Wie häufig sind Zufallsbefunde im Hirn-MRT bei Kindern?

In der ABCD-Studie wurde erstmals an einer großen Probandenanzahl die Häufigkeit von Zufallsbefunden im Hirn-MRT bei Kindern untersucht. Laut Analysen ist jedes fünfte Kind davon betroffen. Eine weitere Abklärung sowie therapeutische Interventionen waren nur bei wenigen Kindern nötig.

Magnetresonanztomograph

Hintergrund

In der kraniellen Bildgebung und in der bildgebenden Diagnostik allgemein treten immer wieder Zufallsbefunde auf. Mit zunehmendem Alter sind diese häufiger. Bei der Unterscheidung zwischen Zufallsbefund und symptomatischem Befund hilft oft das klinische Bild des Patienten.

In der kraniellen Bildgebung sind die häufigsten Zufallsbefunde bei Männern im mittleren Alter von 20,5 Jahren Arachnoidalzysten mit einer Prävalenz von 1,7%, gefolgt von vaskulären Läsionen (0,52%) und intrakraniellen Raumforderungen (0,47%). Bei älteren Menschen steigt die Häufigkeit. So zeigten sich bei Probanden im Alter von 63,6 Jahren am häufigsten stumme Ischämien (7,2%), gefolgt von Aneurysmen (1,8%) und benignen Raumforderungen (1,6%), [1]. Sowohl die Kommunikation dieser Befunde mit den Patienten als auch mögliche weitere Abklärungen oder therapeutische Interventionen, die sich daraus ableiten, sind von Bedeutung.

Die Fragestellung zum ethisch angemessenen Umgang mit Zufallsbefunden ist auch für die Forschung interessant, da sich die Neurowissenschaften in zunehmendem Maße der kraniellen Bildgebung bedienen. Hierzu gibt es verschiedene Leitfäden der Universitäten. Eine aktuell noch laufende, groß angelegt US-amerikanische Studie – die ABCD (Adolescent Brain Cognitive Development)-Studie – ist die größte Langzeitstudie zur Gehirnentwicklung und Kindergesundheit in den USA [2]. Bei der Studie geht es primär um den Beitrag von Umwelt und Genen zur Entwicklung von Psyche, Gehirn und Kognition. Die im renommierten Fachjournal „JAMA Neurology“ veröffentlichten Ergebnisse liefern nun Zahlen zur Häufigkeit von Zufallsbefunden im MRT des Gehirns bei Kindern [3].

Zielsetzung

Forscher um Dr. Yi Li vom Department of Radiology and Biomedical Imaging der University of California in San Francisco untersuchten die Prävalenz und klinische Bedeutung von Zufallsbefunden im Hirn-MRT von klinisch unauffälligen Kindern [3].

Methodik

Die Kohortenstudie wurde auf Basis der Daten von 11.810 Kindern im Alter von 9 bis 10 Jahren durchgeführt. Die Kinder erhielten im Rahmen der ABCD-Studie ein strukturelles 3-Tesla-MRT des Gehirns. Die Daten wurden zwischen September 2016 und November 2018 an insgesamt 21 Zentren in den USA generiert.

Die MRT-Bilder wurden von zertifizierten Neuroradiologen ausgewertet und in vier Kategorien eingeteilt:

  • Kategorie 1: keine abnormen Befunde
  • Kategorie 2: keine weitere Abklärung
  • Kategorie 3: weitere Abklärung erwägen
  • Kategorie 4: sofortige weitere Abklärung erwägen.

Die Familien der möglichen teilnehmenden Kinder wurden über die Schulen informiert. Ausschlusskriterien waren schwere sensorische, geistige, medizinische oder neurologische Einschränkungen. Die demographischen Daten wurden bei der Anmeldung berücksichtigt, um ein repräsentatives Bild bezüglich Geschlecht sowie sozioökonomischer und ethnischer Diversität zu erhalten.

Ergebnisse

Insgesamt lagen von 11.679 Kindern (52,1% Jungen, mittleres Alter 9,9 Jahre) interpretierbare MRT-Scans vor. Bei 2.464 Kindern (21,1%) wurde ein Zufallsbefund festgestellt.

Pinealiszysten am häufigsten

Die Zufallsbefunde wurden bei 2.013 Kindern (17,2%) in Kategorie 2 eingeordnet, bei 431 Kindern (3,7%) in Kategorie 3 und bei 20 Kindern (0,2%) in Kategorie 4. In Kategorie 2 zeigten sich nicht pathologische anatomische Variationen sowie andere für gesunde Kinder nicht kritische Auffälligkeiten. In Kategorie 3 wurden am häufigsten periventrikuläre noduläre Heterotopien beobachtet, es folgten Veränderungen der weißen Substanz, die den Verdacht auf eine Infektion, Entzündung oder eine ischämische Verletzung lenkten sowie Arachnoidal- oder intraventrikuläre Zysten und für ein Gliom verdächtige Läsionen. In Kategorie 4 wurde eine sofortige weitere Abklärung aufgrund eines Gliomverdachtes sowie eines Hydrozephalus angeraten.

Lässt man die klinische Relevanz der Befunde außen vor, so stellten Pinealiszysten mit 7,8% den häufigsten Zufallsbefund dar.

Hereditäre Komponente?

Um den Studienzielen der ABCD-Studie gerecht zu werden, wurden auch viele Zwillinge (17%) mit einbezogen. Insgesamt hatten die Zwillingskinder keine erhöhte Häufigkeit von Zufallsbefunden als einzeln Geborene. Auch zwischen eineiigen und zweieiigen Zwillingen gab es keinen Unterschied. Eine gewisse hereditäre Komponente könnte jedoch vorliegen, denn wenn ein Zwilling betroffen war, so zeigte sich auch vermehrt bei dem anderen Zwilling ein Zufallsbefund (h2 = 0,260; 95% Konfidenzintervall [CI] 0,135-0,387).

Fazit

Die Ergebnisse zeigen, dass Zufallsbefunde im Hirn-MRT bei Kindern zwischen 9 und 10 Jahren häufig sind. Nicht selten haben die Befunde eine klinische Signifikanz. Durch die Bewertung der Zufallsbefunde und begleitende Messungen von Gesundheit und Entwicklungsstand der Kinder erhoffen sich die Autoren im Studienverlauf weitere Hinweise, um die Bedeutung dieser Zufallsbefunde besser einordnen zu können.

Die Resultate der Studie werfen die Frage auf, ob es nicht sinnvoll wäre, alle MRT-Scans, die im Rahmen von Studien entstehen, von zertifizierten Neuroradiologen beurteilen zu lassen, wie hier in der ABCD-Studie. „In der Hoffnung Leben zu retten und Teilnehmer auf Zufallsbefunde hinzuweisen, die einer weiteren Abklärung bedürfen“, heißt es dazu in einer Pressemeldung der University of California anlässlich der Veröffentlichung dieser Studie.

Quelle:
  1. Barth (2011): Zufallsbefunde in der Bildgebung – was tun? – Ein kleiner Leitfaden. Der Klinikarzt, DOI: 10.1055/s-0031-1291953
  2. Webseite der ABCD-Studie, abgerufen am 28.04.2021
  3. Li et al. (2021): Rates of Incidental Findings in Brain Magnetic Resonance Imaging in Children. JAMA Neurology, DOI: 10.1001/jamaneurol.2021.0306
  4. University of California San Francisco, Pressemeldung, 22.03.2021; abgerufen am 28.04.2021
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