Erweiterung des Thrombektomie-Zeitfensters bei Schlaganfall?

Bei einem Schlaganfall mit Verschluss von großen Arterien im vorderen Kreislauf sollte eine mechanische Thrombektomie im Idealfall nach spätestens 6 Stunden erfolgen. Manche Patienten könnten aber auch noch von einer deutlich späteren Thrombektomie profitieren.

Schlaganfall

Hintergrund

Die Ausprägung arterieller Kollateralen entscheidet mit, ob es in ischämischen Hirnarealen bei einem Schlaganfall mit Großgefäßverschluss (Large Vessel Occlusion, LVO) zum Fortschreiten bis hin zum irreversiblen Infarkt kommt oder nicht.

Patienten mit einer günstigen Ausprägung von Kollateralen in CT und CT Angiografie (CTA) haben meist eine kleineres ischämisches Kernvolumen und eine langsamere Infarkt-Progression. Gemäß dem Motto „Time is Brain“ ist eine möglichst schnelle Reperfusion der ischämischen Areale entscheidend für ein gutes klinisches Outcome.

In der deutschen Leitlinie zur Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalles wird eine mechanische Thrombektomie bei Patienten mit Verschluss von großen Arterien im vorderen Kreislauf bis zu 6 Stunden nach Symptombeginn empfohlen [1]. Wird noch zu rettendes Restgewebe vermutet, so kann auch danach noch eine mechanische Thrombektomie erfolgen. Als Grenze werden hier meist 24 Stunden ab Symptombeginn angegeben. Möglicherweise könnten einige Patienten auch noch nach Überschreiten dieses Zeitfensters von der Thrombektomie profitieren, wie eine aktuelle Studie zeigt [2].

Zielsetzung

Forscher um Dr. Robert Regenhardt von der Harvard Medical School in Boston, USA, untersuchten ob symmetrische Kollateralen in der CTA, LVO-Patienten mit kleinem ischämischem Kernvolumen identifizieren können. Hintergrund ist die Einschätzung der Chancen bei einer späten mechanischen Thrombektomie.

Methodik

Analysiert wurden klinische Daten aus dem Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2009, bevor die mechanische Thrombektomie (auch endovaskuläre Therapie, EVT) zur Standardtherapie wurde. Patienten mit einem anterioren proximalen LVO ohne Reperfusionstherapie wurden untersucht. Alle Patienten erhielten CTA und mindestens drei MRT-Untersuchungen zu vier Zeitpunkten innerhalb von 48 Stunden.

Kollateralen im CTA bei Vorstellung wurden in drei Kategorien als symmetrisch (gleich oder ähnlich dem Muster im relevanten Stromgebiet der kontralateralen Arteria cerebri media), maligne (kein Kontrast über mindestens 50% des relevanten Stromgebiets) und andere (weder symmetrisch noch maligne) eingeteilt. Mittels diffusionsgewichteter MRT-Aufnahmen wurden das ischämische Kern-Volumen sowie die Wachstumsrate des ischämischen Kerns (IGR, definiert als ischämisches Kernvolumen in ml dividiert durch die Zeit seit Symptombeginn in Stunden) bestimmt.

Ergebnisse

Es erfüllten 31 Patienten die Einschlusskriterien mit einem National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS) Score von 13. Bei 45% der Patienten wurden die Kollateralen im CTA als symmetrisch definiert, bei 13% als maligne und 42% konnten keiner der beiden erstgenannten Kategorien zugeordnet werden und wurden in die Kategorie „andere“ eingeordnet. Das mittlere ischämische Kern-Volumen unterschied sich zwischen den Gruppen zu allen Untersuchungszeitpunkten signifikant. Die mittlere IGR zeigte sich ebenfalls zu allen Untersuchungszeitpunkten verschieden in allen drei Gruppen, wobei hier der Unterschied bei der Erstuntersuchung am größten war: symmetrisch, 4 cm3/Stunde; andere, 17 cm3/Stunde; maligne, 20 cm3/Stunde (p < 0,001).

Patienten mit einem höheren NIHSS Score und schlecht ausgebildeten Kollateralen zeigten eine höhere IGR. Schlecht ausgebildete Kollateralen zeigten sich als einzige unabhängige Determinante für die IGR nach 24 Stunden. Symmetrische Kollateralen waren zu 87% sensitiv und zu 94% spezifisch für ein ischämisches Kernvolumen von unter 50 cm3.

Fazit

Bei LVO-Patienten ohne bisherige Reperfusion zeigte sich ein symmetrisches Kollateralen-Muster im CTA häufig in Verbindung mit einem niedrigen IGR und kleineren ischämischen Kern-Volumina nach 24 Stunden. Das Kollateralen-Muster könnte also ein nützlicher Parameter im Entscheidungsprozess für oder gegen eine EVT sein.

Die Studienergebnisse sind auch bedeutsam im Hinblick darauf, dass nicht in allen Einrichtungen, in denen über die weitere Therapie entschieden werden muss, über ein MRT oder die Möglichkeit einer CT-Perfusion verfügen. Ein CTA jedoch ist in den meisten Einrichtungen vorhanden.

Die Studie ist bei ClinicalTrials.gov unter der Nummer NCT00414726 registriert.

Quelle:
  1. Ringleb et al. (2021): Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls, S2e-Leitlinie, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 15.12.2021)
  2. Regenhardt et al. (2021):  Symmetric CTA Collaterals Identify Patients with Slow-progressing Stroke Likely to Benefit from Late Thrombectomy. Radiology, DOI: https://doi.org/10.1148/radiol.2021210455
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige