
In die Auswertung, die Dr. Anna Sällfors Holmqvist, Pädiaterin am Skane-Hospital der Universität von Lund in Schweden, anlässlich der 42. ASH-Jahrestagung 2020 vorstellte, wurden Patienten aus der Blood and Marrow Transplantation Survivor Study (BMTSS) einbezogen [1]. Die Patienten waren zwischen 1974 und 2014 im Alter von unter 22 Jahren wegen einer hämatologischen Erkrankung an drei US-amerikanischen Transplantationszentren einer allogenen Stammzelltransplantation (alloSCT) unterzogen worden. Voraussetzung für die Aufnahme in die aktuelle Auswertung zu Spätfolgen der alloSCT war, dass die Patienten nach dieser intensiven Therapie mindestens zwei Jahre überlebt hatten.
Erfassung der chronischen Spätfolgen
Die Stammzellempfänger füllten ebenso wie die Teilnehmer einer Kohorte von Geschwistern (oder bei Teilnehmern unter 18 Jahren deren Eltern) einen 255 Punkte umfassenden Fragebogen zu soziodemographischen Faktoren und der Gesundheit aus. Berichtete chronische Gesundheitsprobleme (engl. chronic health conditions, CHC) wurden nach den Kriterien für Nebenwirkungen in einen Schweregrad 1 (leicht) bis 5 (fatal) eingeteilt. Die Wissenschaftler berechneten dann die kumulative Inzidenz der CHC für Krebsüberlebende und Geschwister als Funktion des erreichten Alters. Das Risiko für Grad 3-4-CHC von Krebsüberlebenden im Vergleich zu Geschwistern schätzten die Wissenschaftler bereinigt um Effekte von Geschlecht, Alter, Ethnie, Bildung, Haushaltseinkommen und Krankenversicherungsstatus ab und untersuchten außerdem Prädiktoren für schwere oder fatale CHC nach alloSCT.
Charakteristika der alloSCT
Holmqvist präsentierte die Ergebnisse auf der Basis von 865 Empfängern einer alloSCT in der Kindheit, die mindestens zwei Jahre danach überlebt hatten. Das mediane Alter bei Transplantation betrug 10,6 Jahre. Die primäre Diagnose war am häufigsten eine akute lymphatische Leukämie (29%) gewesen gefolgt von einer akuten myeloischen Leukämie beziehungsweise einem Myelodysplastischen Syndrom (28%) sowie einer schweren aplastischen Anämie (11%). 54% der pädiatrischen Patienten hatten eine Stammzellspende eines verwandten, 46% eines nicht verwandten Spenders erhalten. Die Stammzellen waren zu 75% aus dem Knochenmark gewonnen worden, 13% aber auch aus Nabelschnurblut und 12% aus peripherem But. 73% der Patienten hatten eine myeloablative Konditionierung erhalten, 27% eine Konditionierung mit reduzierter Intensität.
Chronische Spätfolgen eher Regel als Ausnahme
Nach einer medianen Beobachtungszeit von 10,7 Jahren waren 285 der 865 Patienten bereits verstorben. Irgendeine CHC des Grads 1-5 wiesen mit 63,6% fast zwei Drittel der Patienten auf. Bei einem Drittel aller Patienten (33,2%) erreichten diese chronischen Gesundheitsprobleme einen Grad 3-5. Die kumulative Inzidenz dieser schweren bis fatalen chronischen Probleme nahm kontinuierlich zu. Für ein Alter von 35 Jahren errechneten die Forscher eine kumulative Inzidenz von 48,9% - jeder zweite Überlebende ist also im mittleren Lebensalter nach alloSCT in der Kindheit von CHC des Grads 3-5 betroffen.
Prädiktoren für schwere und lebensbedrohliche Spätfolgen
Neben dem Alter bei alloSCT waren weibliches Geschlecht, die Verwendung von peripheren Stammzellen, eine durchgeführte Ganzkörperbestrahlung sowie ein nicht verwandter Stammzellspender Prädiktoren für die Entwicklung einer CHC des Grads 3-5. Der Vergleich von 580 Stammzellempfängern und ihren Geschwistern belegte das deutlich erhöhte Risiko für CHC eindrucksvoll: Im Alter von 35 Jahren waren hier Überlebende nach alloSCT zu 49,1% von CHC des Grads 3-5 betroffen, die Geschwister nur zu 6,9%.
Viele Organsysteme betroffen
Das Risiko für CHC des Grads 3-4 war nach alloSCT gegenüber den Geschwistern um den Faktor 13,3 erhöht. Das Risiko für Katarakte lag sogar 40 Mal so hoch wie bei Geschwistern, das Diabetesrisiko 11,6 Mal so hoch und das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen 11,3 Mal so hoch. Auch für Knoten in der Schilddrüse, Gelenkersatz und sensineurale Erkrankungen bis hin zu Blindheit und Taubheit war die Wahrscheinlichkeit nach alloSCT deutlich erhöht. Gleiche mehrere solcher CHC wissen 41,9 Mal mehr Teilnehmer der alloSCT- als Teilnehmer der Geschwisterkohorte auf.
Fazit: Kontinuierliche Nachsorge nach alloSCT
Die vorgestellten Ergebnisse der BMTSS zeigen, dass eine risikobasierte Langzeitnachsorge nach alloSCT in der Kindheit notwendig ist, um CHC und relevante Risikofaktoren dafür frühzeitig zu erkennen, adäquat zu managen und so womöglich Todesfälle zu vermeiden.