DZT 2021: Amputationsraten beim diabetischen Fußsyndrom

Die Amputationsraten infolge eines diabetischen Fußsyndroms sinken insgesamt. Deutschland ist allerdings insbesondere in Bezug auf die Anzahl an Minoramputationen Spitzenreiter. Risikofaktoren betreffen unter anderem den Sozialstatus sowie die Blutzuckereinstellung und Nierenfunktion.

Rückgang

Das diabetische Fußsyndrom ist einen multifaktoriell bedingte Komplikation des Diabetes mellitus. Die Hauptursache stellt die diabetische sensomotorische Polyneuropathie dar, in 50% der Fälle liegt eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) mit oder ohne Neuropathie vor. Die verminderte Schmerzwahrnehmung führt in Kombination mit Bagatelltraumen, beispielsweise durch falsches Schuhwerk zu Hornhautschwielen oder direkt zur Wunde. Es kann zu Einblutungen bis hin zur Entwicklung eines Ulkus kommen. Infektionen und Ischämie erhöhten das Risiko für eine Amputation [2]. Auf dem XXXII. Internationalen Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie des Diabeteszentrums Thüringen e.V. (DZT) gab Prof. Dr. med. Maximilian Spraul, Diabetesschwerpunktpraxis Rheine, ein Update zu Amputationsraten bei diabetischem Fußsyndrom.

Hohe Morbidität und Mortalität

Das diabetische Fußsyndrom weist eine erhebliche Morbidität und Mortalität auf. Etwa 65% der in Deutschland durchgeführten Amputationen erfolgen bei Menschen mit Diabetes. Laut DMP Nordrhein von 2018 haben 1,1% der Typ-2-Diabetiker einen Ulkus, die Rezidivrate beträgt etwa 30% bei guter Nachsorge. Bei 0,6% der Betroffenen war eine Amputation nötig [1,2].

Häufigkeit nachfolgender Amputationen

In einer longitudinalen Kohorten-Studie wurden die Raten für nachfolgende Amputationen und Tod bei 17.1786 US-amerikanischen Veteranen mit Diabetes im Verlauf von 2004 bis 2016 untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass 34% der Betroffenen innerhalb eines Jahres eine weitere Amputation derselben Extremität nach durchschnittlich 36 Tagen hatten, darunter waren 10% Majoramputationen [3].

Einfluss des Sozialstatus

Eine schottische Kohorten-Studie betrachtete die Daten von 112.231 Personen mit Diabetes der »Scottish Care Information – Diabetes Collaboration« (SCI-Diabetes) aus den Jahren 2002 bis 2016 in Bezug die räumliche Verteilung diabetischer Fußulzerationen, Amputationen der unteren Extremitäten und Sterblichkeitsraten in der Region Glasgow.

Es zeigte sich eine hochsignifikante Häufung von Ulzera, Amputationen und daraus resultierenden Todesfällen bei Personen mit niedrigem Sozialstatus (jeweils p<0,001). Ulzera traten mit einer relativ hohen Prävalenz von 4,6% auf. Es zeigten sich eine niedrige Amputationsprävalenz von 1,3%, die Mortalitätsrate war mit einer Inzidenz von 1,5/100.000 pro Jahr nach Ulkus oder Apmutation hoch [4]. Spraul erklärt, dass die hohe Mortalitätsrate die niedrige Amputationsprävalenz bedinge.

Situation in Deutschland

Daten von 21 Ländern der Jahre 2000 bis 2013 zu diabetesbedingten Amputationsraten, die der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organization for Economic Cooperation and Development, OECD) vorgelegt wurden, zeigten Trends und Schwankungen auf.
Insgesamt konnte eine Reduktion von Majoramputationen bei Menschen mit Diabetes um -29,8% (182,9 auf 128,3 pro 100.000) beobachtet werden. Die Anzahl der kleineren Amputationen blieb während des Studienzeitraums etwa konstant. Deutschland belegte in der Rangliste der Majoramputationen mit 132/100.000 Diabetikern pro Jahr den vierten Platz. Die Anzahl von 423 Minoramputationen pro 100.000 Diabetikern pro Jahr lag hingegen deutlich über dem Durchschnitt von 184/100.000 pro Jahr [5].

Amputationsraten bei Typ-1-Diabetes

Eine schwedische beobachtende Kohorten-Studie analysierte Daten von 46.088 Patienten der »Schwedish National Diabetes Registry« in Bezug auf Risikofaktoren und die Inzidenz für Amputationen der unteren Extremitäten bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. Die eingeschlossenen Personen waren über 18 Jahre alt und ohne vorhergehende Amputation. Das Durchschnittsalter zu Studienbeginn lag bei 32 Jahren, 55% der Teilnehmenden waren männlich. Es wurden Daten von 1998 bis 2019 mit einem durchschnittlichen Follow-up von 12,4 Jahren ausgewertet.

Sinken der Amputationsraten

Etwa 3,3% (n=1.519) der untersuchten Typ-1-Diabetiker wurde im Verlauf einer Amputation unterzogen. Es zeigte sich eine allgemein sinkende Inzidenz der Amputationsraten. Während es von 1998 bis 2001 noch 2,84 Amputationen pro 1.000 Personenjahren (95%-Konfidenzintervall [KI] 2,32-3,36) waren, lag der Wert zwischen 2019 und 2019 noch bei 1,64 pro 1.000 Personenjahre (95%-KI 1,38-1,90).

Risikofaktoren

Die stärksten Risikofaktoren für Amputationen waren unabhängig von Alter, Geschlecht, kardiovaskulären Erkrankungen, Rauchen und Bluthochdruck eine Hyperglykämie (HR 1,78 pro HbA1c-Erhöhung von 1%, 95%-KI 1,71-1,85; p<0,0001) und Nierenfunktionsstörungen (HR 1,24 (95%-KI 1,21-1,26; p<0,0001) pro 10 ml/min/1.73 m2 verminderter eGFR).

Mit Anstieg des HbA1c stieg das Risiko für eine Amputation linear. Bei einem HbA1c von 8,2% (HR 2,81, 95%-KI 2,18-3,64; p<0,0001) war dieses Risiko im Vergleich zu einem HbA1c <7,0% (HR 1,73, 95%-KI 1,33-2,25; p<0,0001) fünffach erhöht. Überraschenderweise konnte keine Assoziation der LDL-Spiegel mit der Amputationsrate gezeigt werden (HR 0,95, 95%-KI 0,88-1,04; p<0,27 pro 1 mmol/l Erhöhung) [6].

Autor:
Stand:
14.10.2021
Quelle:
  1. Prof. Dr. med. Maximilian Spraul, Diabetesschwerpunktpraxis Rheine: Update: Diabetisches Fußsyndrom, Fortbildungskurs in praktisch-klinischer Diabetologie des Diabeteszentrums Thüringen e.V. (DZT), 10.10.2021
  2. Müller, Egidi, Klinge, Wolf (2021) Elsevier Essentials – Diabetes, 1. Auflage, Elsevier GmbH, Deutschland
  3. Littman et al. Risk of Ipsilateral Reamputation Following an Incident Toe Amputation Among U.S. Military Veterans With Diabetes, 2005-2016. Diabetes Care 2020 May;43(5):1033-1040. DOI: 10.2337/dc19-2337
  4. Hurst et al. Geospatial mapping and data linkage uncovers variability in outcomes of foot disease according to multiple deprivation: a population cohort study of people with diabetes. Diabetologia 2020 Mar;63(3):659-667. DOI: 10.1007/s00125-019-05056-9
  5. Carinci, Uccioli, Massi Benedetti et al. An in-depth assessment of diabetes-related lower extremity amputation rates 2000–2013 delivered by twenty-one countries for the data collection 2015 of the Organization for Economic Cooperation and Development (OECD). Acta Diabetol 57, 347–357 (2020). DOI: 10.1007/s00592-019-01423-5
  6. Hallström, Svensson, Pivodic et al. Risk factors and incidence over time for lower extremity amputations in people with type 1 diabetes: an observational cohort study of 46,088 patients from the Swedish National Diabetes Registry. Diabetologia (2021). DOI: 10.1007/s00125-021-05550-z
  • Teilen
  • Teilen
  • Teilen
  • Drucken
  • Senden

Anzeige