Monoklonale Antikörper

Monoklonale Antikörper stellen die größte Wirkstoffgruppe innerhalb der biologischen Arzneimittel dar. Es handelt sich um Proteine, die Antigene spezifisch erkennen und binden. Sie werden von einer bestimmten Zelllinie gebildet und richten sich gegen ein identisches Epitop (Bestandteil des Antigens).

Antikörper mit Rezeptor

Anwendung

Die ersten monoklonalen Antikörper (mAbs) wurden von Milstein und Köhler (Cambridge University) hergestellt, die 1984 hierfür den Nobelpreis für Physiologie und Medizin erhielten.

Mittlerweile werden monoklonale Antikörper sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie verschiedenster Erkrankungen eingesetzt. Wichtige Anwendungsgebiete stellten anfänglich vor allem Krebs- und rheumatische Erkrankungen dar. 

Aktuell haben sich die Indikationsgebiete stark erweitert und umfassen außerdem:

Wirkmechanismus

Antikörper, die auch als Immunglobuline bezeichnet werden, sind symmetrische Glykoproteine. Sie bestehen aus jeweils zwei identischen leichten (L=light chain) und schweren (H=heavy chain) Peptidketten, die durch Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Zwischen der L- und der H- Kette liegt die Antigenbindungsstelle. Diesen Molekülbereich nennt man auch Fab-Stück (Antigen-bindendes Fragment).

Durch den symmetrischen Aufbau des Antikörpers verfügt er über zwei Bindungsstellen und wird deshalb auch als bivalent bezeichnet. Infolge der geringen Übereinstimmung der Aminosäuresequenzen dieser Molekülteile bei verschiedenen Antikörpern wird das Fab-Fragment auch als variable Region bezeichnet. Im Gegensatz dazu sind die Aminosäuresequenzen an den Enden der H-Ketten wesentlich konstanter, sie werden auch als Fc-Stück (c=constant) bezeichnet. Bei Immunglobulinen einer Klasse und Spezies ist die Aminosäuresequenz des Fc-Stücks identisch. Das Fc-Stück ist für die Komplementaktivierung verantwortlich. Es ist nicht zur Antigen-Bindung befähigt.

Monoklonale Antikörper werden nach dem Anteil menschlicher Aminosäuresequenzen unterschieden. Man unterscheidet:

  • Murine Antikörper: Sie enthalten 100% Mausantikörper
  • Chimäre Antikörper: sie besitzen konstante Domänen der Maus- oder Hamsterantikörper (ca. 33%) und humane Aminosäuresequenzen
  • Humanisierte Antikörper: Bei ihnen sind konstante Domänen und variable Regionen, die nicht an der Antigenbindung beteiligt sind, durch humane Sequenzen ersetzt. Sie enthalten noch ca. 10% Maus-Proteine
  • Humane Antikörper: enthalten keine Aminosäuresequenzen einer Fremdspezies
Antikörper Nomenklatur

Nomenklatur

Im Jahr 1953 gründete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die »INN (international nonproprietary name) Expert Group«, die ein weltweit einheitliches, nachvollziehbares Nomenklatursystem für alle pharmazeutischen Wirkstoffe festlegt. Anhand des INN können einzelne Substanzen eindeutig identifiziert werden. Eine im Sinne der Arzneimittelsicherheit wichtige und unumstößliche Regel ist, dass einmal vergebene INN niemals rückwirkend geändert oder gelöscht werden. Somit bleiben auch alle bisher vergebenen INN mit der Endung -mab erhalten.

Pharmakologisch und/oder strukturell verwandte Wirkstoffe werden in sogenannte INN-Stämme mit einem gemeinsamen Namensteil (Stammbezeichnung) gruppiert. Das erste Schema zur Benennung monoklonaler Antikörper mit der Stammbezeichnung -mab (Monoclonal AntiBody) wurde 1991 eingeführt. Aufgrund der großen Anzahl an Neuentwicklungen im Bereich der Immunglobuline werden nun laut WHO neue Möglichkeiten zur Benennung monoklonaler Antikörper benötigt.

Starke Neuentwicklung schränkt INN-Möglichkeiten ein

Bis April 2022 waren 879 INN für monoklonale Antikörper vergeben. Dabei ist zu beachten, dass alle Wirkstoffe in der klinischen Prüfung einen INN erhalten, auch wenn sie am Ende nicht zugelassen werden. Im Januar 2022 waren beispielsweise nur 114 Immunglobuline auf dem Markt verfügbar. INN, die einmal vergeben wurden, werden jedoch nicht gelöscht und können auch nicht abgeändert werden.

Die starke Entwicklung im Bereich der spezifischen Immuntherapien mit monoklonalen Antikörpern macht es nun laut WHO notwendig, die Stammbezeichnung -mab einzustellen und stattdessen ein neues Nomenklatursystem einzuführen, das zum einen den neueren technischen Entwicklungen und der zunehmenden Diversität der Antikörper besser gerecht wird und zum anderen wieder mehr Flexibilität in der Namensgebung erlaubt.

Neue Nomenklatur

Das neue Schema besteht aus vier Stammsilben, die sich auf die Strukturvielfalt Antikörper-basierter Wirkstoffe beziehen.

Stammsilbe

Beschreibung

-tug

„unmodified immunglobulins“

Monospezifische, vollständige Immunglobuline, die unveränderte konstante Regionen (Fc) und ein identisches Set komplementaritätsbestimmender Regionen (CDR) enthalten, die das gleiche Epitop binden

-bart

„artificial immunglobulins“

Monospezfiische, vollständige Immunglobuline mit modifizierter konstanter Region (Fc), z.B. zur Stabilisierung, Veränderung der Glykosylierung oder Rezeptorbindung, Anheftung weiterer variabler Domänen

-ment

„immunglobulin fragments“

Monospezifische Fragmente, die mindestens eine antigenbindende variable Domäne eines Immunglobulins enthalten mit vollständiger, anteiliger oder ohne Fc-Region (z.B. Fab-Fragmente, scFv-Fc-Konstrukte)

-mig

„multi-specific immunglobulins“

Bi- und multispezifische Immunglobuline, die über unterschiedliche variable Domänen mit verschiedenen CDR verfügen

Die Benennung erfolgt unabhängig von Format (natürlich vs. modifiziert), Größe (vollständig vs. Fragment) und Form (ohne vs. mit Erweiterung)

Dazu zählen nicht: Immunglobuline, die durch ein einziges Set von CDR multiple Spezifitäten besitzen (z.B. Bimekizumab gegen IL-17A, IL-17F und IL-17AF)

Infixe

Seit Einführung der Stammbezeichnung -mab wurden außerdem verschiedene Infixe zur Nomenklatur der Antikörper hinzugefügt, die beispielsweise auf die Herkunftsspezies (-o- für Maus, -xi- für chimär, -zu- für humanisiert, -u- für human) oder pharmazeutische Angriffspunkte (-n(e)- für neuronal, -tox(a)- für Toxin) hinweisen.

Die Infixe für die Untergruppen nach pharmakologischen Angriffspunkten wurden zu großen Teilen in das neue Schema übernommen. Neu ist, dass das Infix -li- für „immunmodulatorisch“ in zwei Subgruppen geteilt wird. So steht -sto- für „immunstimulatorisch“ und -pru- für „immunsuppressiv“. Außerdem wurden die neuen Infixe -ki- für Zytokine und Zytokin-Rezeptoren und -ler für Allergene eingeführt.

Wirkstoffe mit Antikörper-Anteil

Antikörper sind außerdem Teil verschiedener Wirkstoffkombinationen. Diese bleiben größtenteils von den Neuerungen unberührt.

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate

Die Nomenklatur der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate, die aus dem Antikörpernamen und einem zweiten Begriff für den konjugierten, zytotoxischen Wirkstoff besteht, wird beibehalten, entsprechend mit den neuen Antikörper-INN.

Antikörper in Fusionsproteinen

Fusionsproteine haben die Stammsilbe -fusp. Enthalten sie vollständige Antikörper oder Antikörperfragmente, wird das Infix -a- eingefügt.

Antikörper als Komponenten in Zelltherapeutika

Sind Antikörper in Arzneimitteln für neuartige Therapien (advanced therapy medicinal products, ATMPs) enthalten, wie beispielsweise CAR-T-Zellen, ändert sich auch hier an der eigenen INN-Nomenklatur dieser Substanzen nichts.

Wirkstoffe

In Deutschland zugelassene monoklonale Antikörper

Quelle:
  1. AkDÄ "Arzneiverordnungen", 22. Auflage 2009
  2. Balocco R, De Sousa Guimaraes Koch S, Thorpe R, Weisser K, Malan S. New INN nomenclature for monoclonal antibodies. Lancet. 2022 Jan 1;399(10319):24. DOI: 10.1016/S0140-6736(21)02732-X
  3. BfArM/PEI: K. Weisser. Abschied von „-mab“ – neue internationale Freinamen (INN) für monoklonale Antikörper. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit. Ausgabe 2. Juni 2022.
  4. Mutschler, Geisslinger, Kroemer, Menzel, Ruth "Mutschler Arzneimittelwirkungen", 10 Auflage 2013
  5. Schwabe, Paffrath, Ludwig, Klauber "Arzneiverordnungsreport 2018"
  6. Shepard HM, Phillips GL, D Thanos C, Feldmann M. Developments in therapy with monoclonal antibodies and related proteins. Clin Med (Lond). 2017 Jun;17(3):220-232. doi: 10.7861/clinmedicine.
  7. Steinhilber, Schubert, Zsilavecz, Roth "Medizinische Chemie", 2. Auflage 2010

Abbildung

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