Mannitol

Der Wirkstoff Mannitol wird aufgrund seiner osmotischen Eigenschaften vielfältig angewendet. Die Applikation erfolgt intravenös zur Prophylaxe von Nierenversagen, der Behandlung von Hirnödemen und Glaukomanfällen, inhalativ zur Sekretolyse bei Mukoviszidose-Patienten und oral als Laxans bei Obstipation.

Mannitol

Anwendung

Mannitol ist ein osmotisch wirksamer Arzneistoff, dessen Eigenschaften bei folgenden Indikationsgebieten genutzt werden:

  • Prophylaxe eines akuten Nierenversagens (nach Probeinfusion)
  • Hirndrucksenkung bei intakter Blut-Hirn-Schranke
  • Augeninnendrucksenkung bei Glaukomanfall
  • Begleittherapie zur Sekretolyse bei zystischer Fibrose (Mukoviszidose/zystische Fibrose)
  • Obstipation

Weiterhin findet Mannitol Anwendung in Spüllösungen sowie als Diagnostikum zur Erkennung bronchialer Hyperreagibilität und zur Nierenfunktionsprüfung.

Für Diabetes mellitus Patienten kann Mannitol als Zuckerersatz dienen.

Anwendungsart

Zur osmotischen Diurese wird Mannitol intravenös als Kurzinfusion angewendet. Bei Mukoviszidose wird der Wirkstoff mit einem Pulverinhalator appliziert. Die Behandlung einer Obstipation mit Mannitol erfolgt oral.

Wirkmechanismus

Mannitol ist ein Zuckeralkohol mit osmotischen Eigenschaften. Bei der Infusion erfolgt die Ausscheidung über die Nieren. Der Wirkstoff wird wegen der starken hydrophilen Eigenschaften kaum tubulär rückresorbiert, sodass aufgrund des osmotischen Effekts vermehrt Wasser im Tubuluslumen zurückgehalten wird. Dadurch wird das Harnvolumen erhöht und die Diurese gesteigert. Zudem steigert Mannitol die Ausscheidung von Natrium, Kalium, Chlorid, Calcium, Phosphat, Lithium, Magnesium, Harnstoff und Harnsäure. Bei intakter Blut-Hirn-Schranke entsteht ein osmotisches Gefälle zwischen Blut und Hirngewebe, sodass dem Gewebe Flüssigkeit entzogen wird. Dadurch wird der intrakranielle Druck gesenkt und ein bestehendes Hirnödem verringert. Bei Schädigung der Blut-Hirn-Schranke kehrt sich der Effekt jedoch ins Gegenteil. Es kommt zum Flüssigkeitseinstrom ins Hirngewebe und dadurch zu erhöhtem intrakraniellem Druck. Der Aufbau eines osmotischen Gefälles im Auge resultiert in einem Flüssigkeitsentzug der vorderen Augenkammer, sodass der intraokulare Druck bei einem Glaukomanfall gesenkt wird.

Bei der zystischen Fibrose ist die Viskosität des Bronchialsekrets stark erhöht, sodass dieses nicht von alleine abfließen kann. Mannitol wird als Begleittherapie in inhalativer Form angewendet. Der osmotische Effekt sorgt dafür, dass die Viskosität des Sekrets herabgesetzt wird, weiterhin steigert Mannitol die mukoziliäre Clearance. Insgesamt kann das Bronchialsekret dadurch besser abtransportiert werden.

Bei oraler Applikation wird der Wirkstoff aufgrund seiner hohen Polarität nicht aufgenommen und vermindert auf diese Weise die Resorption von Wasser aus dem Darm. Folglich wird die Stuhlkonsistenz herabgesetzt und das Stuhlvolumen erhöht. Dies führt zu einem erhöhten Innendruck im Darm, der die Peristaltik anregt.

Pharmakokinetik

Resorption

Bei intravenöser Applikation beträgt die Bioverfügbarkeit 100%. Auch bei der inhalativen Anwendung von Mannitol geht fast die gesamte Wirkstoffmenge in die Blutbahn über.

Die osmotische Diurese durch Mannitol tritt etwa ein bis drei Stunden nach der Infusion ein, die Senkung des intrakraniellen Drucks erfolgt nach etwa 15 Minuten und die des intraokularen Drucks nach 30 bis 60 Minuten. Die Wirkdauer liegt zwischen drei bis acht Stunden. Bei wiederholter Gabe von Mannitol nehmen Wirksamkeit und Wirkdauer ab.

Verteilung

Die Verteilung von Mannitol nach intravenöser Applikation erfolgt ausschließlich im Extrazellularraum, also in Plasma und Interstitium.

Nach inhalativer Anwendung wird Mannitol gut in der Lunge verteilt.

Metabolismus

Mannitol unterliegt trotz der sechs oxidationsempfindlichen Carbinolgruppen einem langsamen Metabolismus. Ein geringer Anteil des Wirkstoffs wird in der Leber zur Glykogensynthese genutzt.

Elimination

Mannitol wird nach intravenöser Applikation in der Niere glomerulär filtriert und nur etwa 10% des Wirkstoffs werden tubulär rückresorbiert. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei etwa 100 Minuten, kann bei Niereninsuffizienz aber auf bis zu 36 Stunden erhöht sein.

Bei oraler und inhalativer Applikation wird Mannitol zu 54 bis 55% mit dem Urin ausgeschieden.

Dosierung

Der Einsatz von Mannitol als Osmodiuretikum bei Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren richtet sich nach der jeweiligen Indikation, dem klinischen und biologischen Zustand des Patienten sowie seines Körpergewichts und der Begleittherapie. Generell sollte die kleineste effektive Dosis verabreicht werden. Zur Prophylaxe eines akuten Nierenversagens werden 1 bis 1,5 g Mannitol pro Kilogramm Körpergewicht über eineinhalb bis vier Stunden verabreicht. Ziel dabei ist eine Diurese von mindestens 30 bis 50 ml pro Stunde. Zur Hirndrucksenkung werden hingegen 1,5 bis 2 g Mannitol pro Kilogramm Körpergewicht über 30 bis 60 Minuten infundiert. Bei Bedarf kann die Infusion mehrmals täglich, üblicherweise in einem Abstand von vier bis sechs Stunden erfolgen. Zur Senkung des Augeninnendrucks bei einem Glaukomanfall werden in der Regel 1,5 g Mannitol pro Kilogramm Körpergewicht infundiert.

Zur Behandlung der zystischen Fibrose bei Erwachsenen werden zweimal täglich 400 mg Mannitol inhaliert, das entspricht pro Einzeldosis zehn Kapseln mit jeweils 40 mg Mannitol. Die Anwendung sollte morgens und zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen erfolgen.

Bei Obstipation kann Mannitol oral in einer Dosierung von etwa 10 g angewendet werden.

Nebenwirkungen

Nebenwirkungen unter der intravenösen Therapie von Mannitol sind stark dosisabhängig und treten in der Regel nur bei Intoxikationen mit dem Wirkstoff auf. Dazu zählen:

  • Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts
  • Hyper- oder Dehydratation

Bei der Inhalation von Mannitol durch Mukoviszidose-Patienten können folgende Nebenwirkungen häufig (< 1 von 10 und ≥ 1 von 100) auftreten:

  • Husten
  • Hämoptyse (Blut im Auswurf)
  • Giemen
  • Posttussives Erbrechen, Erbrechen
  • Kopfschmerzen
  • Mundrachenschmerzen
  • Thoraxbeschwerden
  • Lokal verschlimmerter Zustand

Nebenwirkungen kommen bei der Behandlung von Verstopfungen mit Mannitol nur gelegentlich vor, es können eine leichte Unverträglichkeit (Meteorismus) sowie ein Gewöhnungseffekt auftreten.

Wechselwirkungen

Bei der Anwendung von Mannitol sind folgende Wechselwirkungen zu beachten:

  • Bei der Therapie mit Ciclosporin nach einer Nierentransplantation kann es in der Niere zu Vakuolenbildung kommen.
  • Erhöhte Kaliumverluste durch eine Osmotherapie können vor allem bei gleichzeitiger Anwendung von Diuretika die kardiale Toxizität von Herzglykosiden erhöhen. Auf der anderen Seite kann die Ausscheidung der Digitalisglykoside erhöht sein.
  • Mannitol steigert zudem die renale Ausscheidung von Lithium, weshalb die Plasmaspiegel des Phasenprophylaktikums kontrolliert werden sollten.

Kontraindikation

Für die Anwendung von Mannitol bestehen folgende Kontraindikationen bei intravenöser Applikation:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Hyperhydratation, Dehydratation
  • Abflusshinderung im Bereich der ableitenden Harnwege
  • Anhaltende Oligurie oder Anurie nach Probeinfusion
  • Hyperosmolarität (Serumosmolarität > 320 mOsm/kg)
  • Akute kardiale Dekompensation
  • Störungen der Blut-Hirn-Schranke
  • Intrakranielle Blutungen
  • Lungenödem

Mannitol sollte inhalativ nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • Bronchialer Hyperreaktivität gegen inhalatives Mannitol
  • Eingeschränkte Lungenfunktion (Einsekundenkapazität FEV1 ≤ 30% des Sollwertes)

Die Anwendung von Mannitol zur Behandlung einer Verstopfung ist in folgenden Fällen kontraindiziert:

  • Darmobstruktion oder -Perforation
  • Ileus
  • Schwere entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, akute Apendizitis)

Schwangerschaft/Stillzeit

Zur Anwendung von Mannitol in der Schwangerschaft liegen nur begrenzte Daten vor. Der Wirkstoff passiert zwar die Plazentaschranke, dennoch wurden im Tierversuch keine Hinweise auf direkte oder indirekte schädliche Wirkungen auf die Schwangerschaft oder den Fötus festgestellt. Mannitol kann zur osmotischen Diurese in der Schwangerschaft mit Vorsicht in der kleinsten effektiven Dosis angewendet werden. Die Anwendung von Mannitol zur Inhalation sollte aufgrund möglicher hyperreaktiver Reaktionen vermieden werden.

Stillzeit

Es ist nicht bekannt, ob Mannitol in die Muttermilch übergeht. Die Anwendung des Wirkstoffs in der Stillzeit sollte daher nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.

Verkehrstüchtigkeit

Mannitol hat keinen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen.

Weitere Informationen sind der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen.

Anwendungshinweise

Überwachung

Vor Therapiebeginn mit Mannitol sollte eine ausreichende Hydratation der Patienten sichergestellt werden.

Während der parenteralen oder inhalativen Behandlung mit Mannitol sollten folgende physiologische Parameter regelmäßig überwacht werden:

  • Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Base-Haushalt
  • Serumosmolarität
  • Nierenfunktion
  • Herzfunktion
  • Blutdruck

Osmodiurese

Infusionslösungen zur Osmotherapie dürfen nicht mit anderen Arzneimitteln gemischt werden. Vor der Therapie zur Prophylaxe von Nierenfunktionsstörungen muss bei Oligurie beziehungsweise Anurie eine Probeinfusion mit Mannitol durchgeführt werden, um den Nutzen der Behandlung zu überprüfen. Bei Patienten mit kompensierter Herzinsuffizienz ist besondere Vorsicht geboten, da eine rasche Expansion des Extrazellularraums zu Herzversagen führen kann.

Inhalativen Anwendung

Bevor Mannitol bei der Therapie der zystischen Fibrose eingesetzt wird, muss der Patient aufgrund des Risikos einer bronchialen Hyperreaktivität einem Initialdosis-Tests unterzogen werden. Dieser Test muss unter Aufsicht eines erfahrenen Arztes erfolgen. Für eine erfolgreiche Therapie ist die Inhalationstechnik essentiell. Die Begleittherapie richtet sich bei Anwendung mehrerer Atemwegstherapien nach einer bestimmten Reihenfolge (Bronchodilator, Mannitol, Physiotherapie, Dornase alfa, inhalative Antibiotika). Vor der Anwendung von Mannitol muss immer ein Bronchodilator verabreicht werden.

Einfluss auf Laborparameter

Mannitol beeinträchtigt die Bestimmung von anorganischem Phosphat und Ethylenglykol.

Alternativen

Mannitol ist derzeit das einzige Osmodiuretikum im Handel.

Neben Mannitol kann auch hypertone Kochsalzlösung inhalativ bei Mukoviszidose angewendet werden.

Zur Behandlung von Verstopfungender Obstipation stehen zahlreiche weitere Wirkstoffe zur Verfügung. Alternative Wirkstoffe, die wie Mannitol zu den osmotisch wirksamen Laxanzien zählen, sind:

Wirkstoff-Informationen

Molare Masse:
182.17 g·mol-1
Mittlere Halbwertszeit:
ca. 2.0 H
Q0-Wert:
0.05
Autor:
Stand:
05.10.2020
Quelle:
  1. Geisslinger, Menzel, Gundermann, Hinz, Ruth (2020) Mutschler Arzneimittelwirkungen, 11. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
  2. Steinhilber, Schubert-Zsilavecz, Roth (2010) Medizinische Chemie, 2. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag Stuttgart
  3. Ammon, Schubert-Zsilavecs (Hrsg.) (2014) Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch, 11. Auflage, Walter de Gruyter GmbH
  4. B. Braun Melsungen AG. Fachinformation: Osmofundin 15% N Infusionslösung, Ecoflac 100ml (07/2014)
  5. CHIESI GmbH. Fachinformation: Bronchitol 40 mg Hartkapseln mit Pulver zur Inhalation + Inhalator (04/2019)
  6. Bründl (2008) Den trägen Darm ankurbeln. Pharmazeutische Zeitung (zuletzt abgerufen am 01.10.2020)
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