
Etwa 12,5% aller Schlaganfallpatienten, die in ein Krankenhaus eingeliefert werden, erhalten eine künstliche Beatmung. 16,3% der Patienten benötigen eine Tracheotomie. Die Entfernung der Trachealkanüle ist ein wichtiger Schritt in der Rehabilitation dieser Patienten. Der Hauptgrund, warum sich die Entfernung der Trachealkanüle verzögert oder nicht gelingt, sind Dysphagien. Um das Schlucknetzwerk zu reaktivieren, steht seit einigen Jahren mit der pharyngealen elektrischen Stimulation (PES) eine innovative Neurostimulationstherapie zur Verfügung.
Studie bestätigt PES
Ergebnisse der aktuellen multizentrischen Interventionsstudie PHAST TRAC [1], an der Wissenschaftler des Universitätsklinikums Münster (UKM) beteiligt waren, bestätigen die PES. In der Studie konnte gezeigt werden, dass sich die schlaganfallbedingte Dysphagie schneller zurückbildet, wenn die Patienten eine PES erhalten.
„Die PES stellt damit für diese schwerstkranken Patienten eine echte Therapieoption dar“, berichtet Studienleiter Professor Dr. Rainer Dziewas, Leiter der Sektion Schlaganfall-Therapie an der Klinik für Neurologie des UKM [2].
Methodik
Die 69 Studienteilnehmer, welche kürzlich einen Schlaganfall erlitten und eine Tracheotomie benötigt hatten, wurden in zwei Gruppen randomisiert. Eine Gruppe erhielt über den Zeitraum von drei Tagen eine PES, die andere Gruppe eine Scheinbehandlung.
Durchführung der PES
Eine dünne, mit Ringelektroden bestückte Sonde, wird über die Nase in den Ösophagus eingeführt. Durch die Elektroden kann die Rachenhinterwand elektrisch stimuliert werden. Die Stimulation wird an drei aufeinanderfolgenden Tagen für je zehn Minuten durchgeführt. Die Stimulationstherapie aktiviert die sensiblen Leitungsbahnen, die an der Steuerung des Schluckaktes beteiligt sind. Dadurch wird das Schlucknetzwerk moduliert und die neuronale Reorganisation angeregt.
Studienergebnisse
Die schlaganfallbedingte Dysphagie bildete sich bei den Patienten, die eine PES erhielten, deutlich schneller zurück. Die Trachealkanüle konnte in der PES-Gruppe unmittelbar nach der Stimulationstherapie entfernt werden. Der Unterschied zur Kontrollgruppe war statistisch signifikant (49% in der PES-Gruppe vs. 9% in der Kontrollgruppe, p = 0,0008).
In der PES-Gruppe war auch die Dauer des Krankenhausaufenthaltes kürzer als in der Kontrollgruppe. Patienten, welche die Stimulationstherapie erhalten hatten, wurden im Durchschnitt 22 Tage früher entlassen.
Nebenwirkungen
„Neben diesen eindeutigen Effekten war insbesondere auch erfreulich, dass die Stimulationstherapie in PHAST-TRAC keine schwerwiegenden Nebenwirkungen mit sich brachte“, berichtet Dziewas.
Nebenwirkungen wurden bei 24 Patienten (69%) aus der PES-Gruppe und bei 24 Patienten (71%) in der Kontrollgruppe registriert. Die Anzahl der Patienten mit mindestens einer schwerwiegenden Nebenwirkung unterschied sich zwischen beiden Gruppen nicht (29% in der PES-Gruppe vs. 23% in der Kontrollgruppe, p = 0,7851).
Fazit
Die Studie zeigt, dass bei Schlaganfallpatienten mit einer Tracheotomie durch die PES der Zeitpunkt bis zur Kanülenentfernung verkürzt bzw. diese erste ermöglicht werden kann.
„Die PES ist für tracheotomierte Schlaganfallpatienten nicht nur ein Riesengewinn, weil die Trachealkanüle schneller entfernt werden kann und der Krankenhausaufenthalt sich signifikant verkürzt, sondern auch, weil so das Risiko von Folgekomplikationen reduziert wird“, sagt Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und ehemaliger Chefarzt der Klinik für Neurologie am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen.
Die Studie wurde vom Hersteller Phagenesis Ltd. finanziert.