
Hintergrund
Das Karpaltunnelsyndrom ist das häufigste Engpasssyndrom eines peripheren Nervs. Durch eine abnorme Enge im Karpaltunnel kommt es zur Kompression des Endastes des N. medianus. Anamnestisch wird häufig über Tätigkeiten mit einer chronischen oder häufig wiederholten Extension der Hand berichtet, etwa beim Bügeln oder bei Tischlerarbeiten.
Hilft die konservative Therapie mit einer nächtlichen Schienung des Handgelenks, oraler Gabe von Prednisolon oder die lokale Injektion von Methylprednisolon nicht, so erfolgt eine chirurgische Versorgung. Eine OP ist nicht nur beim Versagen der konservativen Therapie indiziert, sondern auch bei funktionell behindernden sensomotorischen Ausfällen, Rezidiven und Verläufen mit rascher Progredienz.
Die operative Dekompression wird häufig durchgeführt, aber Zahlen zum Outcome aus größeren Kohorten existieren bisher nicht.
Zielsetzung
Ein Team um Jennifer Lane von der University of Oxford untersuchte das Risiko schwerwiegender Komplikationen sowie das Risiko einer Re-OP nach operativer Dekompression bei Patienten mit Karpaltunnelsyndrom [1]. Weiterhin sollten Risikofaktoren identifiziert werden, die mit einem schlechteren Outcome assoziiert sind.
Methodik
In dieser Kohortenstudie wurden Daten des National Health Service (NHS) analysiert. Dabei wurden alle operativen Dekompressionen, die zwischen 1998 und 2017 aufgrund eines Karpaltunnelsyndroms durchgeführt wurden, berücksichtigt. Patienten ab 18 Jahren gingen in die Studie ein.
Die Nachbeobachtung erfolgte bis Studienende bzw. bis zum Tod der Patienten. Primärer Studienendpunkt war die Gesamt-Inzidenz von erneuten Operationen und schwerwiegenden postoperativen Komplikationen. Letztere wurden definiert als Wundinfektionen oder Nahtdehiszenz, neurovaskuläre Schäden oder Sehnenschäden, die zu einem stationären Aufenthalt oder einer erneuten Operation im Zeitraum von 30 Tagen und 90 Tagen nach der ersten OP führten.
Ergebnisse
Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 855.832 operative Dekompressionen aufgrund eines Karpaltunnelsyndroms durchgeführt. Der genaue Anteil der offenen Retinakulumspaltung, die in England häufig durchgeführt wird, wird in der Studie nicht angegeben.
Bei 3,42% (29.288 Eingriffe) war eine Re-Operation nötig (Inzidenz-Rate von 3,18 pro 1000 Personenjahre; 95% Konfidenzintervall [CI] 3,12-3,23). Bei 0,070% (620 Eingriffen) kam es innerhalb von 30 Tagen nach der ersten Operation zu schwerwiegenden Komplikationen, bei 0,082% (698 Eingriffen) innerhalb von 90 Tagen nach der Operation. Am häufigsten traten Nahtdehiszenzen und Sehnenverletzungen auf.
Männer scheinen höheres Komplikationsrisiko zu haben
Lokale Komplikationen innerhalb von 90 Tagen nach der Operation waren assoziiert mit
- Männlichem Geschlecht (adjustiertes Risiko 2,32; 95% CI 1,74-3,09)
- Alter zwischen 18 und 29 Jahren (adjustiertes Risiko 2,25; 95% CI 1,10-4,62).
Das Risiko für eine erneute Operation war ebenfalls mit männlichem Geschlecht assoziiert, aber auch mit einem höheren Alter der Patienten, einer höheren Komorbidität sowie einem schwächeren sozialen Status.
Fazit
Laut den Autoren ist dies die bisher größte nationale Studie zur operativen Dekompression bei Karpaltunnelsyndrom. Die Studiendaten zeigen die operative Dekompression als ein sicheres Verfahren mit einer Rate von unter 0,1% für schwerwiegende Komplikationen.
Das Karpaltunnelsyndrom tritt bei Frauen häufiger auf, was sich auch in der Kohorte dieser Studie bestätigt hat. Von den über 850.000 Teilnehmern waren mehr als zwei Drittel Frauen. Daher geben die Autoren zu bedenken, dass die erhöhte Inzidenz für schwere Komplikationen bei Männern eventuell nicht klinisch relevant ist. Ein Grund für die mögliche höhere Komplikationsrate bei Männern könnte, laut Autoren, eine technisch anspruchsvollere Operation sein. Männerhände sind in der Regel größer und das zusätzliche Subkutangewebe könnte den technischen Anspruch erhöhen. Da in der Studie ausschließlich schwere Komplikationen erfasst wurden, nicht jedoch solche, die auch ambulant therapiert werden konnten, wird die Rate an Infektionen möglicherweise unterschätzt.