
Hintergrund
Krebstherapien haben sich über den Lauf der Zeit stets weiterentwickelt und damit die Prognose der Patienten verbessert. Viele Krebspatienten können aus medizinischer Sicht als „krankheitsfrei“ eingestuft werden, ihre Lebensqualität kann trotzdem beträchtlich beeinträchtigt sein. Dies ist meist neben den finanziellen und sozialen Aspekten auf körperliche und psychologische Symptome zurückzuführen.
Männer sind häufiger von Krebs im Vergleich zu Frauen von nicht-geschlechterbedingten Krebsarten betroffen, mit Ausnahme von Schilddrüsenkrebs. Die Ursache liegt in den Autosomen und Geschlechtschromosomen. Aber auch zirkulierende Hormone und ihre Rezeptoren, sowie die Immunfunktion und die Exposition gegenüber Risikofaktoren ist hierbei entscheidend. Hingegen ist nachgewiesen, dass Frauen ein 1,5-faches höheres Risiko für schwere Nebenwirkungen bis hin zum Tod aufweisen als Männer. Ebenfalls treten häufiger bei Frauen gastrointestinale und bei Männern dermatologische Symptome auf. Neben dem biologischen Geschlecht kann auch die Geschlechtsidentität Einfluss auf die Gesundheit der Krebspatienten haben. Jedoch wird in den meisten Studien nicht angegeben, ob das biologische Geschlecht oder die Geschlechtsidentität berücksichtigt wurde.
Zielsetzung
Das Studienziel war es herauszufinden, ob Geschlechtsunterschiede in der Prävalenz körperlicher und emotionaler Symptome sowie Funktionseinbußen bei Krebsüberlebenden im direkten Vergleich zu krebsfreien Personen desselben Geschlechts und Alters auftreten. Der Fokus wurde hierbei auf die langfristigen Auswirkungen, d.h. bis zu 10 Jahre nach der Krebserkrankung, gelegt.
Methodik
Die Analyse basiert auf Daten der laufenden PROFILES (Patient-Reported Out- comes Following Initial treatment and Long-term Evaluation of Survivorship) Kohortenstudie, die bereits im Jahre 2008 initiiert wurde. Sie basiert auf vier Kohorten, die ausschließlich nicht geschlechtsspezifische Krebsarten berücksichtigen. Hierzu zählen:
Darmkrebs, hämatologische Krebsarten, Basalzell- und Plattenepithelzellkarzinome und Schilddrüsenkrebs. Das Geschlecht wurde definiert in weiblich bzw. männlich und berücksichtigt nicht die Geschlechtsidentität. Die Untersuchung der Geschlechtsunterschiede basiert auf Patientenfragebögen. Für die körperliche Symptome und Funktionseinbußen wurde der EORTC QLQ-C30 Fragebogen und für emotionale Symptome der HADS (Hospital Anxiety and Depression) Fragebogen verwendet. Lineare Modelle wurden berechnet, um die Unterschiede in den Symptomen und der Funktionsfähigkeit zwischen weiblichen und männlichen Krebsüberlebenden sowie zwischen den Überlebenden und einer vergleichbaren krebsfreien Referenzpopulation zu bewerten.
Ergebnisse
Die Analyse schloss Daten von insgesamt 5.339 Krebsüberlebenden ein. Hiervon waren 2.926 Patienten männlichen Geschlechts (55%). Die vier Kohorten setzen sich wie folgt zusammen. 2.593 Patienten (männlich 55%) hatten Darmkrebs. Eine hämatologische Krebsart hatten 1.751 Patienten (61% männlich), Basalzell- und Plattenepithelzellkarzinome wurden bei 691 Patienten diagnostiziert (51% männlich) und Schilddrüsenkrebs bei 304 Patienten (25% männlich).
Aufgetretene Symptomatik zwischen den Geschlechtern
Der direkte Vergleich zwischen den Geschlechtern bei den Krebsüberlebenden zeigte konsistent in den Kohorten, dass Frauen im Mittel signifikant häufiger an Übelkeit und Erbrechen (5,0 vs. 3,2), Schlaflosigkeit (26,1 vs. 15,9), Angstzustände (5,2 vs. 4,2) und geringerer körperlicher Leistungsfähigkeit (83,4 vs. 86,3) als auch emotionaler Leistungsfähigkeit (83,4 vs. 86,3) litten als Männer.
Aufgetretene Symptomatik zur altersgleichen, krebsfreien Referenzpopulation
Hier zeigte sich entgegen der Analyse zwischen den Geschlechtern, dass bei Männern häufiger klinisch relevante Symptome wie Müdigkeit, Atemnot, Angst und Depressionen auftraten. Auch im Bereich der Funktionseinbußen zeigten sich geschlechtsspezifische Unterschiede zur Referenzpopulation. So hatten weibliche Krebsüberlebende häufiger einen Nettoverlust an körperlichen und kognitiven Funktionen (-6,1; 95%-KI: -8,1 bis -4,1 bzw. -5,2; 95%-KI: -7,0 bis -3,5) während männliche Krebsüberlebende einen signifikanten Nettoverlust an Rollen- und sozialen Funktionen aufwiesen (-9,9; 95%-KI: -11,2 bis -8,6) bzw. -7,7; 95%-KI: -9,6 bis -7,6).
Fazit
Dies ist die erste Studie, die geschlechterspezifische Unterschiede in Bezug auf langfristige Symptome und körperliche, geistige und funktionelle Leistungseinbußen bei Krebsüberlebenden untersuchte. Sie zeigt, dass Frauen nach ihrer Krebserkrankung häufiger über körperliche und kognitive Einschränkungen berichten, während Männer meist Verluste in ihren sozialen Rollenfunktionen beklagten. Daher sollten die Situation der Krebsüberlebenden geschlechterspezifisch weiter erforscht werden. Möglicherweise wird dann eine Beratung und Betreuung der Langzeit-Krebsüberlebenden getrennt nach Geschlecht bzw. nach Geschlechtsidentität erforderlich.