Neue Erkenntnisse zum Fibromyalgie-Syndrom

Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom erhalten eine unspezifische Therapie zur Linderung der Symptome. Bisher gibt es keine zielgerichtete Therapie, da zu den Ursachen der Erkrankung noch wenig bekannt ist. Dies könnte sich ändern, neue Forschungsergebnisse lassen hoffen.

Fibromyalgiesyndrom

Vom Fibromyalgie-Syndrom (FMS) sind vor allem Frauen betroffen. Die Zusammenfassung mehrerer, für sich genommen unspezifischer, Symptome sowie der Ausschluss von Differentialdiagnosen führen schließlich zur Diagnose FMS. Betroffene leiden unter chronischen Schmerzen, besonders am Rücken und den Gliedmaßen, sowie unter psychischen Symptomen wie Fatigue, Schlafstörungen, depressiven Symptomen und gastrointestinalen Beschwerden.

Small-Fiber-Pathologie und immunologische Ursachen

Zu den Ursachen der Erkrankung ist bislang wenig bekannt. Auf einer Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses 2021 informierte eine auf dem Gebiet führende Forscherin über neue Erkenntnisse zu den Ursachen des FMS [1]. Professor Dr. med. Nurcan Üçeyler, Oberärztin in der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg und Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2021, berichtete über die Small-Fiber-Pathologie und immunologische Veränderungen bei Patienten mit FMS.

Störung der schmerzleitenden Nervenfasern im PNS

Bereits 2013 gelang einer Arbeitsgruppe um Üçeyler der Nachweis morphologischer Veränderungen bei einer Gruppe von FMS-Patienten [2]. „Wir konnten damals bei einem Teil der Betroffenen eine Störung der kleinen, schmerzleitenden Nervenfasern (small fibers) außerhalb des zentralen Nervensystems nachweisen, was wir Small fiber-Pathologie nennen“, erläutert die Würzburger Professorin. Dies war die erste morphologische Veränderung am peripheren Nervensystem, die bei FMS-Patienten gefunden wurde. Die Beobachtungen bestätigten sich bei weiteren Patientengruppen [3].

Konkret zeigte sich bei den Betroffenen eine Veränderung der Nervenfaserdichte in der Haut. Dies ist auch von Patienten mit Diabetes bekannt. Im Rahmen der Small-Fiber-Pathologie kann es neben einer verminderten Hautsensibilität auch zu Missempfindungen und einer übersteigerten Schmerzwahrnehmung kommen.

IgG-Antikörper bei FMS

In jüngster Zeit gelang es Forschern auch, immunologische Veränderungen bei FMS-Patienten nachzuweisen.

Eine Arbeitsgruppe um Andreas Goebel von der University Liverpool konnte bei einer Subgruppe von FMS-Patienten Autoantikörper der Klasse IgG nachweisen [4]. Die Forscher übertrugen die Antikörper auf Mäuse, woraufhin die Tiere eine gesteigerte Empfindlichkeit auf kalte und mechanische Reize zeigten. Diese waren möglicherweise mit einer reduzierten Innervierung in der Peripherie assoziiert. Unklar blieb jedoch, wogegen die Antikörper gerichtet sind. Üçeyler sieht diese Ergebnisse als „hochspannend“, da sowohl ihre als auch andere Arbeitsgruppen Veränderungen im Zytokinprofil von FMS-Patienten feststellen konnten.

Wenige, aber hyperaktive Killerzellen

Zuletzt erwähnte Üçeyler eine aktuelle Studie, in der Wissenschaftler einen Mangel an natürlichen Killerzellen bei FMS-Patienten feststellten [5]. Die verbliebenen Killerzellen zeigten eine verstärkte Aktivität. Somit scheint die chronische Aktivierung und Umverteilung der zirkulierenden natürlichen Killerzellen zu den peripheren Nerven zur Immunpathologie der Erkrankung beizutragen, so die Autoren um Vivek Verma.

Grundlagenforschung und zielgerichtete Therapien

Auch wenn die bisherigen Ergebnisse noch keine zielgerichteten Therapien erlauben, so sind sie doch ein erster Schritt in diese Richtung, weil sie erstmals Hinweise auf eine mögliche Ätiologie der Erkrankung geben.

Bis es zielgerichtete Therapien geben wird, empfiehlt Üçeyler sich weiterhin an dem Expertenkonsens der S3-Leitlinie zum Fibromyalgie-Syndrom zu orientieren.

Quelle:
  1. Deutscher Schmerzkongress 2021, Pressemeldung „Suche nach Ursachen und neuen Behandlungen: Fibromyalgie im Fokus der Forschung“ und Statement „Ein Leben mit Schmerzen im ganzen Körper: Behandlungsmöglichkeiten bei Fibromyalgie und zu welchen Ergebnissen neueste Studien kommen“
  2. Üçeyler et al. (2013): Small fibre pathology in patients with fibromyalgia syndrome. Brain, DOI: https://doi.org/10.1093/brain/awt053
  3. Evdokimov et al. (2019): Reduction of skin innervation is associated with a severe fibromyalgia phenotype. Annals of Neurology, DOI: https://doi.org/10.1002/ana.25565
  4. Goebel et al. (2021): Passive transfer of fibromyalgia symptoms from patients to mice. The Journal of Clinical Investigation, DOI: 10.1172/JCI144201
  5. Verma et al. (2021): Unbiased immune profiling reveals a natural killer cell-peripheral nerve axis in fibromyalgia. Pain, DOI: 10.1097/j.pain.0000000000002498
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