Apoplex bei COVID-19 als Erstsymptom?

Fallberichte beschreiben junge COVID-19 Patienten mit Apoplex, die zum Teil ohne typische COVID-19 Symptome einhergingen. Zudem wurde über Infizierte mit weiteren schwerwiegenden neurologischen Krankheitsbildern wie einem Miller-Fisher-Syndrom berichtet.

Schlaganfall Stroke

Hintergrund:

Zu den häufigsten neurologischen Manifestationen von COVID-19 gehören Geruchs- und Geschmacksstörungen. Dennoch mehren sich die Hinweise, dass COVID-19 auch das Risiko schwerwiegende neurologische Krankheitsbilder wie einen Apoplex zu erleiden erhöht und neuroimmunologische Störungen verursachen kann.

Erhöhte Apoplexinzidenz bei COVID-19 Patienten

In Wuhan (China) und Straßburg (Frankreich) beispielsweise ist eine Häufung von Schlaganfällen bei COVID -19 Patienten beobachtet worden. In Wuhan wurde eine Apoplexinzidenz von ca. 5% beobachtet. In Wuhan waren zumeist Patienten über 55 Jahre betroffen. Auch der SARS-CoV-1 (severe acute respiratory syndrome coronavirus-1) Ausbruch in Singapur 2004 ging mit einer vermehrten Apoplexrate einher.

Im Gegensatz hierzu wurde kürzlich ein Fallbericht über Schlaganfälle bei jungen Patienten mit milderen COVID-19 Verläufen im New England Journal of Medicine veröffentlicht: In dem Bericht geht es um fünf COVID-19 Patienten (vier Männer und eine Frau) zwischen 33 und 49 Jahren, die innerhalb einer 2-wöchigen Zeitspanne auf Grund eines Apoplex stationär in der Mount-Sinai Klinik in New York (USA) behandelt wurden. Im Vergleich zu dieser Häufung von Apoplexfällen verzeichnete das Krankenhaus vor der Corona Pandemie 0,73 Schlaganfallpatienten unterhalb 50 Jahre innerhalb eines 2-wöchtigen Vergleichs-Zeitraums. Zwei der fünf Patienten zeigten zudem beim Aufnahmezeitpunkt noch keine COVID-19 Symptome und verzichteten aus Angst einer Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus zunächst auf den Notruf. Zum Teil wiesen die Patienten keine Nebendiagnosen/Risikofaktoren auf.

Die Beobachtungen aus diesem Fallbericht deuten an, dass ein Schlaganfall auch ein Erstsymptom von COVID-19 sein kann. Dass viele Schlaganfallpatienten vermutlich mit dem Notruf zögern, aus Angst sich mit COVID-19 zu infizieren, dürfte die Prognose der Patienten deutlich verschlechtern.

Die Ursache für die erhöhte Schlaganfallgefahr bei COVID-19 ist bisher unbekannt. Es wird eine Vaskulitis und Endothelitis als möglich Erklärung diskutiert. Die SARS-CoV-2 Viren docken über ACE2 (Angiotensin-Converting-Enzyme-2)-Rezeptoren an humane Zellen an. Dieser Rezeptor ist insbesondere auf Endothelzellen gehäuft exprimiert. Wahrscheinlich werden hierdurch – vor allem bei Patienten mit vorgeschädigtem Endothel - Mikrozirkulationsstörungen, Thromboembolien und Organversagen begünstigt.

„D-Dimer-Spiegel steigen bei einer Sepsis an, können aber auch auf eine Aktivierung des Gerinnungssystems hinweisen, wie sie bei anderen schweren Virusinfektionen bekannt sind. SARS-CoV-2 könnte so Schlaganfälle begünstigen“ erklärt hierzu Prof Götz Thomalla, Sprecher der Kommission Zerebrovaskuläre Erkrankungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

COVID-19 kann auch mit schwerwiegenden neuroimmunologischen Störungen einhergehen

Außer einem Apoplex können COVID-19 Patienten auch andere schwerwiegende neurologische Krankheitsbilder wie ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) sowie dessen Variante, das Miller-Fisher-Syndrom, mit Ophthalmoparese, Ataxie und Areflexie entwickeln. Das GBS entsteht häufig nach Infektionen z.B. mit dem Zytomegalievirus. Die Myelinschicht der peripheren Nerven wird bei dem GBS durch eine überschießende Autoimmunreaktion geschädigt und die Nervenfasern können keine Reize mehr übertragen. Als Folge treten Paresen auf. Diese können auch die Atemmuskulatur betreffen.

„Bei beatmeten Patienten auf der Intensivstation stellt das GBS eine wichtige Differentialdiagnose zur sog. Critical Illness-Neuropathie dar, einer peripheren Nervenschädigung, die in der Regel erst später im Krankheitsverlauf bei Patienten auf der Intensivstation auftritt,“ erklärt hierzu Prof. Dr. Helmar Lehmann von der Neurologischen Universitätsklinik Köln.

Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, führt ferner aus „Die Unterscheidung ist aber relevant, um nicht die Behandlung mit Immunglobulinen zu versäumen.“

Fazit

Im Rahmen einer COVID-19 Erkrankung scheinen gehäuft auch schwerwiegende neurologische Krankheitsbilder wie ein Apoplex oder auch das Guillain-Barré-Syndrom aufzutreten. Nicht zwangsläufig müssen die Patienten vorher typische COVID-19-Symptome gezeigt haben. Zudem sind teilweise auch junge Patienten mit milderem COVID-19-Verlauf betroffen.

Quelle:
  1. Gutiérrez-Ortiz et al (2020): Miller Fisher Syndrome and polyneuritis cranialis in COVID-19. Neurology. DOI: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000009619
  2. Oxley et al (2020): Large-Vessel Stroke as a Presenting Feature of Covid-19 in the Young. New England Journal of Medicine. DOI: 10.1056/NEJMc2009787
  3. Pressemitteilung, 16.04.2020 Deutsche Gesellschaft für Neurologie.
  4. Pressemitteilung, 23.04.2020 Deutsche Gesellschaft für Neurologie.
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