
Im Februar 2021 stoppte die Firma Bluebird Bio (Germany) den Vertrieb ihres Arzneimittels Zynteglo (Betibeglogene autotemcel) aufgrund des Verdachts schwerwiegender Nebenwirkungen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA hat nun bestätigt, dass es keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Behandlung mit Zynteglo und dem Auftreten von Blutkrebserkrankungen gibt.
AML nach Gentherapie
Bei Zynteglo handelt es sich um die erste Gentherapie zur Behandlung der transfusionsabhängigen β-Thalassämie, die zu den seltenen Erkrankungen zählt. In einer Studie des Herstellers zu einer Gentherapie bei Sichelzellanämie (LentiGlobin), bei der der gleiche lentivirale Vektor wie bei Zynteglo genutzt wurde, entwickelte ein Patient etwa fünf Jahre nach der Behandlung eine akute myelotische Leukämie (AML) und ein weiterer ein myelodysplastisches Syndrom. Obwohl unter Zynteglo keine Fälle von AML berichtet wurden, konnte ein Zusammenhang mit der Gentherapie nicht ausgeschlossen werden. Daher wurden die LentiGlobin-Studie sowie der Vertrieb von Zynteglo vorsorglich gestoppt.
Kein Zusammenhang zwischen Krebs und Zynteglo
Eine Überprüfung des Risikos durch den Sicherheitsausschuss der EMA (PRAC), der von Experten des Ausschusses für neuartige Therapien (CAT) unterstützt wurde, ergab, dass der virale Vektor wahrscheinlich nicht der Grund für die Krebsentstehung ist. Bei einem der Patienten wurde der virale Vektor nicht in den Krebszellen gefunden, bei dem anderen befand er sich an der VAMP4-Stelle, die scheinbar nicht an der Krebsentstehung beteiligt ist.
Erhöhtes Risiko durch Konditionierung wahrscheinlicher
Es ist davon auszugehen, dass die Ursache für die AML-Entstehung in der Konditionierungsbehandlung liegt, die die Patienten erhielten, um die Knochenmarkszellen vor der Gentherapie zu entfernen. Zudem haben Patienten mit Sichelzellanämie generell ein erhöhtes Risiko für Blutkrebs.
Aktualisierung der Empfehlung zur Überwachung
Der CHMP kam zu dem Schluss, dass der Nutzen von Zynteglo weiterhin die Risiken überwiegt. Es sollen die Empfehlungen zur Überwachung der Patienten aktualisiert werden. Angehörige der Gesundheitsberufe sollen demnach ihre Patienten künftig mindestens einmal jährlich über einen Zeitraum von 15 Jahren auf Anzeichen von Blutkrebserkrankungen untersuchen. Die vorherige Empfehlung war einmal jährlich.
Da auch Patienten mit β-Thalassämie vor der Behandlung mit Zynteglo eine Konditionierungsbehandlung benötigen, sollten sie ausdrücklich über das erhöhte Risiko von Blutkrebserkrankungen durch die dabei verwendeten Arzneimittel hingewiesen werden.
Vertriebsstopp aufgehoben
Das Gutachten des CHMP wird an die Europäische Kommission weitergeleitet. Diese wird einen endgültigen rechtsverbindlichen Beschluss fassen, der in allen Mitgliedsstaaten gilt.
Bereits am 7. Juni 2021 gab die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) die Weiterführung der Gentherapie-Studien zur Behandlung der Sichelzellanämie frei.
Der Zulassungsinhaber gab bereits bekannt, dass der freiwillige Vertriebsstopp von Zynteglo aufgehoben wird.