Klassifizierung atypischer EGFR-Mutationen bei Lungenkrebs

Das nationale Netzwerk Genomische Medizin in Deutschland schlägt nach Analyse der bislang größten untersuchten Kohorte von NSCLC-Tumoren vor, atypische EGFR-Mutationen nach deren Empfindlichkeit gegenüber Tyrosinkinase-Inhibitoren zu klassifizieren.

Lungenkrebs

Hintergrund

Die häufigsten klassischen Epidermal Growth Factor Receptor (EGFR)-Mutationen bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (non-small cell lung cancer [NSCLC]) sind L858R-Mutationen und Exon-19-Deletionen. Als Therapieoption werden dann EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) eingesetzt. Retrospektive Studien haben gezeigt, dass sich Kombinationen der klassischen EGFR-Mutationen mit anderen Ko-Mutationen, z. B. TP53-Mutationen, nachteilig auf das Behandlungsergebnis auswirken können. Atypische EGFR-Mutationen machen ca. 10-30 % der EGFR-mutierten NSCLC aus, wobei diese allein oder mit anderen EGFR-Mutationen (klassisch oder atypisch) auftreten können.

Klinische Daten aus prospektiven Studien zur Wirksamkeit von EGFR-TKI bei NSCLC- Patienten mit atypischen EGFR-Mutationen liegen kaum vor. Man weiß bislang nur, dass seltene, wiederkehrende EGFR-Mutationen (G719X, S768I, L861Q) auf EGFR-TKI ansprechen. Hingegen sind Exon-20-Insertionen häufig nicht sensitiv gegenüber EGFR-TKI sondern nur gegenüber Exon-20-Inhibitoren. Die klinische Datenlage von Patienten mit sehr seltenen Punkt- und Kombinationsmutationen nach systemischer Behandlung ist ebenfalls sehr spärlich.

Zielsetzung

Das nationale Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) in Deutschland setzte sich zum Ziel, die Häufigkeit von atypischen EGFR-Mutationen und Ko-Mutationen und das Ansprechen auf EGFR- TKI, Chemotherapie und Immun-Checkpoint-Inhibitoren in einem retrospektiven, multizentrischen Ansatz zu analysieren [1].

Methodik

In der Studie berücksichtigt wurden nicht-resezierbare NSCLC mit atypischen EGFR-Mutationen in den Exons 18 bis 21 einschließlich atypischer oder klassischer Ko-Mutationen. Bei den nachbeobachteten Patienten wurden Daten zum progressionsfreien Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) nach palliativer systemischer Behandlung mit EGFR-TKI, Chemo- und Immuntherapie erhoben. Diese wurden als wichtigste Hauptparameter analysiert, da die objektive Ansprechrate nur für eine Minderheit der Patienten verfügbar war. Ausgeschlossen wurden Patienten mit NSCLC-Tumoren mit klassischen EGFR-Mutationen (Exon-19 Deletionen und L858R-Mutationen).

Das Therapieansprechen wurde in drei gebildeten Gruppen analysiert. Gruppe 1 umfasste die seltenen Mutationen G719X, S7681, L861Q und Kombinationen hiervon, Gruppe 2 die Exon-20 Insertionen und Gruppe 3 die sehr seltenen EGFR-Mutationen (Einzelpunkt- aber auch kombinierte Mutationen, Exon-18-Deletionen und Exon-19-Insertionen).

Ergebnisse

Insgesamt konnten aus 12 Zentren 856 NSCLC-Patienten mit atypischen EGFR-Mutationen und gleichzeitig auftretenden Ko-Mutationen untersucht werden. Daten zur Nachbeobachtung lagen von 260 Patienten vor. Somit umfasst die Studie die größte Kohorte, von sehr seltenen EGFR- Einzelpunktmutationen und Ko-Mutationen, die mit verschiedenen systemischen Therapien behandelt und bislang analysiert wurde.

Auftreten verschiedener EGFR-Mutationen

Die größte Subgruppe der atypischen EGFR-Mutationen bildete die Gruppe 2 mit den Exon-20-Insertionen mit 227 Fällen (26,5%) und insgesamt 57 verschiedenen Exon-20-Insertionen. Die seltenen Punktmutationen waren mit 223 Fällen (26,1%) fast vergleichbar groß und dabei sehr heterogen, wobei circa die Hälfte der Mutationen nur einmal auftrat. Die größte Subgruppe der komplexen Mutationen in Gruppe 3 waren Kombinationen von sehr seltenen Punktmutationen mit klassischen EGFR-Mutationen (12,6%). Die Gesamtverteilung der verschiedenen EGFR-Mutationsarten war in dieser Kohorte mit denen in früheren Studien vergleichbar.

Patientencharakteristika der nachbeobachteten Patienten

Das mediane Alter der Patienten lag bei 64,4 Jahren. Mit EGFR-TKI wurden 95 Patienten behandelt, 123 Patienten mit Chemotherapie und 16 Patienten mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Die restlichen 26 der insgesamt 260 nachbeobachteten Patienten passten mit ihrem Therapieschema nicht in diese Kategorisierung und waren daher nicht auswertbar.

Wirksamkeit der untersuchten Therapieansätze

EGFR-TKI zeigten in Gruppe 1 eine höhere Wirksamkeit im Vergleich zur Chemotherapie, während die meisten Exon-20-Insertionen (Gruppe 2) nicht auf EGFR-TKI ansprachen. Weiterhin zeigte sich in Gruppe 3 eine Sensitivität gegenüber EGFR-TKI unabhängig von ihrem Kombinationspartner. Das Ansprechen der Krebstherapie bei den seltenen Punktmutationen in Gruppe 3 war sehr heterogen. Einen nicht-signifikanten Trend zu einer nachteiligen Auswirkung auf das Behandlungsergebnis zeigte sich beim gleichzeitigen Auftreten von TP-53 Mutationen bei EGFR-TKI behandelten Patienten der Gruppen 2 und 3, aber nicht bei Gruppe 1.

Fazit

Die Wirksamkeit der EGFR-TKI bei ungewöhnlichen EGFR-Mutationen beim NSCLC, die allgemein als TKI-sensitiv gelten, konnte in dieser Studie bestätigt werden. Weiterhin waren komplexe EGFR-Mutationen mit Exon-19-Deletionen oder L858R-Mutationen unabhängig von ihren Ko-Mutationen empfindlich gegenüber den EGFR-TKI. Die sehr seltenen Mutationen, die ca. 40 % der atypischen Mutationen ausmachen, zeigen eine große Heterogenität in Bezug auf ihre EGFR-TKI-Sensitivität. Ein nachteiliges Ergebnis kann bei NSCLC-Patienten mit sehr seltenen Mutationen und Exon-20 Insertionen, die mit EGFR-TKI behandelt werden, auftreten, wenn gleichzeitig eine TP53 Ko-Mutation mit auftrat.

Die Autoren stellten fest, dass die Kombination von In-silico- und In-vitro-Vorhersagen, die mit klinischen Daten validiert werden, der Weg in die Zukunft sein wird, um das Ansprechen auf gezielte Behandlungen für seltene Mutationen auch jenseits von EGFR vorherzusagen.

Autor:
Stand:
12.04.2022
Quelle:

Janning M. et al. (2022): Treatment outcome of atypical EGFR mutations in the German National Network Genomic Medicine Lung Cancer (nNGM). Annals of Oncology; DOI: https://doi.org/10.1016/j.annonc.2022.02.225

 

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