
Hintergrund
Lange Zeit wurde Menschen mit Multipler Sklerose (MS) von Sport abgeraten. Hintergrund dafür ist das Uhthoff-Phänomen, auch als Pseudoschub bezeichnet. Dabei kommt es bei MS-Patienten zu einer passageren Verschlechterung der Symptomatik bei einer erhöhten Körpertemperatur, die auch bei körperlicher Anstrengung auftreten kann. Grund dafür ist vermutlich, dass es temperaturabhängig zu einer schlechteren axonalen Weiterleitung der demyelinisierten Neurone kommt.
Heute ist bekannt, dass sich die Symptome des Uhthoff-Phänomens nach spätestens 2 Stunden wieder zurückbilden und dass körperliche Aktivität einen positiven Effekt bei Personen mit MS hat, sowohl auf physischer als auch auf psychischer Ebene.
Zielsetzung
In einer Interventionsstudie untersuchten Forscher von den Universitäten in Basel und mehreren Standorten im Iran den Einfluss von körperlicher Aktivität auf Depressionen, den Schlaf, Parästhesien und Persönlichkeitszüge (persönliches Empfinden in Situationen mit erlebter Unsicherheit) bei Patienten mit MS [1]. Weiterhin wurde überprüft, ob Ausdauertraining oder Koordinationstraining gegenüber einer aktiven Kontrolle überlegen sind.
Methodik
Studienteilnehmer
Insgesamt nahmen 92 Frauen mit MS an der Interventionsstudie teil. Die Teilnehmerinnen waren im Durchschnitt 37,36 Jahre alt und wiesen im Mittel einen Wert von 2,43 auf der EDSS (Expanded Disability Status Scale) auf. Diese Skala erfasst systematisch den Schweregrad der Behinderung bei MS und reicht von 0 bis 7,0, wobei der Grad der Behinderung mit der Höhe des Wertes zunimmt. Werte bis 3,5 entsprechen einer vollen Gehfähigkeit. Ein Wert von 7,0 bedeutet, dass der Patient weitgehend immobil und auf einen Rollstuhl angewiesen ist.
Randomisierung in drei Gruppen
Die Studienteilnehmerinnen wurden in drei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe führte ein Ausdauertraining durch (Laufband, Fahrradergometer, Jogging oder Walking), eine weitere Gruppe ein Koordinationstraining mit Fokus auf Balance oder Rhythmus. Die dritte Gruppe stellte die aktive Kontrolle dar. Die Teilnehmer dieser Gruppe trafen sich in der gleichen Frequenz und Dauer (dreimal wöchentlich für je 45 Minuten) wie die Teilnehmer der beiden anderen Gruppen, aber es fand kein körperliches Training statt.
Erfassung der Ergebnisse
Zu Studienbeginn, nach 4 und nach 8 Wochen – zum Studienende – füllten die Teilnehmerinnen Fragebögen aus, welche die Parameter Schlaf, Depression, Fatigue, Parästhesien und Umgang mit Situationen erlebter Unsicherheit abfragten.
Ergebnisse
Schlafprobleme und depressive Symptome nahmen im Studienverlauf ab, allerdings in einem stärkeren Ausmaß bei den Teilnehmerinnen der Ausdauer- und Koordinationsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. Bei den Parametern Fatigue, Parästhesien und dem Umgang mit Situationen erlebter Unsicherheit konnten keine Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt werden.
Fazit
In dieser Interventionsstudie zeigten sich positive Effekte durch die körperliche Aktivität in Form von Ausdauer- oder Koordinationstraining auf den Schlaf und auf depressive Symptome bei MS-Patienten. Aber auch in der aktiven Kontrollgruppe konnte ein positiver Einfluss festgestellt werden. Keinen Effekt hatten die Interventionen auf die Parameter Fatigue, Parästhesien und den Umgang mit Situationen erlebter Unsicherheit.
Limitationen der Studie
Die Anzahl der Studienteilnehmenden war gering und es waren ausschließlich Frauen vertreten. Weiterhin wurden die Effekte der verschiedenen Interventionen von den Teilnehmerinnen subjektiv bewertet.