Beim Gliom handelt es sich um einen primären Hirntumor, der von den Gliazellen - den Zellen, die die Nervenzellen umgeben und stützen - ausgeht. Je nach Typ der betroffenen Gliazellen unterscheidet man zwischen Astrozytom, Oligodendrogliom, Ependymom und Mischgliome.
Gliome zählen zu den seltenen Erkrankungen. Etwa die Hälfte der Patienten wird mit der bösartigsten Form, dem Glioblastom (GBM) WHO-Grad IV, diagnostiziert. Ein Gliom ist eine schwächende und lebensbedrohliche Erkrankung, da das Gehirn schwer geschädigt wird, und die langfristige Prognose außer bei Grad I-Erkrankungen ungünstig ist.
Unter primären Tumoren des zentralen Nervensystems versteht man alle gut- und bösartigen Neubildungen, die von der Gehirn- bzw. Rückenmarksubstanz selbst oder den sie umgebenden Hirnhäuten ausgehen. Primäre Tumore des Gehirns und Rückenmarks machen nur etwa 2% aller Krebserkrankungen aus. Sie umfassen eine große Vielfalt verschiedener Tumorarten, die sich von unterschiedlichen Zelltypen des Nervensystems ableiten.
Insgesamt am häufigsten bilden sich Gehirntumore aus den verschiedenen Gliazellen. Diese "Gliome" machen zusammen etwa 60% aller primären Tumoren des Gehirns und Rückenmarks aus. Entsprechend den verschiedenen glialen Zelltypen im zentralen Nervensystem lassen sich mehrere Untergruppen von Gliomen unterscheiden:
Astrozytome: mit über 60% die häufigsten Gliome; zu dieser Krebsform zählt das Glioblastom, der am häufigsten diagnostizierte und bösartigste primäre Gehirntumortyp.
Oligodendrogliome: 10% aller Gliome, oft Fehlen des kurzen Arms von Chromosom 1 und des langen Arms von Chromosom 19
Ependymome: 5 bis 10% aller Gliome
Mischgliome (Oligoastrozytome): 5 bis 10% aller Gliome
Nach den Gliomen bilden die von den Hirnhäuten ausgehenden Meningeome die zweithäufigste Gruppe unter den primären Tumoren des Zentralnervensystems. Der wichtigste bösartige Gehirntumor des Kindesalters ist das Medulloblastom des Kleinhirns. Die häufigsten Tumoren der Hirnnerven und Rückenmarkswurzeln werden als Neurinome oder Schwannome bezeichnet. Sie gehen von den Schwann´schen Zellen des peripheren Nervensystems aus.
Die verschiedenen Gliom-Typen unterscheiden sich im Hinblick auf ihr Wachstumsverhalten, das Ansprechen auf Behandlung und die Prognose erheblich. Die Einstufung sowie die Einschätzung der Malignität erfolgt anhand von feingeweblichen Merkmalen (WHO-Klassifikation) in Verbindung mit molekularen Veränderungen.
Epidemiologie
Nach Angaben des Komitees für Arzneimittel für seltene Leiden (engl. Committee for Orphan Medicinal Products [COMP]) der EU waren im November 2018 etwa 2,6 von 10.000 Personen in der Europäischen Union (EU) an einem Gliom erkrankt. Dies entsprach einer Gesamtzahl von rund 135.000 Personen und liegt unter der Obergrenze für seltene Erkrankungen, die 5 von 10.000 Personen entspricht. In Deutschland werden jährlich ungefähr 4.000 Neuerkrankungsfälle bei Männern und ca. 3.200 Neuerkrankungsfälle bei Frauen diagnostiziert (bösartigen Tumoren des Gehirns [ICD-10: C71] einschließlich der bösartigen Neubildungen der Hirnhäute [ICD-10: C70] und des zentralen Nervensystems [ICD-10: C72]). Etwa 95% der Fälle sind dabei bösartige Tumoren des Gehirns.
Das mediane Erkrankungsalter beträgt bei Männern 64 Jahre, bei Frauen 67 Jahre. Männer sterben im Median mit 67 Jahren, Frauen mit 70 Jahren. Bei beiden Geschlechtern treten die meisten Erkrankungsfälle im Alter von 70 bis 74 Jahren auf. Bei Kindern und Jugendlichen (0-19 Jahre) wurde eine Inzidenz von etwa 4% ermittelt. In allen Altersgruppen erkranken Männer häufiger als Frauen.
Ursachen
Die Ursachen für die Entstehung von primären Tumoren des Nervensystems sind weitgehend unbekannt. Das Risiko, an einem Gliom zu erkranken, wird durch folgende Faktoren erhöht:
Erbleiden (< 5%), wie Neurofibromatosen, von-Hippel-Lindau-Krankheit, tuberöse Sklerose, Lynch- und Li-Fraumeni-Syndrom, Melanom-Nervensystemtumor-Syndrom, Ollier-Maffucci-Syndrom und Turcot-Syndrom
familiär gehäuftes Auftreten (etwa 5-10%)
ionisierende Strahlen, zum Beispiel nach therapeutischer Bestrahlung
Mobiltelefone (Radiofrequenzfelder)
Pathogenese
In den letzten 25 Jahren hat die Forschung hunderte von molekularen Veränderungen bei Gliomen identifiziert, die höchstwahrscheinlich schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Entwicklung entstehen. Mutationen des IDH-Gens (Gen für Isozitrat-Dehydrogenase) treten als eine der frühesten genetischen Veränderungen in der Gliomentwicklung auf und scheinen metabolische Veränderungen mit onkogenem Potenzial auszulösen, aber allein für die Tumorgenese nicht auszureichen. Das ATRX-Gen spielt eine wichtige Rolle in der Chromatin-Remodellierung und in der Regulation der Telomerlänge. Genetische Veränderungen von ATRX scheinen bei Astrozytomen zur Progression in höhermaligne Formen beizutragen. TERT-Mutationen gehen mit einer vermehrten Telomerase-Aktivität einher. Der telomerbasierte Stoffwechselweg scheint ein weiterer, wichtiger Mechanismus in der Gliomgenese zu sein.
Primäre Hirntumoren metastasieren selten in andere Körperregionen, können sich jedoch auf andere Teile des Gehirns und auf die Wirbelsäule ausbreiten.
Symptome
Symptome und klinische Präsentation von Gliomen sind äußerst variabel und in erster Linie von der Lokalisation der Tumore und der Funktion der betroffenen Hirnareale, sowie von der Tumorgröße und Wachstumsrate abhängig. Hauptsymptome sind:
Hirndruckzeichen mit Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen
epileptische Anfälle und fokalneurologische Ausfälle
Subtile Veränderungen, welche häufig erst im Nachhinein oder nur von der Umgebung wahrgenommen werden sind:
Wesensveränderung, Stimmungsschwankungen
Abbau kognitiver Fähigkeiten und Leistungsfähigkeit
Diagnostik
Erstdiagnose
Zur Bestätigung der klinischen und/oder bildgebenden Verdachtsdiagnose können folgende bildgebende Untersuchungsmethoden herangezogen werden:
Computertomografie (CT)
Magnetresonanztomografie (MRT) mit Kontrastmittel
Aminosäuren-Positronenemissionstomografie (PET)
Staging
Die histologische Bestätigung mittels Biopsiematerial ist obligat.
Zur differenzialdiagnostischen Abklärung von entzündlichen Erkrankungen, einschließlich Hirnabszess, Keimzelltumoren, primären zerebralen Lymphomen oder Hirnmetastasen kann eine Liquordiagnostik vorgenommen werden.
Eine Elektroenzephalografie (EEG) ist für die Beurteilung einer Epilepsie indiziert.
Eine neuropsychologische Untersuchung sollte früh in die Diagnostik integriert werden und folgende Aspekte umfassen:
potentielle 'Störvariablen' wie Kopfschmerzen, Medikamentennebenwirkungen oder eine reduzierte Anstrengungsbereitschaft
Gliome werden in der WHO Klassifikation 2016 histomorphologisch und molekulargenetisch definiert und in WHO-Grad I bis IV eingeteilt. Gemäß dieser WHO-Klassifikation wird jedem Tumor zusätzlich zur Artdiagnose ein WHO-Grad zugeordnet. Man unterscheidet insgesamt vier WHO-Grade:
WHO-Grad I: gutartiger, langsam wachsender Tumor mit günstiger Prognose und guter Heilungschance durch eine operative Tumorentfernung
WHO-Grad II: erhöhte Neigung zur Rezidivbildung, Übergang in bösartige Tumoren möglich
WHO-Grad III: bösartig, nach der Operation sind Strahlen- und/oder Chemotherapie notwendig
WHO-Grad IV: sehr bösartig, rasch wachsende Tumore mit ungünstiger Prognose, die mit den gegenwärtig verfügbaren Behandlungsmethoden (Operation, Strahlentherapie, Chemotherapie) zumeist nicht heilbar sind
Verlaufskontrolle - RANO (engl. Response Assessment in Neuro-Oncology)
Zusätzlich zur radiologischen Beurteilung des Remissionsstatus werden sowohl der klinisch-neurologische Status als auch der Steroidbedarf herangezogen. Der NANO Scale (Neurologic Assessment in Neuro-Oncology) erlaubt ein einfaches klinisches Assessment.
Die Differenzierung zwischen residualem Tumorgewebe und posttherapeutischen Effekten nach Resektion, Strahlentherapie oder medikamentöser Therapie ist mittels MRT nicht immer eindeutig. Eine Untersuchung des Tumormetabolismus mittels Aminosäuren-PET oder mit MR-Spektroskopie und die MR-Perfusion können zusätzliche, klinisch relevante Informationen liefern.
Die RANO Working Group adaptiert laufend radiologische Kriterien, um Therapieeffekte bei verschiedenen Tumoren im Gehirn zu messen und unter Studienbedingungen vergleichbar zu machen. Dabei unterscheidet sie Kriterien für hochgradige und niedriggradige Gliome.
Demnach ist eine Progression nach Abschluss einer kombinierten Radio-Chemotherapie (RT/CT) bei hochgradigem Gliom folgendermaßen definiert:
weniger als 12 Wochen nach RT/CT: o neue Kontrastmittelaufnahme außerhalb des Bestrahlungsfeldes oder erneute histologische Sicherung o Pseudoprogressionen kommen in 20-30% nach RT/CT vor, meist innerhalb von 12 Wochen
mehr als 12 Wochen nach RT/CT: o neue Kontrastmittelaufnahme außerhalb des Bestrahlungsfeldes, unabhängig vom Steroidbedarf o Zunahme der Summe senkrecht aufeinander stehender Diameter um ≥ 25% zwischen einem ersten Bild nach Strahlentherapie (RT) und einem weiteren Bild ≥ 12 Wochen nach RT bei stabilem oder steigendem Steroidbedarf o klinische Verschlechterung, unabhängig von Medikamenten oder Komorbiditäten o Bei Patienten unter antiangiogener Therapie wird eine signifikante Vergrößerung des T2/FLAIR-Areals als Progression bezeichnet, wenn der Patient dabei einen stabilen oder vermehrten Steroidbedarf hat und keine Folgen von Komorbiditäten, zum Beispiel Anfälle, vermutet werden. Hinweise für einen Masseneffekt wie zum Beispiel Aufhebung von Sulci, Ventrikelkompression, Verdickung des Corpus callosum und Infiltration des Kortex sowie Läsionen außerhalb des RT-Feldes sprechen für einen echten Tumorprogress. Im Zweifelsfall sind Verlaufsaufnahmen notwendig.
Definition einer Remission (CR, PR):
Remissionen sollen ≥ 4 Wochen anhalten, um als echte Remission zu gelten.
Bei Patienten mit nicht-messbarer Erkrankung ist die stabile Erkrankung der beste Remissionsstatus.
Für die Einschätzung des Allgemeinzustands und der Komorbidität werden folgende Instrumente empfohlen:
Karnofsky Performance- und NANO-Score
MoCA-Test (Montreal Cognitive Assessment)
neuropsychologische Verfahren
Therapie
Die Behandlung hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich Art, Größe, Stadium und Lage des Tumors. Sie kann chirurgische Eingriffe, Strahlen- bzw. Chemotherapien und/oder gezielte Therapien umfassen.
Risiken und Nutzen sind für den Patienten abzuwägen. Insbesondere Alter, Allgemein- und neurologischer Zustand sind in das therapeutische Konzept miteinzubeziehen. Therapeutisch steht bei allen Gliomen die maximal mögliche Resektion an erster Stelle. Die wichtigste postoperative Therapie ist die Strahlentherapie. Als medikamentöse Systemtherapien bei Erstdiagnose und im Falle von Rezidiven stehen Substanzen aus dem Bereich der Zytostatika, der Anti-Angiogenese und experimentelle Ansätze zur Verfügung.
Molekulare Marker
Es wurden einige Biomarker identifiziert, die bei Prognose und klinischer Therapieentscheidung hilfreich sein können:
Mutationen im Gen für die Isocitratdehydrogenase (IDH): Das Vorhandensein von IDH-Mutationen bei GBM ist mit einem längeren Überleben verbunden.
1p/19q-Kodeletion bei anaplastischen oligodendroglialen Tumoren: Wenn diese Tumorzellen einen Verlust an genetischem Material sowohl von Chromosom 1p als auch von Chromosom 19q aufweisen, ist die Prognose besser als bei Patienten, deren Tumor diese Abnormalität nicht aufweist. Und es scheint, dass das Ansprechen auf Chemotherapie und Strahlentherapie wahrscheinlicher ist.
MGMT-Promoter-Methylierung bei GBM bei älteren Patienten, ab 65-70 Jahre: Patienten mit MGMT-methylierten Gliomen überleben wahrscheinlich länger als Patienten, deren Tumorzellen nicht methyliert sind. Die Kenntnis des Methylierungsstatus des Tumors kann die Wahl zwischen Chemotherapie und Strahlentherapie bestimmen.
MGMT ist an der Reparatur von DNA beteiligt. Wenn es fehlt, können sich Tumorzellen nicht selbst reparieren, nachdem sie DNA-schädigenden Wirkstoffen wie Temozolomid ausgesetzt wurden.
Das Vorhandensein einer TERT-Mutation ist mit einer aggressiven Erkrankung verbunden und legt die Notwendigkeit einer genauen Überwachung und möglicherweise einer zusätzlichen Chemotherapie nach der chirurgischen Entfernung des Tumors nahe.
Medikamentöse Therapien
Folgende Medikamente kommen bei der Chemotherapie zum Einsatz:
Temozolomid: Dieses Alkylierungsmittel ist die derzeitige Standardchemotherapie für die meisten Patienten.
Weder mit einer anti-angiogenen Therapie (Bevacizumab) noch mit Immuntherapien konnten bisher signifikant positive Ergebnisse erzielt werden.
Die unten aufgeführten Medikamente wurden von der Food and Drug Administration (FDA) als Produkte zur Behandlung seltener Erkrankungen zugelassen:
5-Aminolävulinsäure (Gleolan): Optisches Bildgebungsmittel, angezeigt bei Patienten mit Gliom (Verdacht auf WHO-Grad III oder IV in der präoperativen Bildgebung) als Hilfsmittel zur Visualisierung von malignem Gewebe während der Operation
Polifeprosan 20 mit Carmustin (Bis-Chlorethyl-Nitroso-Urea [BCNU]) (Gliadel): Ausweitung der Indikation auf Patienten mit bösartigem Gliom, die sich einer primären chirurgischen Resektion unterziehen
Temozolomid (Temodar): Behandlung von erwachsenen Patienten mit neu diagnostiziertem Glioblastoma multiforme gleichzeitig mit einer Strahlentherapie und anschließend als Erhaltungstherapie
Stufenadaptierte Therapie
Im Folgenden werden je nach Untergruppe, Stadium und Biomarker die verschiedenen Therapieoptionen dargestellt, die nach erfolgter adäquater chirurgischer Resektion sowie histologischer und molekularpathologischer Untersuchung des Tumorgewebes eingesetzt werden können:
Pilozytische Astrozytome (WHO-Grad 1)
Häufigste Gliome des WHO-Grads 1.
Wachsen umschrieben und zeigen molekulare Veränderungen im MAPK-Signalweg, die diagnostische und therapeutische Relevanz haben.
Primärtherapie: Vollständige Resektion, die oft zu einer Heilung führt. Tumore wie pilozytische Astrozytome und Subependymome profitieren von einer chirurgischen Entfernung.
Eine Strahlentherapie ist indiziert bei Fortschreiten der Erkrankung, Inoperabilität oder Teilresektion und sollte mittels Hochpräzisionsstrahlentherapie mit kleinen Sicherheitssäumen durchgeführt werden.
Oligodendrogliom (IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert)
WHO-Grad 2:
Beobachtung
Radiotherapie, davor/danach Chemotherapie nach PCV-Schema
Radiotherapie, danach Chemotherapie mit Temozolomid
Teilnahme an einer klinischen Studie
WHO-Grad 3:
Radiotherapie, davor/danach Chemotherapie nach PCV-Schema
Radiotherapie, danach Chemotherapie mit Temozolomid
Teilnahme an einer klinischen Studie
Astrozytom (IDH-mutiert)
WHO-Grad 2:
Beobachtung
Radiotherapie, danach Chemotherapie nach PCV-Schema
Radiotherapie, danach Chemotherapie mit Temozolomid
Teilnahme an einer klinischen Studie
WHO-Grad 3:
Radiotherapie, danach Chemotherapie mit Temozolomid (bis zu zwölf Zyklen)
Teilnahme an einer klinischen Studie
WHO-Grad 4:
Radiotherapie, danach Chemotherapie mit Temozolomid (bis zu zwölf Zyklen)
Radiotherapie mit gleichzeitiger Chemotherapie mit Temozolomid, gefolgt von Temozolomid für bis zu sechs Zyklen.
Teilnahme an einer klinischen Studie wird empfohlen, um neue Therapieansätze zu evaluieren.
Glioblastom (IDH-Wildtyp, WHO-Grad 4)
Bestrahlung und gleichzeitig Chemotherapie mit Temozolomid, danach Temozolomid für sechs Zyklen
Individuelle Anpassung der Therapie bei älteren Patienten
Teilnahme an einer klinischen Studie
Optionale Zusatztherapien:
Tumortherapiefelder (TTF)
Zusätzlich Lomustin bei jungen Patienten mit methyliertem MGMT-Promotor
Rezidivtherapie
Bei fortschreitendem Gliom sollte stets die Möglichkeit einer erneuten Operation oder Strahlentherapie überprüft werden. Bei einer Chemotherapie im Rezidiv sind Nitrosoharnstoffe (CCNU) oder Temozolomid die Mittel der ersten Wahl. Zielgerichtete Medikamente können ebenfalls in Betracht gezogen werden, vorzugsweise im Rahmen klinischer Studien.
Zudem kann die Kombination aus Bevacizumab und Lomustin die progressionsfreie Überlebenszeit verlängern, was jedoch keinen nachweisbaren Effekt auf das Gesamtüberleben zeigt. Für Patienten mit einem MGMT-Promotor-unmethylierten Glioblastom sollte sowohl in der Erst- als auch in der Rezidivtherapie eine erweiterte molekulare Diagnostik erwogen werden. So kann gegebenenfalls eine Teilnahme an klinischen Studien oder der Einsatz zielgerichteter Medikamente ermöglicht werden, die bereits bei anderen Tumoren zugelassen sind. Wächst das Glioblastom trotz laufender Behandlung weiter, sollte die tumorspezifische Therapie beendet werden.
Palliative Maßnahmen
In fortgeschrittenen Stadien von Gliomen steht die palliative Betreuung im Vordergrund, da spezifische Tumortherapien nicht mehr angezeigt sind. Palliativmedizinische Maßnahmen sollten frühzeitig im Krankheitsverlauf besprochen werden, um Orientierung und Beratung zu bieten. Im späteren Verlauf ist die Linderung von Symptomen und die Verbesserung der Lebensqualität zentral. Dazu gehören der gezielte Einsatz von Antiemetika, Kortikosteroiden und Antikonvulsiva sowie die Anpassung der Medikation bei Schluckstörungen, z. B. durch sublinguale oder rektale Verabreichung. Bei erhöhtem Hirndruck oder in der Endphase sind Opiate in ausreichender Dosierung und ggf. Sedativa zur Symptomlinderung indiziert, wobei der Fokus auf Schmerz- und Beschwerdefreiheit liegt.
Neben der medizinischen Versorgung ist eine umfassende psychosoziale Unterstützung essenziell. Dazu gehört die Organisation der häuslichen Pflege, Hilfsmittelversorgung und die Einbindung spezialisierter palliativmedizinischer Dienste, Pflegedienste oder Hospize. Bei Bedarf kann auch eine Betreuung auf einer Palliativstation oder in einem stationären Hospiz erfolgen.
Prävention
Bei Gliomen bestehet keine Empfehlung zur Früherkennung und Prävention.
Prognose
Die absolute 5-Jahres-Überlebensrate für die Gesamtgruppe (ICD-10: C70-C72) wird mit 19% (Männer) bzw. 21% (Frauen) angegeben, die relative 5-Jahres-Überlebensrate, welche die Sterblichkeit in der Allgemeinbevölkerung berücksichtigt, liegt bei 21% (Männer) bzw. 22% (Frauen). Die relative 10-Jahres-Überlebensrate liegt bei 15% (Männer) bzw. 19% (Frauen).
Das mittlere Überleben ist stark abhängig von den histomorphologischen Befunden (WHO-Grad) sowie dem Status molekularer Marker, wie dem IDH-Mutations- und dem MGMT -Methylierungsstatus.
Prophylaxe
Es gibt bei Gliomen keine anerkannten Vorbeugungs- oder Früherkennungsmaßnahmen.
Hinweise
ZNS-Tumoren im Kindes- und Jugendalter
Zu Leitsymptomen und Diagnostik der ZNS-Tumoren sowie zu Gliomen mit niedrigem Malignitätsgrad im Kindes- und Jugendalter liegen spezielle S1-Leitlinien vor [2, 3].
Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit hochmalignem Gliom erfolgt in aller Regel im Rahmen von Therapieoptimierungsstudien [5].
PDQ® Adult Treatment Editorial Board. PDQ Adult Central Nervous System Tumors Treatment. Bethesda, MD: National Cancer Institute. Aktualisierung 03.05.2019. Letzter Zugriff am 10.09.2019. [PMID: 26389419].
NIH: Brain Cancer: Informationen zu Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen.
Orphanet: Europäisches Portal für seltene Krankheiten und Orphan Drugs.
Wick W. et al., Gliome, S2k-Leitlinie, 2021, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 17.12.2024)