COVID-19: Zunahme von Angst und Depressionen bei Jugendlichen

Lockdown, Homeschooling und Distanzunterricht während der ersten COVID-19-Welle haben bei Jugendlichen Spuren hinterlassen. In einer aktuellen Metaanalyse zeigt sich ein deutlicher Anstieg von Angststörungen und Depressionen in dieser Altersgruppe.

Depression Jugendliche

Hintergrund

Die Rate von klinisch signifikanten Depressionen und generalisierten Angststörungen lag vor der COVID-19-Pandemie bei Jugendlichen im unteren zweistelligen Bereich. In großen Kohorten lag die Rate von Angststörungen bei 11,6% und für Depressionen bei 12,9%. Die Corona-Pandemie war und ist nach wie vor eine große Herausforderung für die Gesellschaft.

Gerade Jugendliche sind stark auf den Kontakt mit Gleichaltrigen angewiesen. Die Peergroup stellt einen wichtigen Erfahrungsraum dar, in dem wichtige Lern-, Bildungs- und Sozialisationsprozesse stattfinden. Die im Rahmen der Pandemie ergriffenen Maßnahmen wie Lockdown, Homeschooling oder Distanzunterricht und die damit verbundene Isolation ist demnach für diese Altersgruppe besonders schwierig zu meistern.

Eine Zunahme von psychischen Leiden bei Jugendlichen war demnach zu erwarten. In bisherigen Studien zur Prävalenz von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich und weisen eine große Streuung der erhobenen Prävalenzwerte auf. Bei Depressionen reicht die Prävalenz von 2,2% bis 63,8% und bei Angststörungen von 1,8% bis 49,5%. Zur Schätzung der weltweiten Prävalenz führten kanadische Wissenschaftler nun eine Metaanalyse durch, deren Ergebnisse im Fachjournal JAMA Pediatrics veröffentlicht wurden [1].

Zielsetzung

Die Psychologin Dr. Nicole Racine und ihr Team von der University of Calgary in Kanada untersuchten in ihrer Metaanalyse die globale Prävalenz von Angststörungen und Depressionen bei Jugendlichen während der COVID-19-Pandemie [1]. Auch ein Vergleich zu den Prävalenzen vor der Pandemie sowie die Analyse von möglichen demographischen, geographischen oder methodischen Einflussfaktoren auf die Prävalenzraten wurden durchgeführt.

Methodik

Zur Suche nach geeigneten Studien bedienten sich die Forscher vier Datenbanken (PsycInfo, Embase, MEDLINE und Cochrane Central Register of Controlled Trials). Die Suche wurde auf den Zeitraum von Januar 2020 bis Februar 2021 eingegrenzt. Weiterhin fand eine Suche nicht publizierter Studien bei PsycArXiv statt. Verschiedene Suchbegriffe wie etwa psychische Erkrankungen (incl. Depressionen und Angststörungen), COVID-19 sowie Kinder und Jugendliche wurden angewendet.

Ergebnisse

Nach Analyse der Suchergebnisse gingen 29 Studien mit insgesamt 80.879 Teilnehmern in die Studie ein, welche die Einschlusskriterien erfüllten. Die gepoolte Prävalenz für Depressionen lag bei 25,2% (95% Konfidenzintervall [CI] 21,2%-29,75). Bei den Angststörungen lag die Prävalenz bei 20,5% (95% CI 17,2%-24,4%). Somit haben sich die Prävalenzen im Vergleich zum Zeitraum vor der Pandemie verdoppelt.

Längere Isolation, weibliches Geschlecht und zunehmendes Alter erhöhen Prävalenz

Die Prävalenzen für Depressionen und Angststörungen nahm mit zunehmender Dauer der Pandemie zu. Das Alter der Jugendlichen sowie das Geschlecht spielten ebenfalls eine Rolle. Die Prävalenzen waren bei Mädchen und mit zunehmendem Alter höher.

Fazit

Die Ergebnisse dieser Metaanalyse zeigen eine deutliche Zunahme der globalen Prävalenz von Depressionen und Angststörungen bei Jugendlichen während der ersten Welle der Corona-Pandemie. Das Wissen um die erhöhte Belastung der Jugendlichen und deren besondere Vulnerabilität gegenüber der Isolierung, die sich in den gestiegenen Prävalenzen von Depressionen und Angststörungen widerspiegelt, sollte genutzt werden, um Interventions- und Therapieprogramme anzustoßen, so die Autoren.

Vergleichbare Situation in Deutschland

Die Ergebnisse decken sich mit Daten, die kürzlich aus der Analyse einer deutschen Kohorte hervorgingen. In einer Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) wiesen nach dem ersten Lockdown (Mai/Juni 2020) etwa 25% der Jugendlichen deutliche Symptome einer Depressivität auf, im Vorjahreszeitraum waren weniger als die Hälfte der Jugendlichen (10%) davon betroffen [2].

„Die Auswirkungen von Schulschließungen auf die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen sind offensichtlich gravierender als bisher angenommen. Davon sind jugendliche Mädchen und Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger betroffen“, erklärt Dr. Martin Bujard vom BiB [3]. Der Autor erwähnt jedoch auch die positiven Aspekte: „Rund zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen sind trotz mancher Schwierigkeiten relativ gut durch die bisherigen pandemiebedingten Einschränkungen gekommen. Es ist zu erwarten, dass sie in dieser Phase auch Kompetenzen hinsichtlich Digitalisierung und Selbständigkeit erworben haben.“

Quelle:
  1. Racine (2021): Global Prevalence of Depressive and Anxiety Symptoms in Children and Adolescents During COVID-19: A Meta-analysis. JAMA Pediatrics, DOI: 10.1001/jamapediatrics.2021.2482
  2. Bujard et a. (2021): Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-Pandemie. BIB.BEVÖLKERUNGS.STUDIEN 2 | 2021, DOI: https://doi.org/10.12765/bro-2021-02
  3. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), Pressemeldung, 28.07.2021; abgerufen am 18.08.2021
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