
Seit einigen Jahren wird intensiv zum Mikrobiom bzw. der Darmflora geforscht. Das Mikrobiom steht im Verdacht, daran beteiligt zu sein, wenn metabolische Erkrankungen entstehen, oder diese zumindest zu beeinflussen. Es wird selbst wiederum durch unsere Ernährung beeinflusst und variiert zwischen verschiedenen geographischen Regionen.
Studien zu Mikrobiom und Diabetes
Bereits in der Vergangenheit gab es mehrere Studien, die nach einem Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) gesucht haben – mit unterschiedlichen Ergebnissen. In einem Teil der Studien zeigte sich ein Einfluss auf glykämische Merkmale wie Nüchternblutzucker, HbA1c, Insulin und Co. Bei anderen zeigte sich der gleiche Effekt hingegen nicht.
Regionale Unterschiede
Ein Grund dafür könnten geographische Unterschiede sein. Je nach Region wirken sich Umweltfaktoren anders aus. Auch die Ernährung schwankt mit der Region. Ein Beispiel dafür sind Fasern, die von bestimmten Mikroben im Darm fermentiert werden. Auf diese Weise entstehen kurzkettige Fettsäuren, die die Freisetzung von Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1) stimulieren und so den Glukosemetabolismus beeinflussen. Andere Mikroben produzieren Cholin, Phenole oder Gallensäuren, die sich ebenfalls auf den menschlichen Metabolismus auswirken.
Anpassung des Mikrobioms als Therapieoption
Gelänge es, die Wechselwirkungen zwischen Mikrobiom, Metabolismus und Ernährung besser zu verstehen, könnte über die Ernährung auf das Mikrobiom Einfluss genommen werden und so vielleicht kosteneffizient und effektiv das Erkrankungsrisiko gesenkt werden.
Eine chinesische populationsbasierte longitudinale Kohortenstudie hat sich nun näher mit dem Thema befasst. Die Daten wurden im Journal »Diabetologia« veröffentlicht.
Zielsetzung
Es gibt bisher nur wenige Studien, die die longitudinale Assoziation zwischen dem Mikrobiom und der glykämischen Kontrolle untersuchten. Deshalb setzte sich die chinesische Studie zum Ziel, Darmmikroben zu identifizieren, die prospektiv mit glykämischen Merkmalen und T2DM assoziiert sind. Ihr Fokus lag dabei auf einer geographisch diversen Population, um auch mögliche diätetische Faktoren oder Lebensstilfaktoren zu identifizieren, die einen Einfluss auf das Mikrobiom und den Stoffwechsel haben.
Methodik
Für die populationsbasierte longitudinale Kohortenstudie mit dem Namen „China Health and Nutrition Survey“, kurz CHNS, wurden Daten von Teilnehmenden aus 15 Provinzen oder Megacities in China verwendet. Die Teilnehmenden wurden in wiederholten Runden alle drei bis vier Jahre befragt. Im Jahr 2015 wurden zusätzlich Stuhlproben der Teilnehmenden gesammelt und analysiert.
Ausgeschlossen wurden Teilnehmende mit einer antibiotischen Therapie im Monat vor Abgabe der Stuhlprobe, mit Darmerkrankungen wie einer ulzerierenden Kolitis, Morbus Crohn, lokaler Enteritis oder Reizdarm sowie einem prävalenten T2DM. Aus den 2.772 Teilnehmenden der CHNS, die keinen Diabetes und Stuhlproben abgegeben hatten, konnten so 1.829 Teilnehmende ausgewählt werden. Sie waren durchschnittlich 50,8 Jahre alt (± 12,7 Jahre) und hatten eine durchschnittliche Follow-up Zeit von 3,04 Jahren (Interquartilsabstand [IQR] 2,9 bis 3,1 ).
Datenerhebung und Stuhlproben
Für die Datenerhebung wurden die Teilnehmenden an drei aufeinander folgenden Tagen zuhause besucht. Zusätzlich wurden ihnen Nüchternblutproben abgenommen, die auf Nüchternblutzucker, Seruminsulin, HbA1c und weitere glykämische Merkmale untersucht wurden.
Am Tag, bevor die Teilnehmenden Stuhlproben abgeben sollten, wurde ihre Ernährung für 24 Stunden aufgezeichnet. Die Stuhlproben wurden sofort eingefroren und bis zur Analyse gekühlt. Die Analyse erfolgte im Zentrallabor mittels DNA-Extraktion, Amplifikation und Sequenzierung. Die 16s rRNA-Sequenzierungsdaten analysierte das Team mittels der „Quantitative Insights Into Microbial Ecology 2“ (QIIME 2) Plattform und taxonomischer Klassifikation mittels Bayes Classifier.
Alle Daten wurden statistisch ausgewertet und mithilfe der Daten ein Healthy Microbiome Index (HMI) entwickelt. Liegt der HMI bei 1, hat die Person, von der die Stuhlprobe stammt, Mikroben einer Gattung, die vorteilhaft ist für glykämische Merkmale, oder es finden sich keine Mikroben einer Gattung, die nachteilig für glykämische Merkmale sind.
Zusätzlich untersuchte das Team, ob eine prospektive Assoziation zwischen einem anfänglichen HMI und einem später auftretenden T2DM bestand und welchen Einfluss die Ernährung oder Lebensstilfaktoren auf das Mikrobiom und einen zukünftigen T2DM haben. Die Daten wurden aufgesplittet und für den geographischen Kontext zwischen Nord- und Südchina verglichen.
Ergebnisse
Von allen Teilnehmenden entwickelten 123 Personen innerhalb der drei Jahre Follow-up einen Typ-2-Diabetes. Die Inzidenz in Nordchina lag in der Studienpopulation bei 6,73%, die in Südchina bei 6,72%. Die Prävalenz von T2DM in Nordchina lag bei 12,8%, die in Südchina bei 11,6%.
Teilnehmende aus dem Norden bevorzugten eine getreidebasierte Ernährung mit Milch und Ei. Im Süden ernährten sich Teilnehmende reisbasiert mit Tieröl, Fisch, Gemüse, Nüssen, Schwein und Geflügel.
Das Mikrobiom
Seltene mikrobielle Gattungen, die bei weniger als 10% der Teilnehmenden gefunden wurden, schloss das Team von der Analyse aus. So blieben 191 Gattungen übrig, die analysiert wurden. Von diesen waren 53 verbunden mit der Ernährung oder dem Lebensstil und 46 regionsspezifisch. Durch sie konnte vorhergesagt werden, welche Hauptnahrung die jeweiligen Teilnehmenden bevorzugten.
Positiv oder umgekehrt proportional assoziiert mit glykämischen Merkmalen waren 25 Mikrobengattungen, sieben davon regionsspezifisch (Erysipelatoclostridium, Dialister, Fusobacterium, [Ruminococcus] torques group, Lachnospira, Marvinbryantia und Catenibacterium). Fast alle (23/25) zeigten Assoziationen mit mindestens einem Ernährungs- oder Lebensstilfaktor.
Auf individueller Ebene war keine der gefundenen Gattungen direkt mit glykämischen Merkmalen assoziiert. Sieben hingegen zeigten Assoziationen mit zwei glykämischen Merkmalen: Erysipelatoclostridium, Dialister, Mollicutes RF39 spp., Paraprevotella, Enterococcus, Familie XIII AD3011 Gruppe und Dorea. Umgekehrt proportional verbunden mit glykämischen Merkmalen hingegen waren unter anderem Atopobium, Anaerofustis und Defluviitaleaceae ICG-011.
Der neu entwickelte Healthy Microbiome Index (HMI) zeigte, was erwartet worden war: Er war umgekehrt proportional zur Inzidenz von Typ-2-Diabetes (Risk Ratio 0,69; 95%-Konfidenzintervall 0,58 bis 0,84). Dieser Zusammenhang war unabhängig von geographischen Unterschieden und Regionen. Mehr Gemüse in der Ernährung war positiv assoziiert mit dem HMI. Das Forscherteam vermutet darauf basierend, dass mehr Gemüse auch helfen könnte, das Darmfloraprofil zu verbessern.
Auswirkung der Ernährung
Auch die Ernährung wirkte sich auf die Zusammensetzung des Mikrobioms aus. Aßen die Teilnehmenden eine getreidebasierte Ernährung, korrelierten von den 25 Gattungen, die mit glykämischen Merkmalen assoziiert waren, 14 statistisch signifikant damit. Ob der Einfluss auf glykämische Merkmale vorteilhaft oder negativ ist, war jedoch nicht zu sagen, da die Assoziationen widersprüchlich waren.
Anders sah es bei Obst, Fisch oder Nüssen aus. Teilnehmende, die sich vor allem damit ernährten, hatten weniger Bakterien der Gattungen, die mit unvorteilhaften Auswirkungen auf glykämische Merkmale assoziiert waren, und mehr Bakterien der Gattungen, die sich nicht negativ auf glykämische Merkmale auswirken. Eine faserreiche Ernährung zeigte gar keine Auswirkungen auf Bakteriengattungen mit Einfluss auf glykämische Merkmale.
Fazit
Das Mikrobiom kann sich auf den Stoffwechsel auswirken. In ihrer prospektiven Studie zeigte das Team aus China, dass viele Bakteriengattungen positiv assoziiert waren mit glykämischen Merkmalen und der Inzidenz von Diabetes mellitus Typ 2 in einer geographisch diversen Population. Das bietet möglicherweise in zukünftigen Studien das Potential, Diagnostik und Therapie von einem Typ-2-Diabetes neu auszurichten oder gefährdete Personen besser herauszufiltern und Biomarker für einen prävalenten Typ-2-Diabetes zu entdecken.