
Eine schnelles Erkennung von Symptomen durch Patienten und Angehörige, ein rascher Transport zur Stroke-Unit und eine kurze Zeit bis zur Diagnostik und Therapie sind entscheidend für den Erfolg bei einem ischämischen Schlaganfall, weil Lyse und – bei Großgefäßerkrankung – Thrombektomie nur in einem kurzen Zeitfenster nach Auftreten der Symptome helfen können.
Scores für den Rettungsdienst
Ein Ansatz zur beschleunigten Versorgung ist die Triage durch den Rettungsdienst, der anhand von klinischen Scores möglichst gut unterscheiden können sollte, ob ein Großgefäßverschluss (englisch large vessel occlusion, LVO) vorliegt oder nicht, berichtete Professor Dr. Waltraud Pfeilschifter, Chefärztin der Klinik für Neurologie des Klinikums Lüneburg [1]. Bei LVO könnten die Patienten dann direkt ins Thrombektomiezentrum gebracht werden, andernfalls in die nächste Stroke Unit. In zwei holländischen Studien schnitt der technisch unterstützt eingesetzte Score RACE (Abkürzung für engl. rapid arterial occlusion evaluation) am besten ab, der auch kortikale Zeichen mit erhebt, berichtete Pfeilschifter [2, 3]. Auch der LAMS (Los Angeles Motorscale) zeigte eine gute Treffsicherheit [3].
Test im Saarland
Eine prospektive saarlandweite Studie belegte, dass mit dem LAMS eine ähnlich gute Einordnung der Schlaganfälle durch den Rettungsdienst gelingt wie in der Notaufnahme [4]. Die Bedingungen waren dort für ein Score-gestütztes Konzept der prähospitalen Triage durch den Rettungsdienst gut: Im Saarland gibt es nur eine Rettungsleitstelle, zwei Thrombektomiezentren und 8 Stroke-Units. Der Rettungsdienst setzte das Konzept laut Pfeilschifter gut um: 94,7% der Patienten wurden nach LAMS kategorisiert, 83,8% danach triagiert. Die Sensitivität dieser Triage betrug 69,2%, die Spezifität 84,9%. Sekundärtransporte von einer Stroke Unit zu einem Thrombektomiezentrum wurden nur bei 17,4% der Patienten registriert.
Modell Hessen: Schneller Weitertransport
Im Flächenland Hessen wurde ein anderes Konzept untersucht: Sekundärtransporte erhielten die höchste Dringlichkeitsstufe, um die Zeit bis zur Thrombektomie bei LVO beschleunigen zu können. Es wurden einheitliche Kriterien für die Indikationsstellung umgesetzt und landesweit erfolgte eine Anzeige freier Kapazitäten für die endovaskuläre Therapie (EVT). Von 2021 bis 2019 stieg die Zahl der thrombektomierten Patienten an, wobei auch die Patienten mit Sekundärtransport zunahmen (2019: 31%) [5]. Der Unterschied der Zeit von Symptombeginn bis zur Behandlung zwischen Patienten, die direkt ein Thrombektomiezentrum erreichten und denen mit Sekundärtransport verringerte sich und lag 2019 bei 74 Minuten. Das ist allerdings immer noch beträchtlich, betonte Pfeilschifter.
Präklinische Triage erhöht Thrombektomierate
In Chicago ergab die prospektive Evaluation, dass ein präklinisches Triagesystem die EVT-Rate signifikant erhöht [6]. Die EVT-Rate lag bei Patienten, die in einem Zeitfenster von unter sechs Stunden nach Symptombeginn im Schlaganfallzentrum ankamen, vor Einführung des Systems bei 4,8%, danach bei 13,6% (p<0,001). Dieser Effekt war spezifisch und anhaltend, betonte Pfeilschifter.
In Katalonien wurden in einer noch nicht publizierten randomisierten Studie Patienten mit einem RACE Score ≥ 4 direkt ins Thrombektomiezentrum oder ins nächstgelegene Zentrum gebracht. Zwei Drittel der Patienten hatten letztlich einen LVO. Die häufigste Differenzialdiagnose war bei 22% eine intrazerebrale Blutung. Patienten, die zunächst zur regionalen Stroke-Unit gebracht wurden, erhielten signifikant häufiger eine Thrombolyse, diejenigen, die direkt zum Thrombektomiezentrum gebracht wurden, erhielten signifikant häufiger und früher eine endovaskuläre Therapie. Es zeigte sich aber kein Unterschied im mRS nach 90 Tagen. Möglicherweise ist das ein Effekt der teilweise langen Transportwege, durch die Behandlungsergebnis schlechter wurde, meinte Pfeilschifter. Die optimale Versorgungsstrategie hängt eben auch vom Einzugsgebiet und der Dichte von Stroke Units ab.
Direkt in die Angio?
Im Thrombektomiezentrum könnte die direkte Angiographie ohne vorangegangene Computertomographie (CT) weitere kostbare Zeit sparen. Eine randomisiert-kontrollierte Studie hierzu wurde wegen Überlegenheit dieses Vorgehens frühzeitig gestoppt [7]. Die Zeit von der stationären Aufnahme bis zur Reperfusion betrug so 57 Minuten, mit CT 84 Minuten. Pfeilschifter sieht daher in diesem Vorgehen eine mögliche weitere Strategie, die Zeit bis zur Therapie bei LVO zu verkürzen.