
Hintergrund
Vor über 100 Jahren kam der BCG (Bacille Calmette Guerin)-Impfstoff gegen Tuberkulose auf den Markt. In Deutschland wird die Impfung seit 1998 nicht mehr empfohlen. Als Gründe dafür werden angegeben:
- Die Schutzwirkung des Impfstoffes gegenüber der Tuberkulose beträgt zwischen 50-80%.
- Nicht selten treten unerwünschte Wirkungen auf, da es sich um einen attenuierten Lebendimpfstoff handelt.
- Das Infektionsrisiko in Deutschland wird als gering eingeschätzt.
In anderen Ländern ist die Tuberkulose sehr viel häufiger und Kinder werden dort regelmäßig gegen die Infektionskrankheit geimpft. Die Kleinkinder, die eine BCG Impfung erhalten, sind nicht nur gegen Tuberkulose geschützt, sondern leiden auch seltener an anderen Atemwegserkrankungen. Zudem ist das Überleben bei diesen Kindern gesteigert.
Ähnliche Ergebnisse wurden auch nach Masern- und Polioimpfungen beobachtet.
Niederländische Forscher haben dann vor einigen Jahren eine Pilotstudie zu diesem Thema durchgeführt: 40 junge Erwachsenen haben eine BCG-Impfung oder Placebo erhalten und sind dann später gegen Influenza A (H1N1) geimpft worden. Die Studienteilnehmer, die die BCG Impfung erhalten hatten, entwickelten nach der späteren Grippeimpfung höhere Antikörpertiter als die Probanden, die in der Placebogruppe waren.
Eine griechische Arbeitsgruppe hat 2017 begonnen zu untersuchen, ob eine BCG-Impfung bei älteren Menschen (<65 Jahre) die Anzahl von Infektionen reduzieren könnte. Die Forscher entschlossen sich auf Grund des Auftretens der aktuellen COVID-Pandemie zu einer Zwischenanalyse ihrer Studie. Da Wissenschaftler weltweit noch fieberhaft nach einem Impfstoff gegen den Erreger SARS-CoV2 suchen, hofften die Forscher mit ihrer Zwischenanalyse dazu beizutragen, die Frage zu beantworten, ob sich durch eine BCG-Impfung eine gesteigerte Immunantwort erzeugen lässt, die im besten Falle das Risiko einer COVID-19 Infektion reduziert und somit helfen könnte, die Wartezeit bis eine Impfung verfügbar ist, zu überbrücken.
Methoden
Die vorliegende prospektive Phase-III-Studie „ACTIVATE“ wurde im Jahr 2017 gestartet.
Die Forscher schlossen in ihre doppel-blinde randomisierte Studie insgesamt 198 Probanden >65 Jahre ein. Diese erhielten entweder BCG (n= 72) oder Placebo (n=78). Das Follow-Up betrug 12 Monate.
Als Studienoutcomes untersuchten die Wissenschaftler unter anderem die Inzidenz einer Neuinfektion innerhalb von 12 Monaten, respiratorischer Infektionen viraler Genese welche eine medizinische Behandlung notwendig machten, aller respiratorischer Infektionen sowie die Ein-Jahres Mortalität.
Ergebnisse
Die Zwischenanalyse der Ergebnisse zeigte, dass die Senioren, die mit BCG geimpft worden sind, seltener an Infektionen erkrankt sind im Vergleich zu den Studienteilnehmern, die Placebo erhalten haben (25% versus 42,3%; Hazard Ratio [HR] 0,55; 95% Konfidenzintervall [KI] 0,31-0,97).
Bei den Atemweginfektionen zeigte sich ein Rückgang der Neuinfektionen um 79% bei den Patienten, die eine BCG-Impfung erhielten (HR 0,21; 95% KI 0,06-0,72; p=0,013).
Ferner trat bei den BCG geimpften Probanden ihre erste Infektion nach 16 Wochen auf, während die Probanden aus der Placebogruppe bereits nach 11 Wochen ihre erste Neuinfektion bekamen.
Immunologische Tests an einer Subgruppe von 57 Probanden (31 Placebo und 26 BCG Teilnehmer) zeigten, dass das Immunsystem nach der BCG Impfung eine gesteigerte Abwehrbereitschaft hat. So kam es zu einer gesteigerten Freisetzung des Tumor-Nekrose Faktors (TNF) alpha sowie der Interleukine 1beta und 10 durch die peripheren Leukozyten, wenn sie durch Antigene von anderen Erregern (als BCG) stimuliert wurden. Zudem sahen die Wissenschaftler einen Trend in Richtung einer verstärkten Interferon gamma Antwort.
Die Impfung bei den älteren Probanden zeigte sich als sicher. So zeigten sich keine Unterschiede in Bezug auf unerwünschte Wirkungen zwischen der Placebo- und der BCG-Gruppe.
Fazit
Eine BCG-Impfung konnte bei Älteren das Risiko von Infektion insbesondere von Atemwegsinfektion senken. Zudem konnten die Forscher zeigen, dass die Impfung zu einer gesteigerten Immunantwort führt.
Ob die BCG Impfung vor einer COVID-Infektion schützen könnte, ist derzeit noch unklar. Diesbezüglich müssen die Ergebnisse weiterer Studien abgewartet werden.