
Zielsetzung und Fragestellung
Das follikuläre Lymphom (FL) gehört zu der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome, die maligne Erkrankungen des Lymphsystems umfasst. Das FL ist nach den diffus großzelligen B-Zell-Lymphomen die häufigste bösartige Neubildung aus dem Bereich der malignen Lymphome in den Ländern der westlichen Welt. Die Inzidenz beträgt zwischen 15 und 20 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr und hat in den letzten Jahren zugenommen. Laut Robert Koch-Institut erkranken in Deutschland jährlich 3.100 Patient/Innen an einem FL.
Frauen erkranken etwas häufiger als Männer. Die Erkrankung tritt vor allem im höheren Lebensalter auf (Durchschnittsalter bei Diagnosestellung >60 Jahre) und ist durch ein individuell sehr heterogenes klinisches Erscheinungsbild und eine stark variierende Prognose gekennzeichnet.
Folgende Fragestellungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des FL werden kontrovers diskutiert und unterschiedlich in der Patientenversorgung umgesetzt:
- Einsatz und Umfang der Strahlentherapie
- Indikation zur Erstlinientherapie
- Wahl der Erstlinientherapie
- Wahl der Rezidivtherapie
- Stellenwert der autologen Transplantation
- Therapie der malignen Transformation in ein hochmalignes Lymphom
- Therapie von FL Grad IIIb
- Zeitplan und Umfang der Nachsorge
Mit der Beantwortung von Fragen zu diesen Themen möchten die Autoren der neuen S3-Leitlinie richtungsweisende Standards etablieren. Die Qualität der Versorgung soll verbessert werden. Zudem kann die Berücksichtigung der Empfehlungen zu einer Effizienzsteigerung und damit zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beitragen.
An der Entwicklung der Leitlinie waren insgesamt 64 ehrenamtlich arbeitende Fachexpert/Innen von 21 Fachgesellschaften und Organisationen beteiligt.
Empfehlungen für das frühe Erkrankungsstadium
Die neuen Leitlinienempfehlungen sehen vor, in einem frühen Erkrankungsstadium eine Bestrahlung in Kombination mit einer Systemtherapie durchzuführen. „Bei einer begrenzten Strahlentherapie können Rezidive außerhalb des Bestrahlungsgebietes auftreten. Aus diesem Grund kann eine zusätzliche Behandlung mit einer Immuntherapie in Form einer begleitenden Antikörperbehandlung angebracht sein“, so der Koordinator der Leitlinie, Prof. Dr. Wolfgang Hiddemann vom Klinikum der Universität München.
Empfehlungen für das fortgeschrittene Erkrankungsstadium
Hier ist das Behandlungsziel, krankheitsbedingte Symptome zu lindern, sowie das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben zu verlängern. Die Wahl der Therapie hängt stark von der Symptomatik, dem klinischen Verlauf und der Tumorlast ab.
„Bei symptomfreien Patientinnen und Patienten in fortgeschrittenen Stadien soll ein Watch-and-Wait-Ansatz verfolgt werden, also ein abwartendes Beobachten“, so Hiddemann. „Studien haben gezeigt, dass Betroffene, bei denen dieser Ansatz verfolgt wird, keinen Nachteil gegenüber einer sofortigen Einleitung einer Therapie haben.“
Patient/Innen mit hoher Tumorlast, die unter Symptomen leiden, sollen mit einer Kombination aus Chemo- und Antikörpertherapie behandelt werden, sofern sie keine Behandlungseinschränkungen haben. Beim Ansprechen auf diese Therapien soll eine zweijährige Erhaltungstherapie mit einem Anti-CD20-Antikörper durchgeführt werden.
Vorgehen beim Rezidiv
Auch die Therapieauswahl bei einem Rezidiv richtet sich nach individuellen Parametern, beispielsweise nach Vortherapie, Zeitpunkt des Rezidivs, klinischer Symptomatik, Alter, Komorbidität und Patientenwunsch. „Für viele Patientinnen und Patienten kann eine Wiederholung der Therapie mit Antikörpern oder in Kombination mit einer Chemotherapie infrage kommen, dabei ist es wichtig, Toxizitäten zu vermeiden“, so Hiddemann.
Wenn die Therapie jedoch nicht anspricht und Transplantationsverfahren nicht zur Verfügung stehen, können auch innovative Therapieverfahren zum Einsatz kommen. „Allerdings sollten diese Therapien unbedingt im Rahmen klinischer Studien stattfinden, da der Stellenwert dieser Therapien zum Teil noch nicht vollständig geklärt ist.“