Atorvastatin
Atorvastatin wird zur Behandlung erhöhter Blutfettwerte (LDL-Spiegel) eingesetzt, wenn eine fettarme Diät nicht den gewünschten Erfolg erbringen konnte. Der Wirkstoff reduziert vor allem erhöhte Cholesterin- und Triglyceridwerte. Zudem wird Atorvastatin in der Vorbeugung von Arteriosklerose, Herzinfarkt und Schlaganfall angewendet.
Atorvastatin: Übersicht

Anwendung
Statine wie Atorvastatin werden eingesetzt, um den Gesamt-Cholesterinspiegel und spezifisch den LDL-Cholesterinspiegel herabzusetzen. Dies ist besonders bei Hypercholesterinämien präventiv indiziert. Ebenso wird Atorvastatin angewendet, um das Atherosklerose-Risiko vor allem bei koronaren Herzkrankheiten oder multiplen Risikofaktoren für selbige zu senken und sekundären kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
Eine frühzeitige Gabe von Statinen wie Atorvastatin bei akutem Koronarsyndrom wird debattiert und in manchen Kliniken praktiziert. Ihr Nutzen konnte bisher jedoch nur für einzelne Patientengruppen nachgewiesen werden.
Wirkmechanismus
Atorvastatin greift wie alle Statine in den Stoffwechsel von Cholesterin ein. Es hemmt das Enzym HMG-CoA-Reduktase, das die Umwandlung von 3-Hydroxy-3-methylglutaryl-Coenzym A (HMG-CoA) zu Mevalonat katalysiert. Dadurch wird die Cholesterinbiosynthese bereits im frühen Stadium unterbrochen und der Cholesterinspiegel in den Zellen sinkt.
Als Konsequenz bilden vor allem hepatische Zellen vermehrt LDL-Rezeptoren auf der Plasmamembran aus. Um den Cholesterinmangel in der Zelle auszugleichen, wird mehr LDL-Cholesterin aus dem Plasma aufgenommen. Dosisabhängig sinkt der Gesamtcholesterinspiegel dadurch um bis zu 50%. Die Triglyzerid-Plasmakonzentration fällt zusätzlich um bis zu 25%, die LDL-Cholesterin-Konzentration um 34-63%. Zusammen mit dem LDL-Cholesterin wird auch der Spiegel des Apolipoproteins B gesenkt. Apolipoprotein B steht in Verdacht, ein Risikofaktor für Schlaganfall und Herzinfarkt zu sein. Mit dem sinkenden Plasmaspiegel wird das Risiko für rupturierende atheromatöse Plaques und deren Progression vermindert. Unter Atorvastatingabe steigt zusätzlich der HDL-Cholesterinspiegel im Plasma um 5-10%.
Neben der Wirkung auf den Cholesterinspiegel werden Atorvastatin weitere pleiotrope Effekte zugeschrieben. Es soll die Endothelfunktion verbessern, Thrombozyten stabilisieren, Atherosklerose-assoziierte Entzündungsreaktionen hemmen, antioxidativ und vaskuloprotektiv wirken und die Reifung und antigenpräsentierende Funktion dendritischer Zellen im Plaque hemmen.
Pharmakokinetik
Das lipophile Atorvastatin ist ein Prodrug. Es wird nach oraler Gabe im Magen-Darm-Trakt bis zu 90% resorbiert. Die Bioverfügbarkeit beträgt im Schnitt 25%, sinkt jedoch bei gleichzeitiger Nahrungsaufnahme auf circa 13%. Knapp zwei Stunden nach Gabe ist die maximale Plasmakonzentration erreicht, die Plasmahalbwertszeit nach circa 14 Stunden. Mindestens 98% des Atorvastatins ist an Plasmaproteine gebunden.
Via organischer Anionen transportierender Polypeptide, kurz OATP, wird Atorvastatin von den Leberzellen aufgenommen und nach der ersten Passage in zwei aktive Metaboliten aufgespalten. Das Cytochrom-P450-Isoenzym CYP3A4 metabolisiert das Prodrug in den Leberzellen weiter zu ortho- und parahydroxylierten Derivaten sowie verschiedenen Beta-Oxidationsprodukten. Über die Galle werden die Metaboliten eliminiert. Ein geringer Anteil wird ebenfalls renal ausgeschieden.
Durch den First-Pass-Metabolismus erhöht sich die Eliminationshalbwertszeit von Atorvastatin mit etwa 30 Stunden deutlich im Vergleich zu anderen Statinen.
Dosierung
Atorvastatin wird als Tabletten mit 10 mg, 20 mg, 40 mg und 80 mg Wirkstoff angeboten. Unabhängig von der Therapieindikation sollte eine Therapie nach initialen Ernährungsumstellung mit einer Dosis von10 mg einmal täglich begonnen werden. Die Dosis kann anschließend im Vierwochenrhythmus gesteigert oder angepasst werden, bis die Zielwerte erreicht sind. Die maximale Tagesdosis beträgt einmal täglich 80 mg.
Bei heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie kann statt einer Dosierung von maximal 80 mg täglich eine Kombination von 40 mg Atorvastatin und einem gallensäurebindenden Ionenaustauschharz angewendet werden. Zum Zweck der Primärprävention bei kardiovaskulären Erkrankungen reicht Studien zufolge eine Dosis von 10 mg pro Tag aus. Diese sollte jedoch entsprechend der aktuellen Leitlinien für den individuellen Patienten überprüft und angepasst werden.
Für Kinder ist Atorvastatin frühestens ab einem Alter von zehn Jahren angeraten. Dosisempfehlungen sind aufgrund der eingeschränkten Studienlage jedoch nicht möglich.
Nebenwirkungen
Häufig:
- Nasopharyngitis
- allergische Reaktionen
- Hyperglykämie
- Kopfschmerzen
- pharyngolaryngeale Schmerzen
- Nasenbluten
- Verstopfungen, Blähungen, Übelkeit, Durchfall
- Dyspepsie
- Myalgie
- Arthralgie
- Schmerzen in den Extremitäten
- Muskelspasmen
- Gelenkschwellungen
- Rückenschmerzen
- veränderte Leberfunktionstests
- erhöhte Kreatinphosphokinase im Blut
Gelegentlich:
- Hypoglykämie
- Gewichtszunahme
- Anorexie
- Alpträume
- Schlaflosigkeit
- Benommenheit
- Parästhesien
- Hypästhesien
- Störung des Geschmacksempfindens
- Amnesie
- verschwommenes Sehen
- Tinnitus
- Erbrechen
- Ober- und Unterbauchschmerzen
- Aufstoßen
- Pankreatitis
- Hepatitis
- Urtikaria, Hautausschlag
- Pruritis
- Alopezie
- Nackenschmerzen
- Muskelschwäche
- Unwohlsein
- Asthenie
- Schmerzen im Brustkorb
- periphere Ödeme
- Erschöpfung
- Fieber
- positiver Test auf weiße Blutzellen im Urin
Selten:
- Thrombopenie
- periphere Neuropathie
- Sehstörungen
- Cholestase
- angioneurotisches Ödem
- bullöses Exanthem einschließlich Erythema multiforme
- Stevens-Johnson-Syndrom
- toxische epidermale Nekrolyse
- Myopathie
- Myositis
- Rhabdomyolyse
- Tendopathie (manchmal verkompliziert durch eine Sehnenruptur)
Sehr selten:
- anaphylaktische Reaktionen
- Hörverlust
- Leberversagen
- Gynäkomastie
Nebenwirkungen mit unbekannter Häufigkeit:
- nekrotisierende autoimmune Myopathie
Wechselwirkungen
Alle Pharmaka, die ebenfalls über das CYP3A4-Enzym metabolisiert werden, dieses inhibieren oder induzieren, können mit Atorvastatin interagieren. Ähnliches gilt für Medikamente, die das gleiche hepatische Transportprotein, das OATP1B1, nutzen oder angreifen. Beides kann den Plasmaspiegel von Atorvastatin erhöhen und damit einhergehend das Myopathierisiko. Für Gemfibrozil, Fibraten, Fusidinsäure, Colchicin und Ezetimib wurde beobachtet, dass sie spezifisch das Risiko einer Rhabdomyolyse erhöhen. Deshalb ist bei gleichzeitiger Gabe dieser Pharmaka eine vorausgehende Risiko-Nutzen-Abwägung empfohlen, sowie eine gleichzeitige klinische Kontrolle der Patienten.
Folgende Substanzen haben in Studien ebenfalls Wechselwirkungen mit Atorvastatin gezeigt:
- Digoxin: geringfügig erhöhte Steady-State-Plasmakonzentration von Digoxin
- Colestipol: Absinken des Atorvastatin-Plasmaspiegels
- Kontrazeptiva: Anstieg des Plasmaspiegels von Norethisteron und Ethinylestradiol
- Cumarinderivate: vorübergehender Abfall der Prothrombinzeit. Bei gleichzeitiger Gabe wird zu einer engmaschigen Kontrolle der Thromboplastinzeit in der ersten Therapiephase geraten
- Grapefruitsaft: Verstärkung der Nebenwirkungen
Kontraindikation
In den folgenden Fällen ist die Anwendung von Atorvastatin kontraindiziert:
- Überempfindlichkeit gegen Atorvastatin oder andere Bestandteile des jeweiligen Präparates
- Aktive Lebererkrankungen oder unklare, dauerhafte Erhöhungen der Serumtransaminasen auf das Dreifache des oberen Normwertes
- Schwangerschaft und Stillzeit
- Frauen im gebärfähigen Alter, die keine geeignete Empfängnisverhütungsmethode anwenden
- Kinder
- Eingeschränkte Leberfunktion
Schwangerschaft
Frauen im gebärfähigen Alter sollten Atorvastatin nur in Kombination mit geeigneten Verhütungsmaßnahmen anwenden. Während der Schwangerschaft ist Atorvastatin kontraindiziert. In Tierstudien konnte eine Reproduktionstoxizität nachgewiesen werden.
Stillzeit
Zur Anwendung von Atorvastatin während der Stillzeit liegen keine ausreichenden Daten vor. Da in Tierversuchen an Ratten Atorvastatin und aktive Metaboliten in der Muttermilch nachgewiesen werden konnten, ist Atorvastatin in der Stillzeit kontraindiziert.
Alternativen
Neben Atorvastatin sind noch eine Reihe weiterer Statine auf dem deutschen Markt verfügbar, die sich hinsichtlich ihrer Pharmakokinetik unterscheiden.
- Fluvastatin (t1⁄2-Elimination 2,3 ± 0,9 h, mehrere CYP450-Abbauwege)
- Lovastatin (t1⁄2-Elimination 2 h, CYP3A4)
- Pitavastatin (t1⁄2-Elimination 5,7-8,9 h, hauptsächlich über UGT1A3 und UGT2B7; minimal über CYP450-System: CYP2C9 und CYP2C8)
- Pravastatin (t1⁄2-Elimination 1,5-2 h, nicht über CYP450-System)
- Rosuvastatin (t1⁄2-Elimination 19 h, nur zu 10% metabolisiert, v.a. über CYP2C9)
- Simvastatin (t1⁄2-Elimination 1,9 h, CYP3A4)
Wirkstoff-Informationen
- ACC-Kongress 2018. Akutes Koronarsyndrom: Sehr frühe intensive Statin-Therapie als Routinestrategie ohne Vorteil
- Fachinformation Sortis
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. ESC/EAS Pocket Guidelines, Version 2016
- Freissmuth M, Offermanns S, Böhm, S. Pharmakologie und Toxikologie. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Heidelberg: Springer-Verlag, 2016
- Aktories K, Förstermann U, Hofmann F, Starke K. Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 12. Auflage. München: Elsevier, 2017
Abbildung
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