
Hintergrund
Kopfschmerzen gelten in unserer Gesellschaft als eine Art Befindlichkeitsstörung, die der Betroffene ohne weiteres selbst durch die Einnahme frei verkäuflicher Schmerzmittel beheben kann. Wenn Kopfschmerzen wiederholt auftreten, ist das jedoch ein fataler Irrtum. Denn die unsachgerechte und übermäßige Einnahme der Analgetika kann zu gastrointestinalen Nebenwirkungen, Nierenschäden und zu einer Chronifizierung der Erkrankung bzw. zur Entwicklung eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes führen [1].
Kopfschmerzen bei Kindern
Kopfschmerzen stellen auch für Kinder und Jugendliche ein ernstes Gesundheitsproblem dar, das ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen und Auswirkungen auf ihren weiteren Lebensweg haben kann, wie Priv.-Doz. Dr. Gudrun Goßrau, Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Interdisziplinären Universitätsschmerzcentrum in Dresden ausführt: „Oft führen Kopfschmerzen in einen Teufelskreis. Schulfehltage können zu Leistungsabfall, Schulversagen, Schulangst führen, viele Kinder isolieren sich sozial, auch die Gefahr einer Depression ist erhöht.“
Schmerzbehandlung bei Kindern
Leider werden auch die Kopfschmerzen bei Kindern häufig als reines Life-Style-Problem betrachtet und ohne Arztkonsultation mit rezeptfreien Medikamenten behandelt. Dabei kann nur eine fachgerechte ärztliche Diagnose und Therapie die Kinder vor fatalen Fehlbehandlungen und ihren Folgen bewahren. Um das Ausmaß des Problems näher zu beleuchten, führte ein Wissenschaftlerteam verschiedener Zentren in Dresden unter Federführung von Gudrun Goßrau eine Umfrage an Dresdner Schulen durch [2].
Zielsetzung
Das Ziel der Studie bestand darin, festzustellen, wie hoch die Prävalenz von Kopfschmerzen bei Schulkindern verschiedener Altersstufen und Schularten in einem Dreimonats-Zeitraum war. Darüber hinaus wurden Daten zum Einsatz von Medikamenten und zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe gesammelt und ausgewertet.
Methodik
Rund 5500 anonymisierte Fragebögen wurden an Schüler der Primar- (Grundschule) und Sekundarstufe (weiterführende Schularten) verteilt. Der Bogen enthielt Fragen zur Demographie, Kopfschmerzhäufigkeit, Gebrauch von Analgetika und kopfschmerzbedingten Schulfehlzeiten. Bei den Kindern in der Sekundarstufe wurden zusätzlich Fragen zum Lebensstil gestellt.
Ergebnisse
1362 Mädchen (50,3%) und 1344 Jungen (49,7%) nahmen an der Umfrage teil. 36,6 % der Kinder gaben an, dass sie in den letzten drei Monaten an einem Tag pro Monat Kopfschmerzen gehabt hatten; 31,5% der Kinder hatten an mehr als zwei Tagen monatlich darunter gelitten. Mädchen (73%) hatten häufiger Kopfschmerzen als Jungen (63,1%). Die Kopfschmerzprävalenz stieg mit dem Alter der Kinder, der Klassenstufe und der Schulart in Sekundarstufe an. Die höchste Kopfschmerzprävalenz (79,5%) trat bei Kindern in weiterführenden Regelschulen auf.
Analgetika Gebrauch
Medikamente oder homöopathische Mittel gegen Kopfschmerzen nahmen 624 Kinder ein. Ibuprofen (49%) und Paracetamol (32%) waren die am häufigsten eingesetzten Wirkstoffe bei akuten Kopfschmerzen. Von den Kindern, die an mehr als zwei Tagen pro Monat an Kopfschmerzen litten, nahm mehr als die Hälfte Kopfschmerzmedikamente ein, aber nur 20% dieser Kinder hatten einen Arzt wegen ihrer Kopfschmerzen konsultiert. Kaum eines der Kinder mit einem Kopfschmerztag pro Monat war ärztlich untersucht worden.
Fazit
Die hohe Kopfschmerzprävalenz im Kindesalter und der unkritische Einsatz von Analgetika sind nach Ansicht von Experten alarmierend. Prof. Dr. Ulrike Schara, Präsidentin der Gesellschaft für Neuropädiatrie, sieht die Ursachen für die hohe Kopfschmerzrate bei Kindern in Lebensstilfaktoren wie Abusus von Alkohol, Koffein oder Nikotin sowie Bewegungsarmut und Stress in der Schule und in den Familien. Sie fordert eine gesamtgesellschaftliche Präventionsstrategie zum Schutz der Kinder. Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) warnt darüber hinaus: „Im Kindesalter wird oft schon der Grundstein für eine laxe Haltung gegenüber Schmerzmitteln gelegt, die dann in späteren Lebensphasen zum Schmerzmittelübergebrauch führen kann.“