ESMO 2022: Erste positive Phase-III-Studie zur Notch-Hemmung

Desmoid-Tumoren können lokal aggressiv und invasiv wachsen und entsprechend mit einer hohen Symptomlast einhergehen. Mit der auf dem ESMO Congress 2022 vorgestellten DeFi-Studie werden sie zur Modellerkrankung für die Notch-Signalweg-Hemmung.

Kongress Vortrag

Die Studie DeFi ist eine randomisiert-kontrollierte Phase-III-Studie, die bei einer seltenen Krebserkrankung wie den Desmoid-Tumoren nur durch eine breite internationale Zusammenarbeit möglich wurde. Gleichzeitig stellt sie die erste positive Phase-III-Studie mit einem γ-Sekretase-Hemmer überhaupt dar, betonte Professor Dr. Bernd Kasper vom Krebszentrum der Universitätsmedizin Mannheim [1].

γ-Sekretase-Hemmer blockieren den NOTCH-Signalweg, der bei Desmoid-Tumoren stark hochreguliert ist. Der in der Studie DeFi geprüfte orale selektive γ-Sekretase-Hemmer Nirogacestat hatte in Phase-I- und -II-Studien bereits eine Anti-Tumor-Aktivität gegen gezeigt.

Einschluss war mit und ohne Vortherapien möglich

Die Phase-III-Studie DeFi wurde doppelblind und placebokontrolliert durchgeführt. 142 Patientinnen und Patienten mit einem histologisch bestätigten Desmoid-Tumor und Progress nach RECIST-Kriterien nahmen teil. Ein kleinerer Teil war noch nicht vorbehandelt und wies eine nicht resektable Erkrankung auf, etwa drei Viertel litten unter einem therapierefraktären Tumor oder einem Rezidiv nach einer Therapie.

Die mediane Zahl von Vortherapien betrug 2 (maximal 19), je 61% der Patientinnen und Patienten hatte bereits eine systemische Therapie erhalten. Die Randomisierung erfolgte im Verhältnis 1:1 zu 28-tägigen Zyklen von Nirogacestat (150 mg; n=70) oder Placebo (n=72) jeweils zweimal täglich. Nach einem radiologischen Progress war für alle Patientinnen und Patienten eine weitere Nirogacestat-Therapie vorgesehen.

Primärer Endpunkt erreicht

Primärer Endpunkt der Studie war das progressionsfreie Überleben (engl. progression-free survival, PFS) nach einer verblindeten, zentralen Begutachtung. Nirogacestat reduzierte das Risiko für Progress oder Tod signifikant um 71% (Hazard Ratio [HR] 0,29; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,15–0,55; p<0,001). Der PFS-Median war mit dieser Therapie noch nicht erreicht und lag in der Placebo-Gruppe bei 15,1 Monaten. Der PFS-Vorteil war in allen vorher definierten Subgruppen ähnlich hoch, und ließ sich unabhängig von Geschlecht, Lokalisation des Tumors (intra-abdominell oder extra-abdominell) oder der Vortherapie belegen.

Ansprechrate deutlich verbessert

Während in der Placebo-Gruppe die objektive Ansprechrate bei 8% lag, betrug sie mit Nirogacestat-Therapie 41% (p<0,001). Auch 7% Komplettremissionen wurden mit dem γ-Sekretase-Hemmer berichtete. Die mediane Zeit bis zum Ansprechen auf diese Therapie lag bei 5,6 Monaten, die mediane Dauer des Ansprechens war noch nicht erreicht. Bei der Mehrzahl der Betroffenen in der Nirogacestat-Gruppe schrumpfte der Tumor deutlich.

Auf Durchfall, Nausea und Stomatitis achten

Die meisten unerwünschten Ereignisse (UE) erreichten unter Nirogacestat einen Grad 1 oder 2. Am häufigsten waren Diarrhö (84%), Nausea (54%), Fatigue (51%), Hypophosphatämie (42%) und Hautausschlag (32%). Bei 42% der so behandelten Patientinnen und Patienten musste die Dosis wegen behandlungsassoziierter UE reduziert, bei 20% auch abgebrochen werden.

Häufige Gründe für einen Abbruch der Studienmedikation waren Stomatitis, Diarrhö und Hautausschläge. Zwei Drittel der Studienpopulation war weiblich. Drei Viertel dieser Patientinnen entwickelte eine ovarielle Dysfunktion, die nach Absetzen der Medikation reversibel war und unter fortgesetzter Therapie bei 64% der Frauen wieder verschwand.

Lebensqualität und Symptomlast verbessert

Viele Betroffene mit Desmoid-Tumor leiden unter Schmerzen. In der Nirogacestat-Gruppe verminderte sich die höchste Schmerzintensität nach dem Instrument „Brief Pain Inventory-Short Form“ im Vergleich zum Ausgangswert und zu Placebo rasch signifikant und anhaltend. Ähnliches zeigte sich auch bei Auswertung des Desmoid-Tumor-spezifischen Scores GODDESS DTSS für die Gesamtsymptomschwere und die körperliche Funktion sowie in den EORTC-QLC-30-Scores für die körperliche Funktion, Rollenfunktion und den Allgemeinen Gesundheitszustand.

Klinische Relevanz

Desmoid-Tumoren sind schwierig zu behandeln, betonte Kasper, sie sind sehr heterogen und benötigen eine individualisierte Herangehensweise. Besonders wichtig ist die Reduktion der Symptomlast, betonte er. Die Ergebnisse der Studie DeFi rechtfertigen seiner Ansicht nach, Nirogacestat als mögliche neue Standardtherapie bei Desmoid-Tumoren anzusehen, wenn eine systemische Therapie benötigt wird.

Die Studie ist auf ClinicalTrials.gov unter der Nummer NCT03785964 registriert. Sie wurde von SpringWorks Therapeutics finanziert.

Autor:
Stand:
16.09.2022
Quelle:

Prof. Dr. Bernd Kasper: „DeFi: a phase 3, randomized controlled trial of nirogacestat versus placebo for progressing desmoid tumours (DT)“, ESMO Congress 2022, Abstract LBA2, Paris, 10. September 2022. DOI: 10.1016/j.annonc.2022.08.075

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