Das follikuläre Lymphom ist niedrig maligne. Es zählt gesamt betrachtet zu den niedrig malignen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen. In vielen Fällen lässt es sich gut behandeln.
Das follikuläre Lymphom zählt gesamt betrachtet zu den niedrig malignen B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen. Die Grade 1 bis 3A sind klassifiziert als indolente Lymphome, ab Grad 3B spricht man von einem aggressiven Lymphom (unter indolent ist hier nicht nur schmerzfrei gemeint, sondern auch langsam wachsend). Wie andere Lymphome auch, geht das follikuläre Lymphom vom lymphatischen Gewebe aus, genauer den B-Zellen. Klassifiziert wird es anhand von morphologischen und immunhistochemischen Kriterien.
Epidemiologie
Unter den indolenten Non-Hodkgin-Lymphomen gehört das follikuläre Lymphom zu den häufigsten. Mit 20-35% aller Patienten mit neu diagnostiziertem Non-Hodgkin-Lymphom kommt es direkt nach dem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL) auf der Häufigkeitsskala. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr. Betroffen sind generell eher ältere Patienten, die bereits das 40. Lebensjahr überschritten haben. Männer und Frauen sind gleichhäufig betroffen. Die Inzidenz liegt bei ca. 5 - 7 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohnern und Jahr.
Ursachen
Wie auch bei anderen Typen der Non-Hodkgin-Lymphome ist die genaue Ursache des follikulären Lymphoms unklar. Ein Risikofaktor scheint das Alter zu sein: Menschen älter als 60 Jahre sind häufiger von Lymphomen betroffen als jüngere. Auch eine Belastung mit Benzol kann laut epidemiologischen Studien das Risiko erhöhen, an einem follikulären Lymphom zu erkranken. Deshalb zählt ein durch berufliche Exposition mit Benzol ausgelöstes follikuläres Lymphom in Deutschland zu den Berufskrankheiten und wird unter der Nummer 1.318 geführt. Ebenso deuten Studien darauf hin, dass eine berufliche Belastung mit Pestiziden, Rauchen und Passivrauchen Risikofaktoren für ein follikuläres Lymphom darstellen.
Das follikuläre Lymphome hat bei etwa 90% der Patienten vermutlich seinen Ursprung in einer Translokation zwischen dem Immunglobulin-Schwerketten-Gen auf Chromosom 14 und dem bcl-2 Gen auf Chromosom 18, kurz t(14;18)(q32;q21). Dadurch wird das intakte bcl-2 Gen dauerhaft aktiviert.
Normalerweise spielt dieses Protein eine wichtige Rolle dabei, fehlerhafte oder überalterte Zellen in die Apoptose zu treiben. Wird es aber überexpremiert, hemmt es als anti-apoptotisches Genprodukt den selbst induzierten Zelltod. Nun überleben diese Zellen deutlich länger und sammeln sich nach und nach vor allem im lymphatischen Gewebe an. In der Folge entstehen Tumore. Während die 90% Nachweisraten der Translokation bei follikulären Lymphomen vor allem auf Grad 1 und Grad 2 zutreffen, sinkt die Translokationsrate bei Grad 3A auf 60% und bei Grad 3B auf gerade einmal 10%.
Die Mehrheit dieser bekannten Translokationen - etwa 70% - sind in der Major Breakpoint Region (MBR) des bcl-2 Lokus und nur 10-15% in der minor breakpoint region (mbr). All diese Translokationen sind charakteristisch für das follikuläre Lymphom. Sie kommen aber auch in niedriger Frequenz bei ansonsten gesunden Menschen im Knochenmark und dem lymphatischen Gewebe vor. Sie sind also nicht spezifisch für das follikuläre Lymphom und bedeuten nicht automatisch, dass ein Patient ein follikuläres Lymphom hat, wenn sie bei einem symptomlosen und ansonsten gesunden Patienten gefunden werden.
Symptome
Wie auch viele andere Lymphome ist das follikuläre Lymphom zu Beginn häufig asymptomatisch. Als erstes Symptom kann eine meist schmerzlose und nur langsam fortschreitende Lymphadenopathie auftreten. Sie äußert sich durch neu aufgetretene Lymphknotenvergrößerungen. Auch eine B-Symptomatik mit Allgemeinsymptomen wie Fieber, Nachtschweiß und ungewolltem bzw. unerklärlichem Gewichtsverlust von mindestens 10% des Körpergewichts innerhalb der letzten sechs Monate werden von Patienten berichtet.
Im Verlauf der Erkrankung kommt es in vielen Fällen zu einer Unterdrückung der Zellneubildung im Knochenmark und damit der Hämatopoese. Symptomatisch äußert sich diese durch eine mit Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Leistungsminderung einhergehende Anämie. Dies ist vor allem bei einer Knochenmarksinfiltration der Fall. Auch die Milz kann betroffen sein, was sich durch eine Vergrößerung, eine Splenomegalie, zeigt.
In seltenen Fällen sinkt die Thrombozytenzahl im Blut aufgrund der Knochenmarksinfiltration. Es entsteht eine Thrombozytopenie. ist Die Thrombozytopenie ist zwar eine seltene Komplikation doch ist sie eine Therapieindikation. Sie kann vor allem mit Blutungen einhergehen und für den Patienten lebensbedrohlich werden.
Wie andere Lymphome kann auch das follikuläre Lymphom andere Gewebe und Organe infiltrieren. Das Symptombild verändert sich dann entsprechend der Komplikationen in diesen Organen. Klassische Beispiele sind der HNO-Bereich und der Gastrointestinaltrakt. Dort kann es, je nach Lokalisation, beispielsweise zu Schluckbeschwerden kommen. Selten sind ossäre Destruktionen, Haut- oder ZNS-Befall.
Diagnostik
Erste Anhaltspunkte für ein follikuläres Lymphom können die Anamnese und die körperliche Untersuchung bieten. Dabei sollte ein vollständiger Lymphknotenstatus erhoben werden, inklusive des Waldeyerschen Rachenrings. Dies beinhaltet auch Lymphknoten in Regionen, die auf den ersten Blick nicht betroffen erscheinen. Auch Milz- und Lebergröße sollten per Palpation evaluiert werden.
Im Gegensatz zu manch anderen Lymphomarten wachsen Lymphknoten bei vielen niedrig malignen Non-Hodgkin-Lymphomen wie dem follikulären Lymphom eher langsam, sodass die vergrößerten Lymphknoten den Patienten häufig gar nicht oder erst sehr spät auffallen. Trotzdem sollte vom Patienten erfragt werden, wie die Dynamik des Lymphknotenwachstums ist und wie schnell der Lymphknoten sich vergrößert hat. Abschließend darf in jeder Anamnese bei möglichem Malignomverdacht die B-Symptomatik nicht vergessen werden: Bestehen Fieber, Nachtschweiß und ein ungewöhnlicher, ungewollter oder unerklärlicher Gewichtsverlust von mindestens 10% des Körpergewichts innerhalb der letzten sechs Monate, ist dies eine Indiz für eine mögliche Krebserkrankung.
Erhärtet sich der Verdacht auf ein Lymphom, sollte der verdächtige Lymphknoten operativ entfernt und histologisch untersucht werden. Ist dies nicht möglich, weil der Lymphknoten beispielsweise schlecht zugänglich oder der Patient zu diesem Zeitpunkt nicht fit genug für einen Eingriff ist, kann auch eine Lymphknotenbiopsie mittels Lymphknotenstanze versucht werden. Dort kann allerdings, wenn überhaupt möglich, nur ein weniger zuverlässiges histologisches Grading erfolgen, als es bei einer Lymphknotenexstirpation möglich wäre. Ein in einem anderen Bereich des Lymphknotens zu findendes diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom könnte dabei unter Umständen übersehen werden, da diese Region schlicht nicht biopsiert wurde. Eine Feinnadelpunktion ist deshalb nicht zielführend und die vollständige Entfernung und Einsendung eines ganzen Lymphknotens gilt als Goldstandard.
In der Histopathologie zeigen sich bei einem follikulären Lymphom dann im Lymphknoten große follikuläre Strukturen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit normalen Keimzentren aufweisen. Ihre Begrenzung zur Umgebung ist aber unscharf. Charakteristisch sind unreife Zentroblasten und Zentrozyten im Lymphknotenpräparat. Neben follikulärem Wachstum finden sich im Präparat Regionen mit diffusen Strukturen.
Labor
Bei Verdacht auf ein Lymphom oder zum Ausschluss eines Lymphoms sollten umfangreiche Laboruntersuchungen stattfinden. Dazu wird angefordert:
Leukozyten mit Differenzialblutbild in der mikroskopischen Differenzierung
Schwangerschaftstest vor Immunchemotherapie oder Bestrahlung bei Frauen im gebärfähigen Alter
bei leukämischem Verlauf: Oberflächenmarker durch multiparametrische Immunphänotypisierung
Ist das Knochenmark bereits vom follikulären Lymphom infiltriert worden, zeigen sich anämiespezifische Werte sowie eine Thrombozytopenie und eine Granulozytopenie. Eine Lymphozytose tritt auf, wenn kranke Zellen bereits aus dem Knochenmark in das periphere Blut ausgeschwemmt wurden. Ist die LDH erhöht, kann dies für ein rasches Lymphomwachstum sprechen und geht häufig mit einer schlechteren Prognose einher.
Als ergänzende Laboruntersuchungen können zusätzlich seltene Autoimmunphänomene wie eine autoimmunhämolytische Anämie, kurz AIHA, abgeklärt werden. Ebenso sollte mit dem Patienten über fertilitätserhaltende Maßnahmen gesprochen werden und in dem Kontext unter Umständen die Gonadenfunktion bestimmt werden.
Neben dem Blut kann auch das Knochenmark zur Diagnostik untersucht werden. Wurde die Diagnose bereits durch beispielsweise Lymphommanifestationen in fortgeschrittenem Stadium gesichert, ist eine Knochenmarkentnahme jedoch für die Diagnosebestätigung nicht notwendig. In dem Fall kann per „watch and wait“ abgewartet und die Knochenmarkpunktion gegebenenfalls später nachgeholt werden. Sollte sie jedoch zur Diagnosesicherung notwendig sein, werden eine Knochenmarkzytologie und eine Knochenmarkhistologie durchgeführt. In einigen Fällen kann sie auch im Rahmen der Ausbreitungsdiagnostik notwendig werden.
Bei weiterhin unklarem Befund kann zusätzlich eine Zytogenetik mittels FISH oder PCR angefordert werden. Dabei wird gezielt nach einer möglichen Translokation t(14;18) gesucht, um das follikuläre Lymphom von anderen indolenten Non-Hodgkin-Lymphomen abzugrenzen. Auch eine Durchflusszytometrie (FACS-Analyse) kann ergänzend sinnvoll sein, ist zur Diagnosestellung jedoch nicht zwingend notwendig. Bei der FACS-Analyse wird auf die Marker CD19+, CD20+, CD10+, CD22+, CD23+ und CD5- hin untersucht. CD10+ ist dabei besonders hilfreich, um das follikuläre Lymphom von anderen Non-Hodgkin-Lymphomen abzugrenzen.
Bildgebung
Nach initialer Diagnosestellung sollte untersucht werden, wie weit das Lymphom sich bereits im Körper ausgebreitet hat. Dafür werden Übersichtsaufnahmen von Hals, Thorax und Abdomen erstellt. In den meisten Fällen geschieht dies mittels Computertomographie (CT) mit Kontrastmittel. In einigen Fachtexten wird auch die Positronen-Emissionstomographie (PET) empfohlen, um in den lokalisierten Stadien I und II zu evaluieren, wie stark das Lymphom lokal bereits gestreut hat. Die PET wird in Deutschland (Stand: Januar 2021) jedoch meist nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Soll sie zur Ausbreitungsdiagnostik, und damit für das Staging, eingesetzt werden, sollte vorab eine Kostenübernahmeerklärung der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse eingeholt werden.
Ergänzend werden, bevor die Therapie begonnen wird, noch die Lungen-, Herz - mittels EKG und Herz-Echo - und die Nierenfunktion des Patienten bestimmt. So können die Patienten herausgefiltert werden, die ein höheres Risiko haben, Akut- und/oder Spätkomplikationen zu entwickeln. In diesem Rahmen sollte auch das Thema „Familienplanung“ mit den Patienten besprochen werden und bei bestehendem Kinderwunsch fertilitätserhaltende Maßnahmen angeboten werden. Diese müssen zwingend vor der Therapie begonnen werden.
Klassifikation
Klassifiziert wird das follikuläre Lymphom gemäß der WHO-Klassifikation in die Grade 1 bis 3A für die indolenten Lymphome und 3B für aggressive Lymphome. Die Klassifikation richtet sich nach der Anzahl der Zentroblasten pro High Power Field (HPF) in der Histologie.
Grad 1: 0 - 5 Zentroblasten pro HPF
Grad 2: 6 - 15 Zentroblasten pro HPF
Grad 3: mehr als 15 Zentroblasten pro HPF mit
Grad 3A: Zentrozyten neben Zentroblasten nachweisbar
Grad 3B: Keine Zentrozyten auffindbar
Wechselt ein follikuläres Lymphom im Laufe der Zeit von einem Grad 1 - 3A zu einem Grad 3B - einem aggressiven Lymphom - so wird es als transformiertes follikuläres Lymphom bezeichnet.
Mit den letzten Änderungen der WHO-Klassifikation wurden auch neue Subentitäten eingeführt. Dazu zählen die in-situ follikuläre Neoplasie, das follikuläre Lymphom vom Duodenaltyp und das follikuläre Lymphom vom pädiatrischen Typ. Diese drei Subentitäten gelten nun als eigene Erkrankungen und werden als Differenzialdiagnosen zum follikulären Lymphom betrachtet.
Die Stadieneinteilung erfolgt gemäß der Ann-Arbor-Klassifikation bzw. der WHO-Klassifikation. Eingeteilt wird in vier Stadien anhand der betroffenen Regionen.
Ergänzt wird das Stadium durch das Vorhandensein oder die Abwesenheit einer B-Symptomatik mit:
nicht erklärbarem Fieber über 38°C
nicht erklärbarem Nachtschweiß
nicht erklärbarem Gewichtsverlust von mehr als 10% des Körpergewichts innerhalb der letzten 6 Monate
Angegeben wird es durch die Buchstaben „A“ oder „B“, wobei „A“ für das Fehlen einer B-Symptomatik und „B“ für eine vorhandene B-Symptomatik stehen.
Stadium
Kriterien
I
Befall einer einzigen Lymphknotenregion (I/N) oder Vorliegen eines einzigen, lokalisierten extranodalen Herdes (I/E)
II
Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (II/N) oder Vorliegen eines extranodalen Herdes (II/E) und Befall einer oder mehrerer Lymphknotenregionen auf einer Seite des Zwerchfells (II/N/E)
III
Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen auf beiden Seiten des Zwerchfells (III/N) oder Befall von lokalisierten extranodalen Herden und Lymphknotenbefall, so dass ein Befall auf beiden Seiten des Zwerchfells vorliegt (III/E oder III/N/E)
IV
disseminierter Befall eines oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Befall von Lymphknoten
Anmerkung: Unter dem lymphatischen Gewebe werden hier Lymphknoten, Milz, Thymus, Waldeyerscher Rachenring und Appendix zusammengefasst.
Differenzialdiagnosen
Da die Symptomatik des follikulären Lymphoms nicht einzigartig ist, gibt es, wie bei den meisten anderen Non-Hodgkin-Lymphomen auch, einige Differenzialdiagnosen, die ebenfalls ähnliche Symptome hervorrufen können. Erst die histologische Sicherung bringt die eindeutige Diagnose.
Zu den Differenzialdiagnosen zählen:
bakterielle und viral bedingte entzündliche Lymphknotenvergrößerungen
Die Therapie des follikulären Lymphoms richtet sich nach dem Grad der Erkrankung. Lymphome vom Grad 3B werden meist behandelt wie das diffus großzellige B-Zell-Lymphom . Im Idealfall sollten alle follikulären Lymphome im Rahmen von klinischen Studien in erfahrenen Zentren behandelt werden. Behandelt wird mit einer Strahlentherapie und/oder einer Chemotherapie.
Stadium I und II
Stadium I ist das einzige Stadium mit einer eindeutigen kurativen Therapieintention. Bestehen keine Risikofaktoren, kann hier mittels Involved-Field-Strahlentherapie (IF-RT) mit einer Gesamtdosis von 24-30 Gy die Krankheit zurückgedrängt und möglicherweise sogar geheilt werden: 85% der Patienten in diesem Stadium sind auch nach 10 Jahren noch krankheitsfrei. Patienten mit Risikofaktoren, die wahrscheinlich nicht für eine Strahlentherapie infrage kommen, können zunächst alternativ auch nach dem Motto „watch and wait“ beobachtet werden. Bei zu erwartenden (schweren) Nebenwirkungen kann sich diese Therapiestrategie als sinnvoll erweisen. Auch für andere Patienten kann diese Strategie in Frage kommen, wenn bisher keine Therapieindikation nach den Kriterien der GELF (Groupe D’Etude des Lymphomes Folliculaires) besteht. Spätestens wenn eine Therapieindikation entsteht, sollte die Situation aber reevaluiert werden. Je nach Stadium kann dann eine Chemoimmuntherapie notwendig werden. Zu den GELF-Kriterien gehört:
jede nodale oder extranodale Tumormasse > 7 cm im Durchmesser
≥ 3 LK-Manifestationen jeweils > 3 cm
B-Symptome oder symptomatische Lymphommanifestationen einschließlich Organkompression
Splenomegalie > Bauchnabelniveau
Pleuraerguss oder Aszites (unabhängig vom Zellinhalt)
Eine weitere Therapieoption in Stadium I ist auch eine Antikörpertherapie mit Rituximab. Im Stadium II besteht zusätzlich noch die Option einer Induktionschemotherapie. Auch Kombinationen aus einer Strahlentherapie und Rituximabgabe werden beschrieben. Hier sollen besonders die Rezidivraten niedrig sein. Allerdings gilt diese Aussage als (noch) nicht gesichert, da ausreichend randomisierte Studien fehlen.
Stadium III und IV
In der Mehrzahl der Fälle, bei etwa 80%, wird das follikuläre Lymphom erst im Stadium III oder IV diagnostiziert. Sind bisher keine krankheitsassoziierten Symptome aufgetreten wie beispielsweise B-Symptomatik, hämatopoetische Insuffizienz, rasche Lymphomprogression oder Organkompression, kann auch hier zunächst eine „watch and wait“-Strategie eingesetzt werden. Hier kann sich ebenfalls an den GELF-Kriterien orientiert werden. Bisher hat eine frühe Chemotherapie keinen Erfolg gegenüber der „watch and wait“-Strategie mit einem Therapiebeginn sobald krankheitsassoziierte Symptome auftreten, ergeben.
Induktionstherapie
Wird eine Chemotherapie notwendig, folgt sie dem Prinzip aus Erstlinientherapie als Induktions-, Konsolidierungs- oder Erhaltungs- und Rezidivtherapie. Für die Erstlinientherapie stehen verschiedene Therapieprotokolle zur Verfügung. Am häufigsten werden entweder das R-CHOP-Schema oder das Obi-CHOP-Schema angewendet. R-CHOP steht hier für Rituximab plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon, Obi-CHOP für Obinutuzumab plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednisolon.
Statt der CHOP-Komponente können die beiden CD20-Antikörper Rituximab und Obinutuzumab auch mit Bendamustin (B) kombiniert werden. Besonders für ältere Patienten ist Bendamustin verträglicher als die Kombination aus dem CHOP-Protokoll bei guter Wirksamkeit. Ein Nachteil sind jedoch häufigere opportunistische Infektionen bei dieser Kombination. Deshalb sind während und nach der Therapie eine antibakterielle und eine antivirale Prophylaxe notwendig. Zusätzlich sollten die CD4-Lymphozyten aus diesem Grund in dieser Zeit überwacht werden.
Ebenso,vor allem für ältere Patienten geeignet, ist die Kombination aus R-CVP oder Obi-CVP mit der Kombination aus Cyclophosphamid, Vincristin und Prednison/Prednisolon und dem CD20-Antikörper.
Haben Patienten nur wenige Tumoren bzw. Tumorgewebe oder tolerieren keine Chemotherapie, kann auch eine alleinige Therapie mit Rituximab, eine sogenannte Antikörpermonotherapie, in Betracht gezogen werden. Eine orale Chemotherapie mit beispielsweise Chlorambucil wäre ebenfalls für ältere oder medizinisch nicht fitte Patienten eine Option.
Konsolidierungs- oder Erhaltungstherapie
Zeigt die Induktionstherapie den gewünschten Erfolg, wird häufig eine Erhaltungstherapie direkt angeschlossen, da sie laut Leitlinie Vorteile für den Patienten hat. Für die Erhaltungstherapie können entweder Rituximab mit einer Gabe alle acht Wochen über einen Zeitraum von zwei Jahren oder Obinutuzumab eingesetzt werden. Welcher CD20-Antikörper gewählt wird, hängt davon ab, welche Induktionstherapie der Patient erhalten hat. Eine Induktionstherapie mit Obinutuzumab plus Chemotherapie wird in der Regel gefolgt von einer Obinutuzumab-Erhaltungstherapie und bei Rituximab das Gleiche. Beides führt zu einem längeren progressionsfreien Überleben, wobei Obinutuzumab Rituximab hier überlegen ist.
Wurde sich in der Induktionstherapie für eine Monotherapie mit Rituximab entschieden und hat der Patient nur eine geringe Tumorlast, wird statt einer Erhaltungstherapie abgewartet und erst bei einem Rezidiv erneut mit Rituximab therapiert.
Rezidiv
Pro Jahr wechseln etwa 3% der rezidivierenden follikulären Lymphome ihren Status von einem indolenten Lymphom in ein aggressives Lymphom. Diese sekundäre Transformation sollte, tritt ein Rezidiv auf, zunächst ausgeschlossen werden, da die Therapie eines aggressiven Lymphoms sich von der eines Lymphoms der Grade 1 bis 3A unterscheidet. Hierfür kann mittels PET-Scan der Lymphknoten bestimmt werden, welcher am meisten anreichert. Dieser Lymphknoten wird chirurgisch entfernt oder biopsiert und histologisch untersucht. Liegt ein aggressives Lymphom vor, wird die Therapie an die für aggressive Lymphome wie beispielsweise das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom angepasst.
Liegt kein sekundär transformiertes aggressives Lymphom vor, gilt wie bei der Erstlinientherapie: erst wenn krankheitsassoziierte Symptome auftreten, besteht eine Therapieindikation. Auch hier kann sich wieder an den GELF-Kriterien orientiert werden.
Erfüllt der Patient bereits eine der GELF-Kriterien oder zeigt andere krankheitsassoziierte Symptome, so dass eine Therapie eingeleitet werden sollte, verläuft diese ähnlich der Erstlinientherapie. Begonnen wird mit einer Induktionstherapie. Die Wahl der Therapie richtet sich dabei nach der Therapie, die bei der Erstlinientherapie gegeben wurde. Tritt das Rezidiv erst mehr als zwei Jahre nach der Erstlinientherapie auf, kann die initiale Therapie wiederholt werden. Die Therapie kann jedoch auch gewechselt werden. Wurde die Erstlinientherapie mit R-CHOP durchgeführt, kann das Rezidiv mit B-R behandelt werden und umgekehrt. Kehrt das Lymphom bereits weniger als sechs Monate nach der letzten Rituximab-/Chemotherapiedosis der initialen Therapie zurück, kann auch eine Therapie mit Obinutuzumab/Bendamustin, gefolgt von einer Obinutuzumab-Erhaltungstherapie eingesetzt werden.
Eine weitere Therapieoption ist die Kombination von Lenalidomid mit Rituximab. Sie wird meist angewendet, wenn ein Patient nach einer oder mehreren Vortherapien ein Rezidiv entwickelt oder das Lymphom refraktär wird. Waren beide vorherigen Behandlungen erfolglos, besteht noch die Option, mit dem PI3K-Inhibitor Idelalisib eine Monotherapie zu versuchen. Hier muss jedoch eine Prophylaxe vor opportunistischen Infektionen erfolgen.
War die Rezidivtherapie erfolgreich, wird häufig eine Konsolidierungs- oder Erhaltungstherapie angeschlossen, um den Therapieerfolg zu sichern und die Rezidivrate niedrig zu halten. Hierfür sind verschiedene Optionen verfügbar, abhängig vom jeweiligen Patienten und der bisherigen Behandlung:
Jüngere Patienten und solche mit einem frühen Rezidiv innerhalb der ersten zwei Jahre profitieren von einer myeloablativen Hochdosistherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation.
Sprachen Patienten auf eine Re-Induktionstherapie mit Rituximab an, kann dieses bei den Patienten auch zur Erhaltungstherapie eingesetzt werden.
Von einer Radioimmuntherapie mit Yttrium-90-Ibritumomab-Tiuxetan können vor allem Patienten mit Rezidiv bei Rituximab-Erhaltungstherapie profitieren.
Allogene Stammzelltransplantationen sind vorrangig für jüngere Patienten mit gutem Allgemeinzustand und Rezivi nach autologer Stammzelltransplantation eine Option. Diese sollte aber, sofern irgend möglich, in einer klinischen Studie erfolgen.
Verlaufskontrollen und Nachsorge
Während und unmittelbar nach der Therapie benötigen Patienten eine engmaschige Kontrolle. Dazu zählen neben Anamnese und körperlicher Untersuchung vor allem Blutuntersuchungen mit Zellzählung, Differentialblutbild und LDH. Während der Therapie stehen vor allem Komplikationen, Nebenwirkungen und die Therapiekontrolle dabei im Vordergrund. Deshalb kann gegebenenfalls weitere Labordiagnostik notwendig werden. Auch eine Bildgebung mittels CT oder Sonographie, bei klinischem Verdacht eine Echokardiographie, Röntgen Thorax, Lungenfunktion und ähnliches können notwendig werden.
Ziel der Nachsorge nach beendeter Therapie ist es, eine Progression, ein Rezidiv oder eine Transformation in ein aggressives Lymphom möglichst frühzeitig zu erkennen und gleichzeitig zu entdecken, wenn sekundäre Neoplasien auftreten oder sich Therapiefolgen wie eine Spättoxizität einstellen. Zunächst erfolgen die Kontrollen alle drei Monate. Ab dem dritten Jahr wird auf halbjährliche bis jährliche Intervalle erhöht. Die angestrebten Untersuchungen bestehen auch hier aus Anamnese, körperlicher Untersuchung, Zellzählung, Differentialblutbild, LDH und Kontrollbildgebungen meist mittels Sonographie.
Prognose
Das Gesamtüberleben der Erkrankten hängt von einigen Faktoren ab. Die Prognose kann anhand des Follicular Lymphoma International Prognostic Index, kurz FLIP-Index, abgeschätzt werden. In den Index fließen mehrere Risikofaktoren ein, die alle mit einem Punkt gewertet werden:
mehr als vier befallene Lymphknotenregionen
LDH-Erhöhung
Alter über 60 Jahre
Stadium III oder IV
Hämoglobin unter 12 g/dl
Anhand der Gesamtpunktzahl kann die prozentuale 10-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit berechnet werden. Die mediane Überlebenszeit liegt bei mehr als fünfzehn Jahren. Die Verläufe variieren jedoch stark. Die Überlebensraten anhand des FLIP-Index sind:
Anzahl von Risikofaktoren
Rezidivrisiko
10-Jahres-Überlebensrate in %
0 – 1
niedrig
62 – 71
2
intermediär
48 – 51
3 – 5
hoch
34 – 36
Im Gegensatz zu anderen Lymphomen hat die Risikoeinschätzung beim follikulären Lymphom nur einen prognostischen Wert. Die Therapieentscheidung beeinflusst den FLIP-Index nicht.
Tritt bei Patienten ein Frührezidiv innerhalb der ersten zwei Jahre nach Therapiebeginn auf, verschlechtert sich die Prognose deutlich. Die Gesamtüberlebenszeit ist dann mit etwa fünf Jahren unterdurchschnittlich.
Prophylaxe
Bisher ist die genaue Ursache des follikulären Lymphoms, wie bei vielen Lymphomen, unbekannt. Deshalb lässt sich auch noch keine Aussage zur Prophylaxe treffen. Ein gesunder Lebensstil, die Vermeidung von Infektionen und Co. können jedoch protektiv wirken.
Hinweise
Patienten, bei denen noch ein Kinderwunsch bestehen könnte oder zukünftig aufkommen könnte, sollten über fertilitätserhaltende Maßnahmen informiert werden.