
Hintergrund
Weltweit sind etwa 50 Millionen Menschen von Epilepsie betroffen. Die Therapie mit Antikonvulsiva führt bei 60-70% der Patienten zur Anfallsfreiheit. Anderseits ist die Mortalitätsrate bei Personen mit Epilepsie gegenüber der Allgemeinbevölkerung erhöht. Daten aus Großbritannien zeigen, dass die Anzahl von Todesfällen durch Epilepsie im Zeitraum von 2001 bis 2014 um 70% angestiegen ist, während die Gesamt-Mortalität in der Bevölkerung im gleichen Zeitraum um 6% abgenommen hat.
Die Todesursachen bei Epilepsie-Patienten sind unterschiedlich. Die Todesursache muss nicht das Epilepsie-Leiden sein, sondern kann natürlich auch durch andere Erkrankungen, etwa Herzkreislauferkrankungen, respiratorische Erkrankungen, Demenz oder Krebs bedingt sein. Durch die Epilepsie bedingte Todesfälle können aus Verletzungen, Verbrennungen oder Ertrinken während eines Anfalles resultieren. Daneben tragen psychosoziale Faktoren wie Alkohol- und Drogenmissbrauch, eine geringe Adhärenz zur medikamentösen Therapie, Depressionen und ein niedriger sozioökonomischer Status zur erhöhten Mortalitätsrate bei.
Speziell bei dem Anfallsleiden ist der sogenannte plötzliche unerwartete Tod bei Epilepsie (Sudden Unexpected Death in Epilepsy, SUDEP) eine weitere Todesursache. Die Patienten versterben mit oder ohne Anhalt eines vorausgehenden Anfalls, in jedem Fall aber ohne Anhalt eines vorausgehenden Status epilepticus. Review-Daten beziffern den Anteil von SUDEP an der Mortalitätsrate von Epilepsie-Patienten mit 12%. Das Wissen um die Prävention und/oder Therapie von Risikofaktoren, die zur erhöhten Mortalitätsrate bei Epilepsie beitragen, stellt sich aktuell noch lückenhaft dar. Weitere Forschung auf diesem Gebiet könnte zu einer Reduktion der Mortalität durch bessere Präventions- und Therapiestrategien bei Epilepsie-Patienten beitragen.
Zielsetzung
Erstautorin Gabriella Wojewodka vom King’s College London und ihr Team analysierten Ursachen und Risikofaktoren, die mit einer erhöhten Mortalität bei Epilepsie-Patienten assoziiert sind [1].
Methodik
Die retrospektive Analyse bediente sich Daten einer nationalen Kohorte der Clinical Practice Research Datalink, welche anonymisierte Patientendaten aus der Primärversorgung in Großbritannien umfasst. Die Daten stammten aus dem Zeitraum von April 2004 bis März 2014.
Die Todesursachen wurden in der retrospektiven Kohorte untersucht und die Identifikation von Risiko-Faktoren erfolgte mittels einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie.
Ergebnisse
Die Forscher analysierten die Daten von 70.431 Personen mit Epilepsie mit 11.241 registrierten Todesfällen. Die Anzahl der Todesfälle in der Datenbank stieg im Beobachtungszeitraum um 69% an. Dabei war die Epilepsie in der Gruppe der unter 35-Jährigen für 45% der Todesfälle verantwortlich.
Aufsuchen der Notaufnahme, Status epilepticus und Polytherapie erhöhen Mortalität deutlich
Faktoren, die sich mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert zeigten, waren die Vorstellung in der Notaufnahme innerhalb der letzten 12 Monate (Odds Ratio [OR] 3,48; 95% Konfidenzintervall [CI] 3,19-3,80) sowie die Polytherapie mit Antiepileptika (AEDs). Nahmen Patienten zwei AEDs ein, so lag die OR bei 1,60 (95% CI 1,51-1,71) bis hin zu einer OR von 2,62 (95% CI 2,23-3,08) bei der Einnahme von vier und mehr AEDs. Weiterhin waren das Auftreten eines Status epilepticus (OR 2,78; 95% CI 1,64-4,71), von Depressionen (OR 1,67; 95% CI 1,57-1,76) und von Verletzungen (OR 1,54; 95% CI 1,43-1,67) mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko bei Epilepsie-Patienten assoziiert.
Fazit
Die Studienergebnisse unterstreichen die aktuelle Evidenzlage, wonach Todesfälle unter Epilepsie-Patienten zunehmen. Die Autoren regen weitere Studien an, welche Personen mit Epilepsie und einem hohen Mortalitätsrisiko identifizieren sollten, um daraus eine besseres Selbstmanagement und klinische Interventionen abzuleiten.
Die Identifizierung von Risikofaktoren, gerade bei Personen unter 35, habe besondere Priorität, da Epilepsie für nahezu die Hälfte der Todesfälle bei jüngeren Epilepsie-Patienten verantwortlich ist, so die Autoren abschließend.