Videospiele steigern kognitive Leistung bei Kindern

Videospiele verbessern die kognitiven Fähigkeiten im Bereich der Reaktionshemmung und des Arbeitsgedächtnisses und können mit Veränderungen der kortikalen Bahnen bei 9 bis 10-jährigen in Verbindungen gebracht werden.

Kind spielt PC Spiel

Hintergrund

Im Jahr 2022 zeigte eine große Umfrage in den USA, dass 71% aller Kinder zwischen 2 und 17 Jahren Videospiele spielen. Man geht davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen Videospielen und dem Anstieg von aggressivem Verhalten bei Kindern gibt, sowie mit einem Anstieg von Depressionen und Gewalt in späterem Alter. Es scheinen aber auch andere Assoziationen zu bestehen. So könnten Videospiele die kognitiven Leistungen verbessern, da sie Fähigkeiten vermitteln können, die sich auf verschiedene kognitive Aufgaben des täglichen Lebens übertragen lassen. Sie könnten somit eine Reihe von Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsanforderungen mit gängigen kognitiven Aufgaben gemeinsam haben und Reaktionszeit, Kreativität, Problemlösung und Logik verbessern.

Die neurobiologischen Mechanismen, die diesen Prozessen zugrunde liegen, sind bislang nicht gut verstanden, da sich nur eine Handvoll Neuroimaging-Studien mit dem Thema beschäftigt haben. Ergebnisse von funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT)-Studien über Videospiele bei Kindern und Jugendlichen ließen sich nicht replizieren, was auf die kleinen Stichprobengrößen (<80 Probanden) zurückzuführen sein könnte.

Zielsetzung

Die Studie untersucht die Assoziationen zwischen Videospielen und der kognitiven Leistung und Gehirnaktivierung während der Reaktionshemmung und des Arbeitsgedächtnisses mittels aufgabenbasierter fMRT in einem großen Datensatz von 9- und 10-jährigen Kindern aus der Adolescent Brain Cognitive Development (ABCD)-Studie.

Methodik

Es handelt sich um eine Fall-Kontroll-Studie, die die kognitive Leistung und das vom Sauerstoffgehalt des Blutes abhängige (blood oxygen level-dependent [BOLD]) Signal bei Videospielern (VS) und Nicht-Videospielern (NVS) während der Reaktionshemmung und des Arbeitsgedächtnisses mittels aufgabenbasierter fMRT in einem großen Datensatz von 9- und 10-jährigen Kindern aus der ABCD-Studie vergleicht. Es erfolgte eine Kontrolle der demographischen, verhaltensbedingten und psychiatrischen Störfaktoren. Die Daten basieren auf einer Stichprobe aus der Baseline-Bewertung aus dem Jahre 2019 von öffentlichen, privaten und Charter-Grundschulen an 21 Standorten in den USA, wobei ein bevölkerungsneurowissenschaftlicher Ansatz zur Rekrutierung verwendet wurde, der die demografische Varianz in der US-Bevölkerung widerspiegeln sollte. Kinder mit validen Neuroimaging- und Verhaltensdaten wurden in die Studie aufgenommen. Ausgeschlossen wurden u. a. Kinder mit gängigen MRT-Kontraindikationen, schweren neurologischen Erkrankungen und traumatischen Hirnverletzungen in der Vorgeschichte.

Ergebnisse

Demographische Daten

Insgesamt konnten 2.217 Kinder mit einem mittleren Alter von 9,9 ± 0,6 Jahren in die Analyse eingeschlossen werden. Hiervon waren 1.399 Mädchen (63,1%). In der Stoppsignal-Aufgabenanalyse gaben 1.128 Kinder an, NVS zu sein, die 679 VS spielten mehr als 21 Stunden pro Woche. In der n-Rückwärtsanalyse waren 1.278 Kinder NVS und 800 VS spielten mehr als 21 Stunde pro Woche. Die beiden Gruppen waren in Bezug auf Alter, BMI und IQ vergleichbar, unterschieden sich aber darin, dass überproportional viele VS Jungen waren und ihre Eltern ein geringeres gemeinsames Einkommen hatten.

Klinische Ergebnisse

Die VS schnitten bei beiden gestellten fMRI-Aufgaben besser ab als die NVS. Nichtparametrische Analysen der fMRI-Daten zeigten ein größeres BOLD-Signal bei den VS im Praecuneus während der inhibitorischen Kontrolle.

Während des Arbeitsgedächtnisses wurde ein kleineres BOLD-Signal bei VS in Teilen des okzipitalen Kortex und des Sulcus calcarinus beobachtet sowie ein größeres BOLD-Signal in den cingulären, mittleren und frontalen Gyri und im Praecuneus.

Im Gegensatz zu psychologischen und verhaltenswissenschaftlichen Studien, die einen schädlichen Zusammenhang zwischen Videospielen und der psychischen Gesundheit von Kindern nahelegen, konnte in dieser Studie kein signifikanter Unterschied zwischen VS und NVS festgestellt werden. Die höheren Werte der VS in jeder Kategorie der Checkliste für das Verhalten von Kindern (Child Behavior Checklist [CBCL]) lassen jedoch die Möglichkeit offen, dass für die VS im Laufe der Zeit und mit zunehmender Exposition der Videospiele größere Auswirkungen auftreten könnten.

Fazit

Die Studie zeigt zusammenfassend, dass das Videospielen mit einer besseren Leistung bei kognitiven Tests, die die Reaktionshemmung und das Arbeitsgedächtnis betreffen, sowie mit veränderten BOLD-Signalen in Kortexregionen in Verbindung gebracht wird, die für die visuelle, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisverarbeitung zuständig sind. Videospiele könnten möglicherwiese eine kognitive Trainingserfahrung mit messbaren neurokognitiven Effekten bieten.

Autor:
Stand:
21.11.2022
Quelle:

Chaarani B et al. (2022): Association of Video Gaming With Cognitive Performance Among Children. Pediatrics, DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.35721

 

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