
Hintergrund
Die familiäre Hypercholesterinämie (FH) ist die mit einer geschätzten Prävalenz von 1:250 am weitesten verbreitete genetisch bedingte Lipidstoffwechselstörung. Sie ist durch eine deutliche Erhöhung des LDL-Cholesterins im Plasma von Kindheit an charakterisiert. Die FH gilt als unterdiagnostiziert: Bei einer geschätzten Prävalenz >270.000 Fällen in Deutschland sind derzeit <10% der Betroffenen bekannt. Obwohl die Diagnose der FH klinisch und molekulargenetisch relativ einfach und zuverlässig ist, wird sie gewöhnlich erst nach einem Herzinfarkt in jungem Alter oder bei einer familiärer Häufung kardiovaskulärer Ereignisse erkannt. [1,2]
Folgen der FH
Dabei wäre eine Früherkennung der Erkrankung wünschenswert, denn es gibt Belege, dass ein Therapiebeginn im Kindesalter die schweren Folgen der Erkrankung verhindern kann. [3] Die FH gehört zu den häufigsten Ursachen von Herzinfarkten bei vergleichsweise jungen Menschen. „Das Risiko für ein Koronarereignis ist bei den FH-Betroffenen 13-fach erhöht, viele sterben als junge Erwachsene daran.“, erklärte Dr. Georg Leipold, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Regensburg, anlässlich der Kick off Pressekonferenz der VRONI-Studie zum Screening auf FH bei Kindern und Jugendlichen.
Bayernweites Screening
Die VRONI-Studie ist ein Projekt des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege (StMGP) und des Deutschen Herzzentrums München (DHM) in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte LV Bayern. Mit VRONI soll ein flächendeckendes Screening zur Frühdiagnose der FH in der Altersgruppe der Kindervorsorgeuntersuchungen U9-J1 in den Praxen von Kinder- und Jugendärzten in Bayern implementiert und evaluiert werden. Die Teilnahme ist für Kinder und Jugendliche im Alter von >5 bis < 15 Jahren freiwillig und kostenfrei.[4]
Durchführung des Screenings
Das Projekt ist auf die Mitarbeit von Kinder- und Jugendärzten angewiesen, denn die Rekrutierung und Aufklärung von Teilnehmern und deren Erziehungsberechtigter sowie die Blutentnahme soll vom vertrauten Arzt durchgeführt werden. Die Initiatoren empfehlen die Durchführung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen U9-J1 oder einer anderen Konsultation. Das Kapillarblut (200 µl) für das Screening wird aus der Fingerbeere entnommen und zur Bestimmung des LDL-Cholesterins an das DHM geschickt. Bei LDL-C-Werten über 130 mg/dl (entspricht 3,34 mmol/l) erfolgt automatisch eine molekulargenetische Untersuchung und Testung auf FH. Die Kinder- und Jugendärzte erhalten bei entsprechendem Befund einen Forschungsbericht.
Forschungsbericht enthält keine Diagnose
Das Ergebnis der genetischen Analyse ist als Befund und nicht als medizinische Diagnose zu werten. Im Forschungsbericht wird höchstens der „hochgradige Verdacht auf eine FH“ geäußert. Professor Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung für Stoffwechsel und Ernährung an der Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München empfahl auf der Pressekonferenz: „Wir sollten nicht aufgrund einzelner Laborwerte behandeln, sicherer ist, in den folgenden Wochen erneut zu messen.“ Die Eltern und ihre positiv getesteten Kinder sollten dazu zur weiteren Untersuchung und Betreuung an regionale Kinderkardiologen überwiesen werden.
Behandlungsempfehlungen
Zur Behandlung einer eindeutig diagnostizierten familiären Hypercholesterinämie (FH) empfahl Koletzko eine Ernährungsumstellung. Falls die Patienten nicht darauf ansprechen, kann, laut Koletzko, ab einem Alter von acht Jahren oder unter besonderen Umständen auch früher eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden. Da auch weitere Familienmitglieder von der FH betroffen sein können, sollten die Angehörigen des erkrankten Kindes entsprechend untersucht und im positiven Falle behandelt werden.
Ziele des Projekts
„Unser Ziel ist es, möglichst viele Patienten mit genetischer Mutation zu identifizieren“, erklärt Professor Heribert Schunkert, Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am DHM im Rahmen der Pressekonferenz zum Auftakt der „VRONI-Studie“. Eine frühzeitige Diagnose und konsequente Therapie könnte das Risiko einer atherosklerotischen Erkrankung auf Normalniveau senken. Kinder- und Jugendärzte in Bayern, die sich für das VRONI-Projekt interessieren und daran teilnehmen wollen, können sich auf der Webseite des Projekts informieren.