
Autoimmunencephalitis in Kürze
Bei den Autoimmunenzephalitiden werden eine Reihe antineuraler AK (Antikörper) als Auto-AK (Auto-Antikörper) durch das eigene Immunsystem gebildet. Diese Auto-AK sind gegen bestimmte Antigene auf neuronalen Strukturen wie z. B. Synapsen gerichtet. Sie stören so die Signalübertragung und führen letztlich zu einer massiven Entzündung im zentralen Nervensystem. Als Triggerfaktoren werden u. a. Tumorerkrankungen oder Infektionen diskutiert.
Keine spezifischen Symptome
Die Klinik der Betroffenen ist sehr vielfältig. Ein für die Erkrankung spezifisches Symptom gibt es nicht. Es können psychiatrische Anzeichen wie Halluzinationen, Psychosen und schwerwiegende Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma auftreten. Aber auch diverse neurologische Ausfälle spielen meistens eine große Rolle. Bei letzterem dominieren Bewegungsstörungen, Hirnnervenausfälle, Krampfanfälle, Sprach- und Gedächtnisprobleme die Klinik einer Autoimmunencephalitis.
Begrenzte und erschwerte Therapieoptionen
Die Therapiemöglichkeiten sind in ihrer Wirksamkeit bislang sehr begrenzt und 25% der Patienten therapierefraktär. Einerseits sind die bisherigen Methoden zur Behandlung mitunter aufwendig und können schwerwiegende Komplikationen verursachen, wie etwa bei der Plasmapherese oder Zelldepletion. Andererseits richten sich die meisten Ansätze gegen die Autoantikörper oder die Plasmazellen selbst, die diese produzieren. Beide erfreuen sich einer längeren Halbwertszeit im ZNS (Zentrales Nervensystem), sodass sämtliche Immuntherapien meistens eine verspätete Wirkung zeigen. Einen weiteren Knackpunkt stellt die Blut-Hirn-Schranke dar. Die Auto-AK wirken intrathekal und sind dadurch für die bisherigen Therapiemöglichkeiten nur schwer zugänglich.
Ein vielversprechender Lockvogel
Die häufigste Form der Autoimmunenzephalitis wird durch Auto-AK gegen den NMDA-Rezeptor (N-methyl-D-Aspartat-Rezeptor) ausgelöst. Eine Forschungsgruppe aus Braunschweig, Jena, Leipzig und Berlin entwickelte eine neue potenzielle Therapieoption mittels eines AK-Konstrukts, der als Lockvogel für den anti-NMDA-Auto-AK dienen soll. Dieser Lockvogel besteht aus Untereinheiten des NMDA-Rezeptors selbst, wodurch eine hohe Spezifität erreicht werden soll. Gekoppelt wird dies mit einem Fc-Teil eines IgGs (Immunglobulin).
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die Auto-AK mit einer hohen Affinität durch den Lockvogel geködert werden. So können sie nicht mehr an den eigentlichen NMDA-Rezeptor binden. Die Funktion des NMDA-Rezeptors wird nicht gestört und die Signalübertragung kann weiterlaufen, so die Autoren. Tierversuche mittels intrahippocampaler Injektion des AK-Konstrukts zeigen sogar, dass Gedächtnisstörungen verhindert werden.
Zusätzliche Therapieaussichten?
Grundsätzlich könnte dieses AK-Konstrukt die bisherigen Immuntherapien ergänzen. Im Besonderen wird in dieser Arbeit auch die Möglichkeit einer intrathekalen Injektion diskutiert, sodass die Therapie direkt am Ort des Geschehens wirken kann.
Die Autoren sehen einen weiteren Gewinn der Versuche: Analog zum Lockvogel für die Autoimmunenzephalitis durch anti-NMDA-Rezeptor-AK könnten auch weitere AK-Konstrukte für die anderen eher selteneren Autoimmunenzephalitiden hergestellt werden.
Vielversprechender diagnostischer Zusatznutzen?
Die hier hergestellten AK-Konstrukte könnten mittels des bereits gut etablierten ELISA (Enzyme-linked immunosorbent assay)-Verfahren auch für die Diagnosestellung einer Autoimmunenzephalitis verwendet werden. Die Methode mittels ELISA ist nicht nur simpel in der Durchführung, sondern liefert auch schnellere Ergebnisse als die bislang verwendeten diagnostischen Mittel wie z. B. zellbasierte Immunassays.
Für den Einsatz des in diesem Experiment beschriebenen vielversprechenden Lockvogels als Therapeutikum und/oder auch Diagnostikum, bedarf es jedoch noch weiterer Forschung und Studien.