
ACE-Hemmer (Inhibitoren des Angiotensin Converting Enzyme) haben sich als gut verträgliche Wirkstoffe zur Blutdrucksenkung, zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz und von chronischen Nierenerkrankungen bewährt und sind in diesen Indikationen von hohem Nutzen.
Ein Effekt des Wirkmechanismus der ACE-Hemmer ist jedoch die Erhöhung der Bradykinin-Konzentration. Es gibt Hinweise, dass Bradykinin die Angiogenese und das Tumorwachstum bei Karzinomen fördern kann. Diese Besonderheit des Wirkmechanismus der ACE-Hemmer ist der Grund, warum bereits seit längerem befürchtet wird, dass die bewährten Wirkstoffe das Lungenkrebsrisiko erhöhen könnten. Bei Beobachtungen über wenige Jahre konnte jedoch bisher kein Zusammenhang zwischen der Einnahme von ACE-Hemmern und einer erhöhten Inzidenz von Lungenkrebserkrankungen festgestellt werden.
Retrospektive Langzeitstudie
In einer aktuellen Studie untersuchten kanadische Wissenschaftler um Laurent Azoulay die möglichen Auswirkungen einer Langzeittherapie mit ACE-Hemmer auf das Lungenkrebsrisiko [1]. Die Forscher nutzten hierfür die United Kingdom Clinical Practice Research Datalink (CPRD). Dabei handelt es sich eine Datenbank, die anonymisierte Patientendaten aus Allgemeinpraxen im gesamten Vereinigten Königreich sammelt. Derzeit verwaltet die CRPD rund 10 Millionen aktuelle Krankenakten und archiviert Datensätze aus 35 Millionen Patientenleben.
Knapp eine Million Hochdruck-Patienten
In die Studie flossen die Daten von 992.061 Hochdruck-Patienten ein, deren Hypertonie-Therapie in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 2015 begonnen wurde. Etwas mehr als ein Drittel der Patienten (335.135 Personen) erhielten einen ACE-Hemmer. Die Nachbeobachtung im Rahmen der Studie erfolgte bis zum 31. Dezember 2016.
Ergebnisse
Im untersuchten Zeitraum traten 7952 Erkrankungen an Lungenkrebs auf. Die Inzidenz bei Patienten unter ACE-Hemmer-Therapie lag bei 1,6 pro 1.000 Personenjahre im Vergleich zu 1,2 pro 1.000 Personenjahre bei den anderen Hochdruckpatienten Das relative Risiko an Lungenkrebs zu erkranken war für die Patienten, die ACE-Inhibitoren einnahmen, damit um 14% erhöht.
Längere Einnahme erhöht das Risiko
Allerdings kam es erst ab einer Einnahme der ACE-Hemmer über fünf Jahre und mehr zu einem Anstieg des Risikos für Lungenkrebs. Je länger die ACE-Hemmer eingenommen wurden desto höher lag auch das Risiko. Patienten, die die ACE-Hemmer mehr als zehn Jahre einnahmen, hatten ein um 31% erhöhtes Lungenkrebsrisiko.
Limitationen der Studie
Die Autoren räumen allerdings verschiedene Schwächen der Studie ein. So gab es keine ausreichend detaillierten Informationen zum Risikoverhalten der Patienten (z. B. Rauchverhalten), ihrem sozioökonomischen Status, der Umweltbelastung oder anderen Risikofaktoren.
Moderates Risiko für den Einzelnen
Das erhöhte Risiko für den einzelnen Patienten infolge einer ACE-Therapie an Lungenkrebs zu erkranken, wird von den Autoren als moderat bezeichnet. Allerdings ist es im Hinblick auf die hohe Prävalenz der Hypertonie und der anderen Indikationen für ACE-Hemmer durchaus von Relevanz für das Patientenkollektiv. Daher sind weitere Studien erforderlich, um die Ergebnisse der vorliegenden Studie zu verifizieren.