Bewegung bei Rückenschmerzen individuell anpassen

Eine individualisierte Bewegungstherapie, am besten in Kombination mit einer psychologischen/psychotherapeutischen Betreuung, scheint am besten geeignet, um chronische nicht-spezifische Rückenschmerzen zu lindern – zumindest was die Schmerzintensität betrifft.

Yoga

Hintergrund

Rückenschmerzen gehören zu den Volkskrankheiten. Kann keine Ursache auf organischer Ebene gefunden werden, so spricht man von nicht-spezifischen Rückenschmerzen – eine häufige Diagnose. Unser Rücken ist ein psychosomatisches Organ, so dass sich psychosoziale Belastungen durch Rückenschmerzen manifestieren können.

Während früher häufig Ruhe angeordnet wurde, ist heute klar, dass sich die Beibehaltung körperlicher Aktivität positiv auswirkt. Ziel in der Therapie der nicht-spezifischen Rückenschmerzen ist es, eine Chronifizierung zu vermeiden. Analgetika sollten hier nur so lange wie nötig und in möglichst niedriger Dosierung angewendet werden. Laut der Nationalen VersorgungsLeitlinie „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ sollten am ehesten nicht-steroidale Antirheumatika (NSARS) angewendet werden [1].

Kommt es dennoch zur Chronifizierung, so scheint Bewegungstherapie, kombiniert mit kognitiver Verhaltenstherapie (KVT), wirksam in der Kontrolle chronischer nicht-spezifischer Rückenschmerzen zu sein. Welche Form der Bewegungstherapie hier am besten hilft, ist bislang weniger gut untersucht. Wissenschaftler der Goethe-Universität in Frankfurt am Main wollten dies nun ändern und führten eine groß angelegte Metaanalyse durch [2].

Zielsetzung

Ein Team um Privatdozent Dr. Johannes Fleckenstein vom Institut für Sportwissenschaften der Goethe-Universität untersuchte die Wirkung von individualisiertem Bewegungstraining alleine oder in Kombination mit einer psychologischen Therapie, auf Schmerzintensität und Alltagsfunktion bei Patienten mit chronischen nicht-spezifischen Rückenschmerzen.

Methodik

In der systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse wurden randomisierte klinische Studien einbezogen, die ein individualisiertes und/oder personalisiertes Bewegungsprogramm mit oder ohne zusätzliche psychotherapeutische Betreuung (Interventionsgruppe) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (entweder aktive, nicht individualisierte Vergleichsgruppe oder Gruppe ohne aktive Therapie) untersucht hatten.

Die nicht-spezifischen Rückenschmerzen der Teilnehmer bestanden seit mindestens drei Monaten oder es traten pro Jahr mindestens zwei Rückenschmerzepisoden auf.

Ergebnisse

Insgesamt gingen 58 Studien mit 10.084 Teilnehmern in die Metaanalyse mit ein. Die Teilnehmer waren im Mittel 45 Jahre alt und 56% waren weiblichen Geschlechts. Die Effekte der jeweiligen Therapie wurden kurz nach Therapiebeginn (in Woche 12) und nach einem Jahr beurteilt. Das Training dauerte im Durschnitt acht Wochen und umfasste meist zwei Trainingseinheiten pro Woche à 50 Minuten. Es wurden verschiedene Arten von Bewegungstraining angewendet, beispielsweise sensorimotorische Training, Yoga, Pilates, Aerobic und McKenzie- und Rückenschulverfahren. In 34 Studien wurde das Bewegungstraining mit psychologischen oder psychotherapeutischen Interventionen kombiniert.

In den Kontrollgruppen gab es bei zwei Dritteln der eingeschlossenen Studien ein nicht individualisiertes Bewegungstraining, in den anderen Studien erfolgt meist kein Training. Diesen Teilnehmern wurden lediglich Verhaltens- oder Bewegungsempfehlungen erteilt.

Nach 12 Wochen hatten sich die Schmerzen (gemessen mittels visueller Analogskala) in den Interventionsgruppen von 4,9 Punkten auf durchschnittlich 2,9 Punkte reduziert. Die Kontrollgruppen waren ebenfalls mit einer mittleren Schmerzintensität von 4,9 Punkten gestartet, nach 12 Wochen lagen hier die Werte im Mittel bei 3,6 Punkten. Nach 12 Monaten lagen die Werte bei 3,2 bzw. 3,6 Punkten. Am besten war die Wirkung auf die Schmerzintensität, wenn gleichzeitig eine psychologische oder psychotherapeutische Intervention erfolgte. Bei der Wirkung auf körperliche Einschränkungen waren die Ergebnisse widersprüchlich: Die individualisierte Therapie war den aktiven Kontrollgruppen überlegen, nicht aber den passiven.

Fazit

Eine individualisierte Bewegungstherapie hatte in dieser Metaanalyse einen Einfluss auf Schmerzen und funktionelle Einschränkungen bei Patienten mit chronischen nicht-spezifischen Rückenschmerzen. Die kurzfristigen Effekte waren klinisch bedeutsam. Langzeiteffekte konnten nicht eindeutig belegt werden.

Die meisten Studien wiesen ein hohes Maß an Verzerrung auf, so dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren sind. Die Autoren raten dennoch zur Anwendung des individualisierten Ansatzes, da dieser einfach anzuwenden sei. Darüber hinaus scheint es logisch, dass nicht-spezifische Rückenschmerzen mit ihrer multifaktoriellen Genese und den individuell unterschiedlichen Einflussfaktoren, auf eine individualisierte Therapie gut ansprechen.

Quelle:
  1. Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz – Kurzfassung, 2. Auflage. Version 1. 2017 [abgerufen am 07.12.2022]. DOI: 10.6101/AZQ/000377. www.kreuzschmerz.versorgungsleitlinien.de
  2. Fleckenstein et al. (2022): Individualized Exercise in Chronic Non-Specific Low Back Pain: A Systematic Review with Meta-Analysis on the Effects of Exercise Alone or in Combination with Psychological Interventions on Pain and Disability. The Journal of Pain, DOI: https://doi.org/10.1016/j.jpain.2022.07.005
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