
Hintergrund
Mehrere Studien aus den letzten Jahren lassen vermuten, dass kognitive Beeinträchtigungen und Demenz mit einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke (BBB, Blood Brain Barrier) assoziiert sind. Die BBB ist eine selektiv durchlässige Schranke zwischen Gehirn und Blutstrom und wird aus dem Endothel der Kapillaren, einer Basalmembran und von Fortsätzen der Astrozyten gebildet. Sie schützt das Nervensystem vor Neurotoxinen und Pathogenen.
Bei Menschen, die ante mortem unter Demenz litten, zeigen postmortale Untersuchungen eine Akkumulation von aus dem Blut stammenden Proteinen im Gehirnparenchym und die Degeneration der BBB. In vivo ist bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen die Konzentration von Albumin im Liquor im Vergleich zu gesunden Probanden erhöht.
Der Zusammenhang zwischen einem Zusammenbruch der BBB und der zerebralen Pathologie bei Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen ist bisher aber noch nicht vollständig erforscht und verstanden. Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte neue Ansatzpunkte für eine medikamentöse Therapie bei Demenz aufdecken.
Zielsetzung
Ein Team von Forschern um Zixuan Lin von der Johns Hopkins University School of Medicine, Baltimore, untersuchte die Durchlässigkeit der BBB für verschieden große Moleküle bei Personen mit leichten kognitiven Einschränkungen (MCI, Mild Cognitive Impairment) und gesunden Kontrollpersonen ohne kognitive Einschränkungen [1].
Methodik
Es wurden insgesamt 55 ältere Teilnehmer untersucht, von denen 33 eine MCI zeigten. Die Durchlässigkeit der BBB für Wasser als Vertreter kleiner Moleküle wurde mit einer neuen MRT-Methode, dem Water-Extraction-with-Phase-Contrast-Arterial-Spin-Tagging (WEPCAST), untersucht.
Die Durchlässigkeit für Albumin, stellvertretend für große Moleküle, untersuchten die Forscher mithilfe des Liquor/Serum-Quotienten. Weiterhin wurden die Alzheimermarker Amyloid-beta und Phospho-Tau im Liquor bestimmt und vaskuläre Risikofaktoren untersucht.
Ergebnisse
Die Durchlässigkeit der BBB für kleine Moleküle, in diesem Fall Wassermoleküle, war bei Personen mit MCI im Vergleich zu den gesunden Kontrollprobanden erhöht. Die Durchlässigkeit für große Moleküle war dagegen unverändert. Die erhöhte Wasserpermeabilität der BBB war assoziiert mit einer erhöhten Amyloid-Last und zeigte sich prädikativ für den kognitiven Status der Teilnehmer.
Weiterhin zeigte sich eine Assoziation zwischen einer erhöhten Albumin-Durchlässigkeit und vaskulären Risikofaktoren, besonders einer Hypercholesterinämie. Ein Zusammenhang dessen mit der Alzheimerpathologie konnte nicht festgestellt werden.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Durchlässigkeit der BBB für kleine Moleküle, etwa Wasser, einen größeren Einfluss auf den kognitiven Status hat als die Durchlässigkeit für große Moleküle. Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass ein Zusammenbruch der BBB in Verbindung zu Alzheimer und vaskulären Risikofaktoren steht.
Auch die BBB von gesunden Personen weist eine hohe Durchlässigkeit für Wasser auf. Daher vermuten die Autoren, dass es bei Alzheimer zu einem geringeren, dafür aber ausgedehnten Zusammenbruch der BBB kommt. Im Gegensatz dazu scheinen vaskuläre Risikofaktoren zu isolierten, aber lokal stärker ausgeprägten Lecks in der BBB zu führen. Auch die Frage, ob es durch die Amyloidablagerungen zu einer Schädigung der BBB kommt oder ob umgekehrt eine primäre Schädigung der BBB die Amyloidablagerungen begünstigt, bleibt zu klären. Eine differenziertere Klärung der genauen pathophysiologischen Vorgänge ist wünschenswert, um neue therapeutische Targets für die Alzheimertherapie zu etablieren.