
Das Gehirn als Schaltzentrale unseres Körpers ist durch die Blut-Hirn-Schranke (Blood Brain Barrier, BBB) gut geschützt. Diese verwehrt allerdings nicht nur schädliche Substanzen den Zugang, sondern auch Medikamenten, die so bei neurologischen Erkrankungen nicht oder nur begrenzt an ihren Wirkort gelangen können.
Nose2Brain – auf direktem Weg ins Gehirn
Damit Wirkstoffe direkt ins Zentralnervensystem gelangen können, haben Forscher eines internationalen Konsortiums unter Koordination des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in den letzten Jahren ein System entwickelt, das die BBB umgeht [1]. Das Projekt „N2B-patch“ wird von der EU gefördert und endet nun nach 4,5 Jahren Laufzeit erfolgreich. Partner über die gesamte Dauer des Projektes war die Europäische Multiple Sklerose Plattform EMSP.
Neue Applikationsform bei MS und weiteren neurologischen Erkrankungen
Die Forscher wollten zu Projektbeginn eine effiziente Möglichkeit entwickeln, um Biopharmazeutika zur Therapie der Multiplen Sklerose (MS) direkt durch die BBB ins Gehirn zu bringen. Das nasale Verabreichungssystem hat sich als umsetzbar erwiesen. Das Verabreichungssystem lässt Biopharmazeutika direkt über die Riechschleimhaut, die Regio olfactoria, ins Gehirn gelangen. In der Regio olfactoria sind Nasenhöhle und Gehirn lediglich durch das Siebbein sowie einige Zellschichten voneinander getrennt.
Neuartiges Verabreichungssystem mit verschiedenen Komponenten
Das System besteht aus verschiedenen Komponenten. Neben dem Wirkstoff selbst, sind eine den Wirkstoff enthaltende Formulierung, ein Hydrogel als Trägermaterial und ein passender Applikator zum Einbringen des Gelpflasters (Patch) enthalten.
Der Applikator stellt eine Kombination aus eine handelsüblichen Endoskop und einem speziellen Mischsystem dar. Dies ist notwendig, da ein bereits verfestigtes Gel aufgrund der Zugänglichkeit der Regio olfactoria nicht platziert werden könnte. Deshalb müssen die flüssigen Grundstoffe des Gels separat zum olfaktorischen Epithel gelangen und sich erst am Bestimmungsort verbinden, damit das Patch zuverlässig haften bleibt. Die Applikation des Gel-Patches soll von einem Arzt durchgeführt werden. Die kontinuierliche Wirkstofffreisetzung kann über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen erfolgen. Da die Komponenten biologisch abbaubar sind, ist eine Entfernung des Patches nicht nötig. Wiederholte Behandlungen und eine Langzeittherapie sind möglich.
Gute Verträglichkeit
„Das in Zusammenarbeit mit der Beiter GmbH & Co. KG entwickelte und mittels in-vivo-Modellen getestete System ist in der Anwendung so schonend, dass das Riechen in keinster Weise beeinträchtigt wird und auch keine Krankheitskeime in die Nase gelangen können. Zudem wurden generell keine Auswirkungen auf das nasale Mikrobiom beobachtet. Präklinische und Mikrobiom-Studien haben dies gezeigt“, berichtet Dr. Carmen Gruber-Traub, Projektleiterin von N2B-patch am IGB.
Therapie für verschiedene Erkrankungen des ZNS
Neben dem Einsatz bei Patienten mit MS, kann das System auch für andere Erkrankungen des ZNS eingesetzt werden. Mögliche Indikationen sehen die Forscher in der Therapie von Schlaganfällen, Alzheimer oder bei Neoplasien des Nervensystems.
Zulassung in Planung
Das neuartige Verabreichungssystem soll aufgrund der Erfolge in präklinischen Studien in Kürze zum Patent angemeldet werden. „An der Vermarktung wird jetzt schon gearbeitet, an der Produktion nach GMP-Richtlinien sowieso, und selbstverständlich werden die Patentanmeldungen vorangetrieben“, so Gruber-Traub weiter. Darüber hinaus wird die Forschungsarbeit auch über die Projektdauer hinaus fortgeführt.
Weitere Informationen und Publikationen zu dem Projekt und dem neuartigen Verabreichungssystem sind auf der Webseite von N2B-patch verfügbar.