Hintergrund
Die Inzidenz von HPV-positiven Oropharynxkarzinomen, welche vor allem jüngere Patienten betreffen, steigt stetig. Die Standardtherapie mittels Cisplatin und Radiotherapie birgt relevante akute und langfristige Toxizität. Gemäß einem globalen Konsens, wird nach Möglichkeiten der Deeskalation (=Reduktion der Toxizität bei gleichzeitigem Erhalt der antitumoralen Wirksamkeit) dieser Therapie gesucht.
Cetuximab, ein Inhibitor des epidermal growth factors, wurde vorgeschlagen, um die Toxizität der Therapie zu reduzieren. Meta-Analysen von kleineren bereits existierenden Studien, die hauptsächlich in einem retrospektiven Studiendesign durchgeführt wurden, zeigten, dass die Therapie mit Cetuximab zu einem schlechteren Outcome von Kopf-Hals-Tumoren führte, jedoch einen positiven Benefit bei HPV-positiven Tumoren haben könnten.
Zielsetzung
Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die Wirksamkeit von Cetuximab bei HPV-positiven Low-Risk Oropharynxkarzinomen in der Reduktion der Toxizität bei gleichzeitigem Erhalt der antitumoralen Wirkung zu untersuchen [1].
Methodik
Zu diesem Zweck wurde eine randomisiert kontrollierte offene Phase-3-Studie in 32 Kopf-Hals-Zentren in Irland (n=1), den Niederlanden (n=1) und den UK (n=30) zwischen November 2012 und Oktober 2016 durchgeführt. Es wurden 334 HPV-positive Oropharynxkarzinom-Patienten eingeschlossen. Gemäß der 7. Edition der TNM-Klassifikation befanden sich die Patienten im Stadium T3N0-T4N0 und T1N1-T4N3 und waren als low risk klassifiziert.
Die Patienten wurden randomisiert entweder in die Cisplatin-Gruppe, welche zusätzlich zu einer Radiatio (70Gy aufgeteilt auf 35 Fraktionen) 100mg/m2 Cisplatin i.v. an Tag 1, 22 und 43 erhielten oder in die Cetuximab Gruppe, welche zusätzlich zur Radiatio intravenös 400mg/m2 Cetuximab als Loading Dose, gefolgt von wöchentlichen Infusionen mit 250mg/m2 Cetuximab erhielten.
159 von initial 166 Patienten wurden in der Cisplatin-Gruppe und 162 von initial 168 wurden in der Cetuximab-Gruppe ausgewertet.
Als primäres Outcome wurde die Gesamtheit der (akut und spät) schweren (Schweregrad 3-5) Toxizitäts-Ereignisse (overall severe toxicity events) nach Ablauf von 24 Monaten nach Therapieende festgelegt. Erfasst wurde das primäre Outcome mittels der Common Toxicity Criteria Adverse Events (CTCAE).
Sekundäre Outcomes waren das Gesamt-Überleben, Zeit bis zum Rezidiv, Lebensqualität, Schlucken und akute / späte schwere Toxizitätsereignisse, die getrennt voneinander ausgewertet wurden. Zudem kamen der allgemeine und der für HNO-Tumore spezifische EORTC European Organisation for Research and Treatment of Cancer Quality of Life Questionnaire 30 zum Einsatz. Zudem wurde der M.D. Anderson Dysphagia Inventory Fragebogen verwendet.
Ergebnisse
Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 57 Jahre, 80% der Betroffenen waren Männer. In Stadium T1-T2 befanden sich 65% der Patienten. Zudem waren 76% der Patienten dem Stadium N2-N3 zuzuordnen.
8 Patienten (5%) der Cisplatin-Gruppe und 4 (3%) der Cetuximab-Gruppe erhielten eine Strahlentherapie Dosis von <70Gy. Alle Patienten erhielten eine Dosis von mindestens 65Gy. Die Therapie musste bei 12 Patienten (9%) der Cisplatin- und 14 (7%) der Cetuximab-Gruppe unterbrochen bzw. modifiziert werden.
In der Cisplatin-Gruppe erhielten 62 Patienten (38%) alle drei Zyklen der Chemotherapie, wohingegen 83 (51%) zwei Zyklen und 16 (10%) nur einen Zyklus der Chemotherapie durchliefen. Die mediane Cisplatin-Dosis betrug 200mg/m2 (IQR 200-300), nur 26 (16%) Patienten erhielten eine Dosis, die weniger als 200mg/m2 betrug. Die Hauptgründe für einen Therapieabbruch oder Dosisreduktion waren Myelosuppression, orale/gastrointestinale Toxizität, Nausea oder Erbrechen.
In der Cetuximab-Gruppe erhielten 130 Patienten (79%) alle acht Zyklen der Chemotherapie, 23 Patienten (14%) erhielten sieben Zyklen. Die mediane Cetuximab-Dosis betrug 2150mg/m2 (IQR 2133-2150). Die Hauptgründe für einen Therapieabbruch waren Hautausschlag, Patientenwunsch oder orale/gastrointestinale Toxizität.
Die Gesamtheit der schweren Toxizitäts-Ereignisse unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppenarmen (durchschnittliche Anzahl der Ereignisse 4,8 (95%CI 4,2-5,4) bei Cisplatin versus 4,8 (4,2-5,4) bei Cetuximab; p=0,98).
Auch die Gesamt-Toxizität aller Schweregrade unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen (durchschnittliche Anzahl der Ereignisse pro Patient 29,2 [95% CI 27,3-31,0] bei Cisplatin versus 30,1 [95% CI 28,3-31,9] bei Cetuximab; p= 0,49).
Allerdings wurden signifikante Unterschiede im 2-Jahres-Überleben zwischen den beiden Gruppen gefunden (Cisplatin 97,5% versus Cetuximab 89,4%; hazard ratio 5,0 [95% CI 1,7-14,7]; p=0,001).
Auch die 2-Jahres Rezidivrate (Cisplatin 6,0% versus 16,1% Cetuximab, 3,4[95% CI 1,6-7,2]; p=0,007) unterschied sich signifikant.
Die Gabe von Cetuximab anstatt Cisplatin führte zu einem zusätzlichen Todesfall pro 12 Patienten (number needed to harm 12,3 [95% CI 7,0-50,8]).
Auch die Fernmetastasenrate war unter der Cetuximab-Therapie signifikant höher im Vergleich zur Therapie mit Cisplatin (9% versus 3%, log-rank p=0,0092).
Fazit
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass eine Therapie mit Cetuximab verglichen mit der Cisplatin-Standardtherapie nicht nur keinen Benefit in der Reduktion der Toxizität zeigt, sondern sogar eine Verschlechterung der Tumorkontrolle aufwies. Daher empfehlen die Autoren der Studie die Verwendung von Radiatio-Cisplatin als Standardtherapie für Patienten mit HPV-positivem Low-Risk Oropharynxkarzinom. Zudem zeigten die Ergebnisse, dass bevor eine Standardtherapie durch eine andere Therapie ersetzt werden sollte, zunächst die Daten aus Phase-3-Studien abgewartet werden sollten, so die Autoren.
Die Studie wurde über die Warwick Clinical Trials Unit koordiniert. Die Studie wurde über ein Stipendium noC19677/A12834 der Cancer Research UK finanziert. Die Studie ist unter der Nummer ISRCTN33522080 bei dem International Standard Randomised Controlled Trial Number (ISRCTN) Register eingetragen.