
Übergewicht und Adipositas im Kindesalter sind ein zunehmendes Problem, insbesondere seit Beginn der Corona-Pandemie. Das zeigt eine neue repräsentative Eltern-Umfrage der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) und des Else Kröner-Freseniums-Zentrums (EKFZ) für Ernährungsmedizin der Technischen Universität München.
Umfrage unter 1.000 Eltern
Für die Studie wurden zwischen dem 28. März und 11. April 2022 insgesamt 1.004 Eltern mit Kindern im Alter von 3 bis 17 Jahren durch das Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. Die Umfrage enthielt 15 Fragen unter anderem zu Mediennutzung, seelischer Stabilität, Gewichtsentwicklung, Bewegungs- und Ernährungsverhalten der Kinder. Es glichen acht davon einer ähnlichen Umfrage des EKFZ für Ernährungsmedizin, die bereits 2020 durchgeführt wurde.
Die Studie wurde im Rahmen des Welt-Adipositas-Tages von der European Association for the Study of Obesity (EASO), der European Coalition for People living with Obesity (ECPO), der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS), und den Sonderforschungsbereich Adipositasmechanismen der Universität Leipzig finanziert.
Gewichtszunahme bei jedem sechsten Kind
Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass etwa 16% der Kinder und Jugendlichen seit Beginn der Pandemie zugenommen haben. In der Altersklasse von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 32%. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche einkommensschwacher Familien, sie haben doppelt so häufig an Gewicht gewonnen wie Kinder aus einkommensstarken Familien (23% vs. 12%). Es essen 27% häufiger Süßigkeiten. Außerdem finden in 34% der Familien häufiger gemeinsame Mahlzeiten statt.
Körperliche Fitness gesunken
Der Anteil an Bewegung ist bei Kindern und Jugendlichen stark gesunken, insgesamt um 44%, in der Altersklasse von 10 bis 12 Jahren sogar um 57%. Das geht einher mit einer verminderten körperlichen Fitness (33% gesamt, 48% bei Kindern von 10 bis 12 Jahren). Die Mediennutzung ist in der Pandemie bei 70% der Kinder erhöht.
Seelische Belastung
Aus den Umfrageergebnissen geht zudem hervor, dass fast die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (43%) die Pandemie als mittlere bis starke seelische Belastung empfinden.
Vielfache Hinweise auf Adipositas-Zunahme
Nicht nur die aktuelle Forsa-Umfrage hat zeigt, dass in Bezug auf Übergewicht und Adipositas bei Kindern Handlungsbedarf besteht. Auch die Weltgesundheitsorganisation sowie der Corona-Expertenrat der Bundesregierung haben bereits vor einer Zunahme von Adipositas aufgrund der Pandemie gewarnt.
Vergleiche mit der 2020 durchgeführten Umfrage des EKFZ für Ernährungsmedizin zeigen eine Verfestigung der negativen Auswirkungen auf den Lebensstil. Ähnliches zeigen Untersuchungen der Universität Leipzig zum Körpergewicht von Kindern in Mitteldeutschland sowie eine Befragung des Karlsruher Instituts für Technologie zur Gewichtszunahme im zweiten Lockdown. Daten der DAK-Gesundheit weisen außerdem einen starken Anstieg der Krankenhausbehandlungen aufgrund von Adipositas bei Kindern und Jugendlichen nach.
Experten sind alarmiert
„Eine Gewichtszunahme in dem Ausmaß wie seit Beginn der Pandemie haben wir zuvor noch nie gesehen. Das ist alarmierend, denn Übergewicht kann schon bei Kindern und Jugendlichen zu Bluthochdruck, einer Fettleber oder Diabetes führen.“, so Dr. Susann Weihrauch-Blüher, Oberärztin an der Universitätskinderklinik Halle/Saale und Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AGA) der DAG im Rahmen einer Pressemitteilung der DAG. Ergänzend dazu erklärt Prof. Hans Hauner, Direktor des EKFZ für Ernährungsmedizin und DAG-Vorstandsmitglied: „Die Krankheitslast ist ungleich verteilt und Corona hat das erheblich verschärft. Die Folgen der Pandemie müssen aufgefangen werden, sonst werden die ‚Corona-Kilos‘ zum Bumerang für die Gesundheit einer ganzen Generation.“
Laut der Experten ist deutlich erkennbar, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht temporär sind. Sie fordern nicht zum ersten Mal eine Zuckersteuer, Werbeverbote für ungesunde Lebensmittel sowie eine Stärkung der Adipositas-Therapie, die alle betroffenen Gruppen gleichermaßen erreicht. Die Finanzierung der Adipositas-Therapie durch die Krankenkassen müsse dafür zur Regel werden, so Prof. Hauner.