
Hintergrund
Nach einem Schlaganfall stehen die Erholung neurologischer Funktionen und die Sekundärprävention des Apoplex im Vordergrund der Diagnostik und Therapie. Begleiterkrankungen, wie beispielsweise Kopfschmerzen, erhalten meist wenig Beachtung und werden häufig auch untertherapiert. Dabei können Kopfschmerzen im Zusammenhang mit dem Schlaganfall chronifizieren. Die chronischen Schmerzen können die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen, ihre soziale Teilhabe und Arbeitsfähigkeit stark einschränken.
Kopfschmerzen und zerebrovaskuläre Erkrankungen
Kopfschmerzen sind ein häufiges Symptom vieler zerebrovaskulärer Prozesse und Erkrankungen, wie z. B. zerebralem Sinus- und Venenthrombose, dem reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndrom oder einer zerebralen Vaskulitis. Zusammenhänge zwischen Schlaganfall und Kopfschmerzen wurden in vielen Studien beschrieben. Gut belegt ist beispielsweise ein zweifach erhöhtes Schlaganfallrisiko bei einer Erkrankung an Migräne mit Aura. Es wurde auch beobachtet, dass Kopfschmerzen, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem akuten Schlaganfall auftraten, Prädiktoren für chronische Kopfschmerzen sechs Monate danach sein können.
Systematische Studien fehlen
Obwohl Kopfschmerzen allgemein zu den typischen Schmerzsyndromen nach einem Schlaganfall gezählt werden, fehlen bislang systematische Untersuchungen zur Epidemiologie, dem Vorhersagewert und der Behandlung. Wissenschaftler des Neurovascular Research Laboratory des Massachusetts General Hospital, Charlestown haben die aktuelle Studienlage zur Epidemiologie in einem systematischen Review mit anschließender Meta-Analyse ausgewählter Publikationen zusammengefasst [1].
Zielsetzung
Im Fokus des Reviews und der Meta-Analyse standen die Prävalenz und die Charakteristika von Kopfschmerzen, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit einem Schlaganfall neu aufgetreten waren.
Methoden
Nach einer Stichwortsuche (stroke/headache) in Medline und PubMed wurden prospektive und retrospektive Original-Studien nach dem Review der Abstracts aus 1812 Treffern zum systemischen Review ausgewählt. Die Kopfschmerzen mussten im vergleichsweise engen zeitlichen Zusammenhang mit dem akuten Schlaganfall aufgetreten sein. Ausgeschlossen wurden Fallberichte, Reviews, Artikel ohne Abstract und Artikel, die spezifische Erkrankungen behandelten sowie alle Primärerkrankungen an Kopfschmerzen.
Ausschlusskriterien Meta-Analyse
In der Meta-Analyse zur Ermittlung der Prävalenz wurden nur Studien mit Patienten >18 Jahren und vollständigem Datensatz ausgewertet, bei denen ischämischer und hämorrhagischer Schlaganfall sauber unterschieden wurden. Ausgeschlossen wurden Studien mit dupliziertem Datensatz, Fälle im Kindesalter und spezifische Schlaganfallsubtypen oder-lokalisationen.
Berücksichtigung der Heterogenität der Studien
Aufgrund der großen Heterogenität der Studien wurde zur Ermittlung der gepoolten Prävalenz ein Heterogenitätsmodell mit inverser Varianz eingesetzt. Da die Beschreibung der Kopfschmerzen auch vom kulturellen Hintergrund und der Bildung des Patienten abhängt, wurden die internationalen Daten mithilfe des United Nations national human development index (HDI) bewertet. Die Beurteilung der Qualität der Studien wurde mithilfe der STROBE (Strengthening the Reporting of Observational Studies in Epidemiology) Checkliste für Beobachtungsstudien vorgenommen.
Ergebnisse
Von 50 im systematischen Review zusammengefassten Artikeln gingen die Daten von 20 Studien in die Meta-Analyse ein. Die Studien waren in Europa, Nordamerika, Asien und im Mittleren Osten durchgeführt worden und umfassten 80-11.523 Teilnehmer. Frauen stellten je nach Studie einen Anteil von 32-54%, das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug zwischen 44,7-76,4 Jahren. Die Prävalenz von Kopfschmerzen in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Schlaganfall lag zwischen 0,06-0,44. Die gepoolte Prävalenzrate betrug 0,14 (95% Konfidenzintervall [CI] 0,07–0,23).
Unterschiede nach Nation, Lokalisation und Geschlecht
Bei der Auswertung der Studien aus Europa wurde die höchste Kopfschmerz-Prävalenz mit 0,22 (95% CI 0,14–0,30) festgestellt, gefolgt von nordamerikanischen Studien mit 0,15 (95% CI 0,05–0,26). In Studien aus Asien und dem Mittleren Osten lag die Prävalenz hingegen nur bei 0,08 (95% CI 0,01–0,18). Bei Schlaganfällen im hinteren Stromgebiet kam es häufiger zu Kopfschmerzen als in anderen Lokalisationen. Frauen waren häufiger von Post-Schlaganfall-Kopfschmerzen betroffen als Männer.
Charakteristika der Kopfschmerzen
Im systematischen Review wurden die in den Studien beschriebenen Charakteristika der Kopfschmerzen zusammengefasst. Eingeschlossen wurden alle Kopfschmerzen, die gemeinsam mit dem Schlaganfall bzw. je nach Studie innerhalb von 3 bis zu 14 Tagen nach dem Schlaganfall einsetzten. In den meisten Studien wurden Spannungskopfschmerzen (50-80%) beobachtet, die häufig als schwer und therapieresistent beschrieben wurden. Den Kopfschmerz begleitende Migräne-Symptome mit Lärmempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen traten vergleichsweise selten auf.
Fazit
Die Datenlage weist darauf hin, dass Kopfschmerzen häufige Begleiterkrankungen bei akuten Schlaganfällen und der Phase nach dem zerebralen Insult sind. Sie können zur Post-Stroke-Morbidität des Patienten beitragen. Um Leitlinien zur Behandlung der Post-Schlaganfall-Kopfschmerzen und zum Patienten-Management zu etablieren sind, weitere Studien nötig.