
Phlebodynamometrie, die als invasive Methode nicht zur Regeldiagnostik gehört und dazu dient, die Blutdrücke in den Venen (intravasal) zu bestimmen.
Phlebographie, mit der mittels Kontrastmittel radiologisch das Venensystem dargestellt werden kann und Engstrecken sichtbar gemacht werden können. Sie galt lange als Goldstandard ist heute aber bei leitliniengerechter Behandlung nur noch Zusatzdiagnostik.
Computertomographie, mittels derer vor allem Venen des Körperstamms untersucht werden können.
Klassifizierung
Varikosen werden heutzutage klinisch zumeist anhand der CEAP-Klassifikation in die Stufen C0 bis C6 eingeteilt, wobei C0 die geringste und C6 die stärkste Ausprägung ist (siehe Tabelle). Wird die Varikose von Symptomen begleitet, wird die Klassifikation um ein „s“ ergänzt.
Tabelle zur CEAP-Klassifikation von Varikosen:
Klasse
Klinische Zeichen
C0
Keine sichtbaren oder tastbaren Zeichen einer venösen Insuffizienz
Ziel der Therapie ist es, Beschwerden zu lindern oder zu beseitigen und die venöse Hämodynamik möglichst ganz oder weitestgehend wieder zu normalisieren. Sie richtet sich nach dem individuellen Krankheitsbild und den Wünschen der Patienten. Verfügbar sind operative und konservative Therapieoptionen, die jedoch alle nicht in gleichem Maße bei jedem Patienten anwendbar sind.
Konservative Therapieoptionen
Die Kompressionstherapie ist eine der häufigsten konservativen Therapien. Sie kann mit Kompressionsstrümpfen oder mit phlebologischen Kompressionsverbänden durchgeführt werden sowie durch apparative intermittierende oder intermittierende pneumatische Kompression. Alle Systeme können in allen Stadien der Varikose angewendet werden, sind jedoch, je nach individuellem Krankheitsbild des Patienten, nicht für jeden Patienten geeignet.
Auch physikalische Therapien wie manuelle Lymphdrainage, Balneotherapie, Gefäßsport und Medikamente können Symptome bei Patienten mit Varikose lindern und den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
Operative Therapieverfahren
Bei den operativen Therapien wird unterschieden zwischen offenen und endovenösen Verfahren, wobei erstere noch einmal unterteilt werden in venenerhaltende und venenentfernende Techniken. Als venenenerhaltende Optionen stehen beispielsweise CHIVA und extraluminale Valvuloplastien zur Verfügung, als venenentfernende die Crossektomie, Stripping und Phlebektomie.
Endovenöse Verfahren zählen heute an vielen Zentren zu den Standardbehandlungsmethoden. Zu diesen Verfahren zählen die thermischen Verfahren mit:
endovenöse thermischen Ablationsverfahren
endovenöse Laserablation
endovenöse Radiofrequenzablation
endovenöse Heißdampfablation
Zu den endovenös chemischen Verfahren zählen Sklerosierungen und Cyanoacrylat (Venenkleber). Welches Verfahren jeweils eingesetzt werden kann, hängt vom individuellen Patienten ab.
Prognose
Primäre Varikosen sind chronische Erkrankungen und nicht heilbar. Eine spontane Rückbildung der Varikosen ist nur im Sonderfall der schwangerschaftsbedingten Varikose möglich und auch in diesem Fall nur, wenn das Venensystem vor der Schwangerschaft gesund war. Alle anderen Varikosen verschlechtern sich unbehandelt stetig weiter.
Der Erfolg einer Therapie hängt vom gewählten Verfahren und dem individuellen Krankheitsbild ab. Der Erfolg einer Therapie hängt vom gewählten Verfahren und dem individuellen Krankheitsbild ab. Je nach Erfassungsart schwankt die Rezidivrate zwischen 5 und 35%. Durchschnittlich erleiden ca. 20% der behandelten Patienten einen Rückfall. Wie wahrscheinlich ein Rückfall ist, hängt neben vielen anderen Faktoren auch von der Compliance der Patienten ab: Halten sich Patienten besser an die Anweisungen ihrer Ärzte, können sie den Therapieerfolg positiv beeinflussen.
Prophylaxe
Zu generellen Prophylaxe von Varikosen zählen ausreichend Bewegung, vor allem Ausdauersport, und eine ausgewogene Ernährung. Bei bekannter familiärer Vorgeschichte sollten lange Steh- und Sitzzeiten vermieden werden. Auch Wechselduschen können vorbeugend eingesetzt werden. Ausgedehnte Sonnenbäder und Saunagänge sollten vermieden werden sowie auf das Tragen von beengter Kleidung und engen Schuhen mit hohen Absätzen.
In Einzelfällen oder zur Nachbehandlung können auch Medikamente unterstützend helfen, Varikosen oder Rezidive zu vermeiden.