Schlechte Nachrichten für Alzheimer-Patienten - Aus für Aducanumab

Zwei Phase 3-Studien zu Wirksamkeit und Sicherheit von Aducanumab im frühen Stadium der Alzheimer Krankheit wurden gestoppt. Zwischenanalysen hatten ergeben, dass die Studien ihr Ziel verfehlen und primäre Endpunkte nicht erreicht werden würden.

Alzheimer

Aducanumab und die Amyloid-Hypothese

Aducanumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der eine hohe ZNS-Gängigkeit aufweist und der gegen Amyloid β (Aβ)-Aggregate gerichtet ist. Er bindet sowohl an lösliche Oligomere als auch an unlösliches fibrilläres Aβ und wird ausgehend von einer de-identifizierten Bibliothek von B-Zellen gesunder älterer Patienten ohne Anzeichen kognitiver Beeinträchtigung oder von kognitiv beeinträchtigten älteren Patienten mit ungewöhnlich langsamen kognitiven Verfall gewonnen. Ergebnisse einer Phase 1b-Studie (PRIME) hatten gezeigt, dass Aducanumab die Ansammlung von β-Amyloidplaques im Gehirn von Alzheimer-Patienten massiv reduzieren kann. Diese Plaques werden von zahlreichen Experten für das Fortschreiten der kognitiven Degeneration bei der Alzheimer-Krankheit verantwortlich gemacht (Amyloid-Hypothese). Die Daten, die an 165 Patienten erhoben und im Jahr 2016 in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht wurden, ließen vermuten, dass der Wirkstoff das Fortschreiten neurokognitiver Defizite vermindern kann [1,2].

Laut Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie wurden große Hoffnungen auf Aducanumab gesetzt, da es nicht nur ein Medikament zur Alzheimer-Prophylaxe sein sollte, sondern auch ein Therapeutikum für Alzheimer-Patienten im Frühstadium.

Studien ENGAGE und EMERGE abgebrochen

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hatte dem Hersteller für die weitere Entwicklung von Aducanumab die „fast track designation“ zugestanden. Dabei werden als besonders wichtig erachtete Wirkstoffe bevorzugt und zügig behandelt, um diese den Patienten schnellst möglich zugänglich zu machen. In der Europäischen Union (EU) steht mit PRIME ein ähnliches Programm zur Verfügung und die Europäische Arzneimittelbehörde hatte Aducanumab im Juni 2016 für das PRIME Programm akzeptiert.

Die zwei globalen, multizentrischen, randomisierten, doppelblinden und Placebo-kontrollierten Phase 3-Studien, ENGAGE (NCT02477800) und EMERGE(NCT02484547) mit mehr als 3.200 Patienten, wurden im Jahr 2015 auf Basis dieser vielversprechenden Ergebnisse gestartet. Aducanumab wurde dabei einmal monatlich intravenös verabreicht, um die Wirksamkeit und Sicherheit im Vergleich zu Placebo zu evaluieren. Primärer Endpunkt beider Studien war die Verlangsamung kognitiver und funktioneller Beeinträchtigungen, auf Grundlage des Clinical Dementia Rating-Sum of Boxes (CDR-SB) Scores.

Ein unabhängiges Data Monitoring Committee hat nun in einer Zwischenauswertung festgestellt, dass das Erreichen der primären Endpunkte zum regulären Ende der Studien unwahrscheinlich ist. Dies hat zu der weitreichenden Entscheidung geführt, die Studien abzubrechen. Biogen hob in seiner Pressemitteilung hervor, dass die fehlende Wirksamkeit der Anlass des Studienabbruchs war und nicht das Sicherheitsprofil von Aducanumab.

Amyloid-Hypothese auf dem Prüfstand

Ist die Amyloid-Hypothese noch haltbar? Das ist die entscheidende Frage, die man sich derzeit stellen muss und die momentan unter Experten diskutiert wird. Zahlreiche Studien diverser Forschungsgruppen und Pharmaunternehmen, die auf dieser Hypothese basieren sind bereits gescheitert, andere sind noch in der Pipeline. Hochumstritten ist auch das Vorgehen der Partner Biogen und Eisai, trotz der enttäuschenden Ergebnisse mit Aducanumab, eine weitere Phase 3-Studie mit einem anderen anti-Amyloid-Antikörper (BAN2401) zu starten [3].

Amyloidplaques scheinen zwar ein markantes Kennzeichen von Alzheimer-Patienten zu sein, aber möglicherweise sind sie nicht ursächlich für die kognitive Degeneration verantwortlich.
Die Entscheidung für den Abbruch von ENGAGE und EMERGE spiegelt zweifelsfrei die Komplexität dieser schwerwiegenden neurologischen Erkrankung wider und die dringende Notwendigkeit das grundlegende Wissen auf dem Gebiet der Neurowissenschaften auszuweiten.

Rückschlag für die Alzheimer-Forschung

„Für die Alzheimer-Forschung ist das ein herber Rückschlag, da es sich um ein bis dato vielversprechendes Medikament handelt, das bei positivem Verlauf bereits 2023 auf dem Markt verfügbar gewesen wäre. Angesichts der steigenden Prävalenz von Menschen mit Demenzerkrankung ist die Dringlichkeit, wirksame Therapien zu entwickeln, natürlich besonders hoch“, erklärt Professor Dr. Richard Dodel, Neurologe an der Universität Duisburg-Essen.

Autor:
Stand:
04.04.2019
Quelle:
  1. Sevigny J et al. (2016): The antibody aducanumab reduces Ab plaques in Alzheimer’s disease. Nature, DOI: 10.1038/nature19323
     
  2. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Pressemitteilung, 22.03.2019
     
  3. Eisai Co. Ltd., Pressemitteilung, 22.03.2019
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