Mit Non-Hodgkin-Lymphom wird eine heterogene Gruppe von über 50 verschiedenen Neoplasien des lymphatischen Gewebes bezeichnet. Sie entstehen infolge einer Entartung von B- oder T-Zellen, sowie natürlichen Killerzellen und den jeweiligen Vorläuferzellen.
Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) ist der Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher B-und T-Zell Lymphome sowie der Neoplasien natürlicher Killerzellen. Die Erscheinungsformen des Non-Hodgkin-Lymphoms sind mannigfaltig. Vom Hodgkin-Lymphom unterscheiden sie sich histologisch und klinisch. Non-Hodgkin-Lymphome können überall im Körper entstehen. Am häufigsten sind Lymphknoten betroffen, aber auch Lunge, Leber, Knochenmark und Milz können befallen sein.
Klassifikationen der lymphatischen Non-Hodgkin-Lymphome
Es existieren unterschiedliche Klassifikationssysteme der Non-Hodgkin-Lymphome. Früher nutzte man die Kiel-Klassifikation die Non-Hodgkin-Lymphome, die die B- und T-Zell Lymphome nach ihrem Wachstumsverhalten in hoch- und niedrigmaligne Tumoren unterteilt. Die Kiel-Klassifikation wurde jedoch weitgehend von der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO abgelöst, die NHL anhand morphologischer, immunologischer und genetischer Merkmale unterteilt. Die Begriffe hoch- und niedrigmaligne bzw. eine entsprechende Einteilung der NHL aus der Kiel-Klassifikation sind jedoch vor allem in der Klinik weiterhin gebräuchlich. In Krankheitsstadien werden die NHL mit der Ann-Arbor Klassifikation eingeteilt, die auch auf das Hodgkin-Lymphom angewendet wird.
Die WHO-Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome
In der WHO-Klassifikation werden die Non-Hodgkin-Lymphome zunächst in B- und T-Zell Lymphome unterschieden.
Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) der B-Zell-Reihe
Bei rund 85% der NHLs handelt es sich um B-Zell-Lymphome. Innerhalb der B-Zell-Reihe werden weitere Gruppen gebildet:
Klinisch werden die Lymphome in niedrig maligne (indolente) und hoch maligne (aggressive) NHL eingeteilt. Niedrig maligne (indolente) NHL machen circa 70 % der Erkrankungen aus.
Die niedrig malignen NHL haben eine geringe Heilungschance, zeigen aber meist nur eine langsame Progression.
Ann Arbor Klassifikation
Die Stadien der Non-Hodgkin-Lymphome werden mit der Ann Arbor Klassifikation bestimmt, die auch beim Hodgkin-Lymphom zum Einsatz kommt.
Stadium 1: Befall einer Lymphknotenregion (LK-Region) einer extralymphatischen Region (lokaler Befall außerhalb des lymphatischen Systems).
Stadium 2: Befall auf der gleichen Seite des Zwerchfells von zwei oder mehr LK-Regionen oder lokal begrenzter extralymphathischer Regionen.
Stadium 3: Befall von zwei oder mehr Lymphknotenregionen oder von extralymphatischen Organen auf beiden Seiten des Zwerchfells.
Stadium 4: Diffuser oder disseminierter Befall einer oder mehrerer extralymphatischer Organe mit oder ohne Befall von lymphatischem Gewebe.
Zusatz A: Keine B-Symptomatik.
Zusatz B: Typische B-Symptomatik: (Fieber > 38°C, Nachtschweiß, Gewichtsverlust > 10% des Körpergewichts in sechs Monaten.
Epidemiologie
In Deutschland erkrankten 2014 rund 17.000 Menschen neu an einem Non-Hodgkin-Lymphom. Die Prävalenz lag in Deutschland 2014 bei knapp 100.000 Patienten, die bis zum Erhebungszeitpunkt bis zu 10 Jahre mit der Erkrankung lebten. Insgesamt starben 3.560 Männer und 2.949 Frauen 2014 an einem NHL. Man beobachtet seit Jahrzehnten einen Anstieg der Inzidenz von NHL, während die Sterberaten sinken. Ein NHL tritt vor allem bei älteren Personen auf: Im Durchschnitt waren Männer bei Diagnosestellung 70 Jahre und Frauen 73 Jahre alt. Aber auch bereits Kinder können an einem NHL erkranken.
Ursachen
Aufgrund der mannigfachen Erscheinungsformen des Non-Hodgkin-Lymphoms ist eine einzige Ursache nicht wahrscheinlich. Tatsächlich sind aber auch für die einzelnen Erscheinungsformen keine singulären Ursachen bekannt. Wahrscheinlich sind an der Entstehung eines NHLs viele verschiedene Faktoren beteiligt. Als Risikofaktoren für die Bildung eines NHLs werden diskutiert:
angeborene oder erworbene Immunschwäche
schwache radioaktive Strahlung
Chemotherapie
Autoimmunerkrankungen
virale Infektionen (z. B. Epstein-Barr-Virus [EBV] beim Burkitt-Lymphom)
bakterielle Infektionen (z. B. Helicobacter pylori beim MALT-Lymphom)
Umweltgifte (z. B. Benzol)
Lebensstilfaktoren
Pathogenese
Die Pathogenese der verschiedenen Non-Hodgkin-Lymphome beruht auf der Klonierung entarteter B- oder T-Zellen sowie entarteter natürlicher Killerzellen. Sowohl reife Zelle als auch Vorläuferzellen können zum Ursprung des Klons und damit der Neoplasie werden.
Symptome
Die Symptome des Non-Hodgkin-Lymphoms sind meist durch die periphere Lymphadenopathie gekennzeichnet. Bei einigen NHL herrscht jedoch eine Zirkulation abnormer Lymphozyten ohne Lymphadenopathie vor. Folgende Symptome können auf ein NHL hinweisen:
schmerzfreie, gummiartige Lymphknotenschwellung persistierend oder progredient
B-Symptomatik: Fieber > 38°C, Gewichtsverlust > 10% in sechs Monaten, Nachtschweiß
Abgeschlagenheit, Müdigkeit
Beeinträchtigung der Hämatopoese mit Anämie, Thrombozytopenie, Granulozytopenie
Infektanfälligkeit
Hautläsionen
Ödeme
Niereninsuffizienz
Diagnostik
Die Diagnose Non-Hodgkin-Lymphom wird aufgrund des histologischen Befundes und/oder des Blutbilds gestellt. Grundsätzlich sollte jede schmerzfreie Lymphknotenvergrößerung, die länger als vier Wochen besteht oder mit einer B-Symptomatik verbunden ist, histologisch abgeklärt werden.
Aufgrund des schleichenden Verlaufs niedrig maligner, indolenter NHL erfolgt die Erstdiagnose häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium. In frühen Stadien werden niedrig maligne, indolente NHL unter Umständen als Zufallsbefund (z. B. Lymphadenopathie bei Röntgenthorax oder Blutbildveränderungen) festgestellt.
Untersuchungen
Zu den Untersuchungen gehören (z. T. nur bei Bedarf):
Anamnese unter besonderer Berücksichtigung eventuell vorhandener B-Symptomatik
Gastroskopie, Koloskopie, Röntgenuntersuchung und/oder Szintigrafie des Skeletts falls erforderlich.
diagnostische Liquorpunktion
EKG vor anthrazyklinhaltiger Therapie
Audiogramm vor platinhaltiger Therapie
Patienten > 75 Jahren mit schlechtem Allgemeinzustand: Bestimmung des Komorbiditätsindex (CIRS [Cumulative Rating Illness Scale])
Therapie
Die Heterogenität der Non-Hodgkin-Lymphome hat zur Folge, dass es kein einheitliches Therapieschema für alle Vertreter dieser neoplastischen Erkrankung gibt. Die Therapiewahl hängt vom Verhalten des NHLs ab (niedrig maligne/indolent oder hoch maligne/aggressiv), der spezifischen Art des NHLs und des Erkrankungsstadiums ab. Die Chancen auf eine komplette Heilung stehen bei hoch malignen, aggressiven NHL häufig besser als den niedrig malignen, indolenten NHL, die meist erst in fortgeschrittenen Stadien entdeckt werden und zu Rezidiven neigen.
Allgemeine Therapieoptionen
Da es sich bei den Non-Hodgkin-Lymphomen um im Grunde systemische Erkrankungen handelt, ist eine chirurgische Tumorbehandlung nur in wenigen lokalisierten Fällen und frühen Stadien zielführend. Zur Behandlung von NHL kommen folgende Therapien, häufig auch in Kombination, zum Einsatz:
Radiotherapie und Radioimmuntherapie
Chemotherapie in der Regel als Polychemotherapie
Immuntherapien in der Regel in Kombination mit Polychemotherapie aber auch als Monotherapie z. B. in der Erhaltungstherapie
neue Therapiestrategien
Radiotherapie und Radioimmuntherapie
Eine gezielte Radiotherapie kann in bestimmten Fällen (z. B. beim follikulären Lymphom) alleine zur Heilung führen. Bei aggressiven NHLs kann eine Strahlentherapie nach der Polychemotherapie bzw. der kombinierten Immuno-Polychemotherapie das krankheitsfreie Überleben (DFS [disease-free-survival]) verbessern. Um Nebenwirkungen und Spätfolgen der Bestrahlung gering zu halten, kommt hier in der Regel die IF-Radiotherapie (involved field radiation) zum Einsatz. Bei der IF-Radiotherapie wird nur die anatomische Region des Befalls bestrahlt, wohingegen bei der EF-Radiotherapie (extended field radiation) auch die benachbarten nicht befallenen Lymphknotenregionen einbezogen werden. Im Rahmen von Studien wird die IF-Radiotherapie allmählich durch das Involved-Node(IN)- bzw. das Involved-Site-Konzept (IS oder ISRT [involved site radiation therapy]) abgelöst. IN und ISRT sind auf der Basis des initialen Befallsmusters 3-D-definierte Zielvolumina, die gut mit den aktuellen technischen Möglichkeiten der modernen Strahlentherapie korrespondieren. Die initiale Diagnostik mittels Positronenemissionstomographie (PET) in Bestrahlungsposition ist die Voraussetzung für die moderne zielgerichtete Strahlentherapie.
Radioimmuntherapie
Eine Sonderform der Radiotherapie ist die Radioimmuntherapie mit Yttrium-90 [90Y] markiertem Ibritumomab-Tiuxetan. Der Chelator Tiuxetan koppelt das radioaktive 90Y an den Antikörper Ibritumomab, der selektiv an das CD20-Antigen von NHLs bindet. Auf diese Weise wird der Betastrahler 90Y direkt zu seinem Bestrahlungsziel gebracht. Durch den Kreuzfeuer-Effekt werden auch benachbarte Lymphom-Zellen bestrahlt, die kein CD20 Antigen aufweisen. Darüber hinaus bindet der Antikörper an Lymphomzellen im gesamten Körper, dadurch werden auch bislang nicht bekannte Tumorherde gezielt gestrahlt.
Chemotherapie und Immunchemotherapie
Die Polychemotherapie nach dem CHOP-Schema (Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednisolon) ist bereits seit den 1970 sowohl zur Behandlung der B- als der T-Non-Hodgkin-Lymphome im Einsatz. Es stellt nach wie vor die Grundlage der systemischen Therapie vieler hochmaligner NHL dar.
Seit der Einführung von Rituximab als monoklonaler CD-20 Antikörper wird es erfolgreich mit CHOP (R-CHOP) kombiniert. Weitere immunchemotherapeutische Schemata sind beispielsweise:
Bei der Behandlung von B-Zell-Lymphomen sind Antikörper-basierte Therapieschemata gegen das Lymphozyten-Antigen CD20 (Anti-CD20 Therapien) erfolgreich. Als Monotherapie kommt der monoklonale Anti-CD20 Antikörper Rituximab zum Beispiel in der Erhaltungstherapie des follikulären Lymphoms zum Einsatz. Die Anti-CD 20 Therapien können mit Strahlentherapien oder Chemotherapien s.o. kombiniert werden. Monoklonale Antikörper gegen CD20 sind beispielsweise Rituximab, Obinutuzumab, Ibritumomab-Tiuxetan (Tiuxetan ist ein Chelator, die Kombination Ibritumomab-Tiuxetan wird in der Radioimmuntherapie eingesetzt).
Bei kutanen T-Zell-Lymphomen kommt das Antikörperkonjugat Brentuximab Vedotin zur Anwendung, das an das CD30 Antigen bindet.
Hochdosis-Chemotherapie mit Stammzellentransplantation
Die sehr belastende Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender Stammzelltransplantation wird in der Regel nur bei jüngeren Patienten in einem guten Allgemeinzustand durchgeführt.
Neue Therapiestrategien
Derzeit werden neue Therapieansätze auf der Basis von Tyrosinkinaseinhibitoren des B-Zell-Rezeptor-Signalpfads und immunmodulatorisch wirksame Substanzen entwickelt und geprüft.
Prognose
Mit relativen 5JahresÜberlebensraten von 67% bei Männern und 71% bei Frauen ist die Prognose der Non-Hodgkin-Lymphome insgesamt gut. Selbst hochmaligne Erkrankungen können mittlerweile dauerhaft geheilt werden. Bei niedrig malignen, indolenten NHL tragen angepasste Therapiestrategien dazu bei die erkrankungsfreien (DFS) oder progressionsfreien Zeiten (PFS) zu verlängern.
Prophylaxe
Eine zielgerichtete Prophylaxe der Non-Hodgkin-Lymphome ist nicht bekannt.
Hinweise
In den nächsten Jahren werden Genexpressionsanalysen eine neue Klassifikation der Non-Hodgkin-Lymphome ermöglichen, ihre Diagnostik verändern und zielgerichteten, personalisierten Therapien den Weg ebnen.
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