Thrombolyse bereits auf dem Weg ins Krankenhaus

Studien aus Berlin und den USA zeigen, dass spezielle Schlaganfall-Einsatzfahrzeuge, die für eine therapierelevante Diagnostik und gegebenenfalls eine Thrombolyse ausgerüstet sind, die Sterberate und die Rate schwerer Behinderungen deutlich verringern können.

Stroke

Hintergrund

Bei Schlaganfällen gilt: Zeit ist Hirn. Je eher die Therapie nach dem Beginn eines Schlaganfalles startet, desto besser stehen die Chancen des Patienten auf eine weitgehende oder vollständige Genesung. In den letzten 15 Jahren konnten durch Verbesserungen der Therapie, Optimierung der Abläufe im Krankenhaus und die Aufklärung der Bevölkerung die Sterberate und die Rate schwerer Behinderungen bereits deutlich gesenkt werden. „Doch auf diesen Erfolgen möchten wir uns nicht ausruhen, es gibt pro Jahr noch immer viel zu viele Schlaganfallopfer. Die Krankheit trifft pro Jahr etwa 270.000 Menschen in Deutschland, von denen jeder Fünfte nicht überlebt“, erklärt Prof. Dr. Matthias Endres, von der Charité – Universitätsmedizin Berlin in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie im März 2021 [1].

Mobile Einheiten beschleunigen die Therapie

In einer prospektiven kontrollierten Interventionsstudie in Berlin konnte gezeigt werden, dass mit sogenannten STroke Einsatz-MObilen (STEMO) Schlaganfallpatienten im Durchschnitt 20 Minuten früher eine adäquate Behandlung erhielten als Patienten, die erst mit einem Rettungswagen in eine Klinik gebracht werden mussten. Die STEMOS sind speziell ausgerüstete Einsatzfahrzeuge, in denen eine therapierelevante Diagnostik und bereits auch eine Thrombolyse auf dem Weg ins Krankenhaus vorgenommen werden kann. In der STEMO-Gruppe kam es seltener zu Todesfällen (7,1% vs. 8,8%) und schweren Behinderungen (11,6% vs. 13,8%) als in der Gruppe, die stationär behandelt wurden. Eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Multicenter-Studie aus den USA bestätigte nun die vielversprechenden Ergebnisse des Berliner Projekts [2,3].

Zielsetzung

In der US-Studie sollte festgestellt werden, ob eine sofortige Behandlung von Schlaganfallpatienten mit gewebespezifischen Plasminogenaktivator (tissue plasminogen activator [t-PA] in Mobilen Stroke Units (MSU) bessere Ergebnisse erzielt als eine durch den Transport ins Krankenhaus verzögerte t-PA Behandlung in einer stationären Notfall-Einrichtung.

Methoden

Die prospektive, cluster-kontrollierte Beobachtungsstudie wurde in sieben Städten in den USA in den Jahren 2014 bis 2020 durchgeführt. Als Mobile Stroke Units (MSU) wurden Ambulanzfahrzeuge bezeichnet, die sowohl personell als auch technisch für eine t-PA Behandlung mit entsprechender vorausgehender Diagnostik auf der Fahrt zum Krankenhaus ausgerüstet waren. Die Behandlungen in den MSUs und in der stationären Notfall-Einrichtung (emergency medical service [EMS]) wurden wochenweise alternierend durchgeführt: In einer Woche wurden die Patienten im MSU in der darauffolgenden Woche in der EMS versorgt. Eingeschlossen wurden Patienten, die die Kriterien für eine t-PA Behandlung erfüllten.

Primärer Endpunkt

Primärer Endpunkt war der Score für die Behinderung auf der Utility-Weighted Modified Rankin Scale nach 90 Tagen (Skalenbereich: 0 – 1, höhere Werte zeigen ein besseres Ergebnis im Sinne des Patientenwohls an, dabei entsprach in Score von ≥ 0,91 minimalen bis gar keinen Behinderungen). Abgeleitet wurde der primäre Endpunkt von den Scores auf der Modified Ranking Scale (Skalenbereich 0-6; höhere Werte zeigen schwerere Behinderungen an). Die Hauptanalyse nutzte dichotomisierte Scores der Utility-Weighted Modified Rankin Scale (≥ 0, 91 oder < 0,91) und approximative Scores auf der Modified Ranking Scale von ≤ 1 oder > 1 nach 90 Tagen bei Patienten, die die Kriterien für eine t-PA erfüllten. Die Analysen wurden bei allen eingeschlossenen Patienten durchgeführt.

Ergebnisse

Von über 10.000 Patienten mit Schlaganfallverdacht erfüllten 1.047 Patienten die Kriterien für eine t-PA. Ihre Daten wurden in die primäre Analyse aufgenommen. Von diesen Patienten kamen 617 in die MSU-Gruppe und 430 in die EMS Gruppe. In der MSU-Gruppe erhielten 97,1 % und in der EMS-Gruppe 79,5 % eine t-PA-Behandlung. Die mediane Zeit vom Beginn des Schlaganfalls bis zur t-PA betrug in der MSU Gruppe 72 Minuten und in der EMS-Gruppe 108 Minuten. Die MSU Gruppe erzielte nach 90 Tagen einen durchschnittlichen Score von 0,72 auf der Utility-Weighted Modified Rankin Scale, die EMS-Gruppe von 0,66. Das adjustierte Chancenverhältnis (odds ratio [OR]) für einen Score von ≥ 0,91 betrug 2,43 (95% Konfidenzintervall [CI] 1,75 - 3,36; p<0,001). Nach 90 Tagen waren 8,9 % der Patienten in der MSU Gruppe und 11,9 % in der EMS Gruppe verstorben. 

Fazit

Bei einer Thrombolyse-Behandlung in der Mobilen Stroke Unit blieben in der US-amerikanischen Studie bei t-PA-geeigneten Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall weniger Behinderungen zurück als bei einer Behandlung in einer stationären Einrichtung mit vorausgegangenem Transport in einem üblichen Ambulanzfahrzeug. Das bestätigt die Ergebnisse der Berliner Studie. Diese kommentierte der DGN-Generalsekretär Prof. Dr. Peter Berlit im März 2021 so: „Es ist ein wichtiges Ziel der Neurologie, dass möglichst viele Patientinnen und Patienten einen Schlaganfall unbeschadet überstehen und die STEMOS können dafür einen wertvollen Beitrag leisten“

Autor:
Stand:
28.09.2021
Quelle:
  1. Deutsche Gesellschaft für Neurologie: Mobile Stroke Unit führt zu weniger Behinderungen nach Schlaganfall. Pressemitteilung vom 02.03.2021.
  2. Ebinger, Siegerink, Kunz et al. (2021): Association Between Dispatch of Mobile Stroke Units and Functional Outcomes Among Patients With Acute Ischemic Stroke in Berlin. JAMA 325(5):454-466. DOI:10.1001/jama.2020.26345.
  3. Grotta, Yamal, Parker (2021): Prospective, Multicenter, Controlled Trial of Mobile Stroke Units. N Engl J Med 2021; 385:971-981 DOI: 10.1056/NEJMoa2103879
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